Seit längerer Zeit schwelt der Streit über die Frage, ob und inwieweit die Nutzung einer fremden Marke als „keyword“, also das Stich- oder Schlüsselwort unter dem die jeweilige Google Werbeanzeige eingeblendet werden soll, eine Markenverletzung darstellt.
Nachdem unterschiedliche Gerichte in Deutschland divergierende Rechtsmeinungen vertreten haben und europarechtliche Grundlagen bei der Beurteilung eine Rolle spielen, war diese Frage seitens des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt worden.
Auch wenn der EuGH in den betreffenden Urteilen, die Nutzung fremder Markennamen nicht für grundsätzlich rechtswidrig erachtet, ist für Werbetreibende weiterhin Vorsicht geboten. Überschriften wie „Google erlaubt Buchung markenrechtlich geschützter Begriffe“ können bei oberflächlicher Lektüre insoweit zu Mißverständnissen führen. Die Entscheidungen bedeuten nämlich keinen Freibrief, da bei Vorliegen einer Verwechslungsgefahr (nachfolgend näher erläutert) auch weiterhin eine Verletzung der fremden Marke anzunehmen ist.
Wie verschiedene Internetmedien melden, ändert Google nun unter Berücksichtigung der Rechtsprechungslinie des EuGH seine Markenrichtlinien für das AdWords System. Nachfolgend sollen noch einmal kurz die Entscheidung der Europarichter und die markenrechtlichen Grundlagen referiert und die Änderung der AdWords Markenrichtlinie in verschiedenen Länden dargestellt werden.I. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
In der Entscheidung „Bananabay“ (BGH v. 22.1.2009, Az. I ZR 125/07) hatte der BGH bereits auf die streitentscheidenden Grundlagen hingewiesen. Es geht um die Frage, ob die Verwendung einer fremden geschützten Marke im Rahmen des AdWords Systems auch eine „markenmässige“ Benutzung darstellt, also der Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen dient. Wenn dies nicht der Fall ist, so kann mangels hinreichender Beeinträchtigung einer Funktion der jeweiligen Marke auch keine Markenverletzung angenommen werden.
Der EuGH hat in sich in einem entsprechenden Urteil (Rechtssache C-236/08 bis C-238/08 Google France & Google Inc. u. a. / Louis Vuitton Malletier u. a.) ebenfalls an diese Argumentation gehalten und zunächst einmal entschieden, dass Google dadurch, dass es Werbenden die Möglichkeit bietet, Schlüsselwörter zu kaufen, die Marken von Mitbewerbern entsprechen, grundsätzlich nicht das Markenrecht verletzt.
Desweiteren haben die Europarichter aber auch entschieden, dass die Schaltung einer fremden Marke als „keyword“ bei Google Adwords grundsätzlich keine Markenverletzung darstellt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass ein „durchschnittlicher“ Internetnutzer in die Irre geführt wird. Der EuGH hat festgestellt, dass die Nutzung einer fremden Marke als AdWords Schlüsselwort keine Funktionsbeeinträchtigung der Marke darstellt, wenn hieraus keine entsprechende Verwechslungsgefahr resultiert.
Eine Markenrechtsverletzung kann danach jedenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn durch die Nutzung der Marke als „keyword“ und die Gestaltung der Anzeige nicht der fälschliche Eindruck entsteht, dass die Anzeige vom Markeninhaber oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen stammt. In diesen Fällen liegt nach Auffassung des EuGh nämlich keine Verwechslungsgefahr vor und damit kann auch keine Markenverletzung angenommen werden.
Diese Argumentationslinie hat der EuGH auch in einer weiteren Entscheidung (Rechtssache C 278/08 vom 25.03.2010 – Bergspechte) noch einmal bekräftigt.
Die Frage, wann dennoch eine Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr anzunehmen ist (z.B. wenn auch aus der Anzeige nicht klar ist, welche Produkte beworben werden sollen), wird nun aber weiterhin eine Frage des Einzelfalls bleiben und von den nationalen Gerichten jeweils inhaltlich „ausgefüllt“ werden müssen.
Die Nutzung einer fremden Marke im Anzeigentext selbst wird in der Regel wohl auch weiterhin eine Markenverletzung darstellen. Darüber hinaus wird eine Markenverletzung bei der Nutzung einer fremden Marke als „keyword“ wohl auch anzunehmen sein, wenn der angesprochene Internetnutzer aus der Werbung nicht oder nur schwer zu erkennen kann, ob die beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Markeninhaber, einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen.
II. Google ändert Adwords Markenrichtlinie
Auf diese Rechtsprechungslinie hat Google nun reagiert und ändert mit Wirkung zum 14.09.2010 die Markenrichtlinien für das Google AdWords Programm. Dies gilt neben Deutschland für eine große Zahl weiterer Länder.
Markeninhaber können sich zukünftig eben immer dann beschweren, wenn aus der Gestaltung der Anzeige nicht klar hervorgeht, von welchem Unternehmen die beworbenen Waren oder Dienstleistungen stammen und daraus eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr resultiert.
Bisher wurde eine entsprechende Beschwerde schon weiterverfolgt, wenn ein fremder Markenname eben als „keyword“ gebucht worden war. Diese Regelung gilt auch weiterhin in Australien, Brasilien, China, Hongkong, Macau, Neuseeland, Nord Korea, Süd Korea und Taiwan.
In England, Irland und Kanada geht Google sogar noch weiter und passt die Richtlinien in naher Zukunft dem existierenden Standard in den USA an. Dort können Wiederverkäufer von Waren, Ersatzteilen und Komponenten schon jetzt die jeweiligen fremden Markenbezeichnungen auch im Anzeigentext verwenden. Bei entsprechenden Konstallationen, d.h. dem Angebot von Zubehör oder Ersatzteilen unter Nennung der Marke eines Dritten, ist unter Zugrundelegung deutschen Markenrechts bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Markenverletzung – nach wie vor – durchaus wahrscheinlich.
Für den Verkauf von Gebrauchtwaren stellt sich ebenso die Frage, ob die jeweiligen Produkte über das AdWords System auch mit den jeweiligen (fremden) Markennamen beworben werden dürfen. Hier sind die Grundsätze einer weiteren EuGH Entscheidung (Rechtssache C?558/08 vom 8. Juli 2010 – Portakabin / Primakabin) heranzuziehen. Die Verwendung fremder Marken als „keywords“ dürfte regelmässig zulässig sein, wenn der Wiederverkauf nach Umfang, Präsentationsweise oder einer