Facebook erobert die Welt. Spätestens seit letztem Jahr wächst Facebook auch in Deutschland massiv und nimmt nicht nur privaten Sozialen Netzwerken wie StudiVZ & Co, sondern wohl auch dem größten deutschen Business Netzwerk XING wichtige Marktanteile.
Erklärungsversuche für diese zunehmende Dominanz gibt es einige. Sicherlich hat Facebook mit der eigenen Innovationskraft stets neue und spannende Funktionen vorangetrieben, die die Netzwerkbildung in beeindruckendem Maße befördern.
Meiner Meinung nach hat allerdings ein weiterer – oft vernachlässigter – Faktor maßgeblich dazu beigetragen, exponentielle Nutzerzuwächse zu generieren: Der „großzügige“ Umgang mit den Datenschutzrechten der Nutzer (vgl. auch Das Dilemma mit dem deutschen Datenschutz).
Auf Grundlage dieses exemplarischen Beispiels beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag mit den rechtlichen Grenzen bei der Verschaffung solcher Marktvorteile und der Frage, wie sich Unternehmen gegebenenfalls dagegen wehren können. Unter bestimmten Voraussetzungen sieht das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nämlich Ansprüche eines Unternehmens vor, wenn dessen – in- oder auch ausländischer – Wettbewerber sich durch Rechtsbruch auf dem gemeinsamen Markt Wettbewerbsvorteile verschafft.
I. Laxer Umgang mit Datenschutzinteressen befördert Netzwerkbildung
Im Laufe der Entwicklung ist Facebook durch eine Vielzahl von „Datenschutz-Skandalen“ aufgefallen. Die Art und Weise der Einführung zahlreicher neuer Tools und Funktionen legt die Vermutung nahe, dass man vieles „einfach einmal ausprobiert“, ohne sich allzu viele Gedanken über die Datenschutzbedürfnisse der eigenen Nutzer zu machen. Allzu oft hat dann erst der Widerstand in der Community Facebook dazu veranlasst, die Funktionen wieder zu entfernen oder zu entschärfen.
Viele dieser Funktionen waren in besonderem Maße geeignet, mögliche Netzwerk-Effekte zu befördern. Oft hat man sich dabei der Affinität zu den eigenen „Freunden“ bedient, indem der Effekt genutzt wurde, dass deren Nennung oder die Einblendung von bekannten Profilbildern die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme an bestimmten Funktionen oder Aktionen erhöht. All dies „befeuert“ natürlich die Ausbildung des virtuellen Netzwerkes ganz erheblich.So hatte man bereits im Jahr 2008 – wohl zur Gewinnung neuer Nutzer in Deutschland – ungefragt Profilinformationen einzelner Facebook Mitglieder verwandt, um bei Google Adwords Anzeigen mit Namen als eine Art unfreiwilliges Testimonial zu schalten (siehe auch meinen damaligen Beitrag „Facebook: Aktuelle Werbestrategie und der Datenschutz“).
Neben dieser zweifelhaften Aktion zur Gewinnung neuer Nutzer gab es einige weitere Funktionen, die – zumindest unter Zugrundelegung des deutschen Datenschutzrechts – eindeutig rechtswidrig waren. Exemplarisch sei hier die unzulässige Erhebung von E-Mailadressen durch Facebook genannt, die über die sogenannte „Friendfinder“-Funktion erfolgt, sobald ein Nutzer zur Identifizierung des eigenen Bekanntenkreises Facebook z.B. bei der ersten Anmeldung den Zugang zum eigenen E-Mail Postfach erlaubt.
Facebook speichert dann offensichtlich das ganze Adressbuch, um die entsprechenden Personen aus Facebook gleich einmal vorschlagen zu können. So kann auch ein neuer Nutzer erkannt werden, dessen E-Mailadresse, bereits über einen Dritten erlangt worden ist, obwohl er noch gar kein Facebook Account hat. Auf entsprechenden Widerstand der deutschen Datenschutzbehörden hat Facebook nun Anpassungen versprochen.
Ohne Frage befördern die exemplarisch genannten Maßnahmen von Facebook die Bildung und Verstärkung sozialer Netzwerke auf der jeweiligen Plattform ganz erheblich.
Insofern scheinen Unternehmen in Deutschland bzw. teilweise auch in Europa, die sich an den strengeren Datenschutzvorschriften zu orientieren haben, insoweit benachteiligt, als diese Werkzeuge, die den Aufbau sozialer Netzwerke erheblich befördern, eben nicht entsprechend eingesetzt werden können.
II. Mögliches Vorgehen gegen Vorteil durch Rechtsbruch
Einige Unternehmen – wie zuletzt StudiVZ – beklagen zwar immer wieder die großzügige Interpretation der Privatsphäre durch ausländische Anbieter, nehmen diese ansonsten aber im Wesentlichen hin. Leider nützt auch der Ruf nach den Datenschutzbehörden, die in einigen Fällen ausländischer Anbieter durchaus aktiver sein könnten, in diesen Fällen nur wenig.
Klar ist nämlich, dass nationale Anbieter bei einem zu laxen Umgang mit dem (deutschen) Datenschutzrecht unter bestimmten Voraussetzungen aus eigenem Recht gegen etwaige rechtswidrig erlangte Wettbewerbsvorteile vorgehen können.
So bestimmt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), welche geschäftlichen Handlungen als unlauter verboten sind. Nach § 4 Nr. 11 UWG ist es beispielsweise rechtswidrig, wenn ein Wettbewerber einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Über diese Vorschrift soll auch eine gewisse Selbstregulierung im Markt ermöglicht werden.
Unter bestimmten Voraussetzungen gehören deshalb auch die datenschutzrechtlichen Vorschriften zu solchen Marktverhaltensregeln, sodass gegebenenfalls auch bei Datenschutzverstöße gegenüber den Nutzern eines Sozialen Netzwerkes von einem anderen Betreiber einer entsprechenden Plattform rechtlich vorgegangen werden kann.
Da aber richtigerweise nicht jeder Rechtsbruch auch gleich Ansprüche der Wettbewerber (und damit mögliche Abmahnungen) auslösen können soll, bestehen entsprechende Unterlassungsansprüche nur wenn die verletzte Norm (z.B. aus dem Bundesdatenschutzgesetz) einen hinreichenden Marktbezug aufweist.
Ob die entsprechenden Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) als solche Marktverhaltensregeln anzusehen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten. Mehrfach wurde jedoch auch im Hinblick auf datenschutzrechtliche Vorschriften entschieden, dass ein hinreichender Marktbezug besteht, wenn der Rechtsbruch gezielt zu dem Zweck erfolgt ist, sich einen wettbewerbsrechtlichen Vorteil zu verschaffen, insbesondere wenn personenbezogene Daten von Verbrauchern ohne hinreichende Zustimmung zu kommerziellen Zwecken genutzt oder übermittelt worden sind (OLG Naumburg NJW 2003, 3566 (3568); OLG Stuttgart GRUR-RR 2007, 330 (331); KG GRUR-RR 2010, 34 (35)).
Folglich können bestimmte Datenschutzverstöße gegenüber Verbrauchern dazu führen, dass Wettbewerber z.B. eines sozialen Netzwerkes auf Grundlage des UWG entsprechende Unterlassungsansprüche gegen die entsprechende Internetplattform geltend machen können.
Es ist also keinesfalls so, als ob die betroffenen inländischen Unternehmen bei etwaigen datenschutzrechtlich bedingten Wettbewerbsnachteilen immer allein auf die Datenschutzbehörden angewiesen sind.
Auch wenn hier im Rahmen dieses Artikels nicht abschließend geklärt werden kann, ob die Voraussetzungen der skizzierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche auch im Zusammenhang mit den genannten datenschutzrechtlich höchst fragwürdigen Tools von Facebook erfüllt sind, sollten auch solche Optionen von Unternehmen stets bedacht werden, wenn ansonsten massive Nachteile im Wettbewerb drohen.
Insgesamt ist schon fraglich, warum sich etablierte Unternehmen gegenüber den Internetgrößen a la Google, Facebook & Co in Deutschland nicht auch einmal mit dem notwendigen Nachdruck rechtlich zur Wehr setzen. Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Irrtum unterliegen auch ausländische Plattformen (je nach der konkreten Anspruchsgrundlage) zumindest bei ihren Aktivitäten hier in Deutschland bzw. im Hinblick auf ihre Angebote gegenüber deutschen Verbrauchern oft dem nationalen Recht.
III. Zusammenfassung
Ohne Frage schießen manche datenschutzrechtliche Restriktionen im Hinblick auf das Internetbusiness über das Ziel hinaus. So hat z.B. die Diskussion über die Zulässigkeit der Speicherung von IP-Adressen ein fragwürdiges Stadium erreicht.
Der das Datenschutzrecht überlagernde Grundsatz des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung – nachdem natürlich Personen darüber befinden können sollen, wie ihre Daten verwendet werden können – ist aber sicher richtig. Je nach „Tiefe“ des Eingriffs sieht dieses Recht – sehr vereinfacht gesagt – manchmal „nur“ die Information der Nutzer vor, manchmal aber auch die Einholung deren Zustimmung als erforderlich an.
Und an diesen Grundsätzen werden sich auch Facebook & Co messen lassen müssen. Auch in den USA sind gewisse Entwicklungen festzustellen, die wohl auch dort zu einer sukzessiven Verschärfung der datenschutzrechtlichen Grenzen führen wird. Insoweit halte ich es durchaus für richtig, dass das Wettbewerbsrecht Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einräumt, gegen andere (teilweise auch ausländische) Anbietern rechtlich vorzugehen, wenn sie sich an diesen nicht an diesen rechtsverbindlichen Rahmen halten und sich so Wettbewerbsvorteile verschaffen. Mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wird den Unternehmen damit auch ein Mittel an die Hand gegeben zu einer gewissen Selbstregulierung in bestimmten Märkten beizutragen.
Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich eigentlich ein Anhänger der Möglichkeiten und Entwicklungen von Facebook bin, weil gerade dieses Unternehmen natürlich immer wieder innovative Tools einführt, die datenschutzrechtlich einwandfrei sind. Dennoch stellt sich schon die Frage, ob Facebook mit ihren Versuchen die datenschutzrechtlichen „Schmerzgrenzen“ ihrer Nutzer auszuloten, den Bogen nicht immer mal wieder überspannt und unter Priorisierung der eigenen Kommerzialisierungsbemühungen die Balance zwischen den (als solches nachvollziehbaren) Unternehmensinteressen und denen der eigenen Nutzer, auf die jedes Soziale Netzwerk zuvorderst angewiesen ist, verliert.
Um die Nutzer als wesentliches „Kapital“ nicht weiter fragwürdigen Datenschutzthemen zu gefährden, hat Facebook nun abgekündigt, über eine Crowdsourcing Aktion die eigenen Datenschutzbedingungen übersichtlicher und verständlicher zu machen . Es bleibt also spannend und letztlich zu hoffen, dass Facebook die spannenden Optionen nicht überreizt, weil das zu weitgehende Austesten von Grenzen aller Voraussicht nach zu einer übermäßigen Regulierung durch den Gesetzgeber führen wird, die sicher nicht im Interesse der Internetbranche sein kann.
Weiterführend auch:
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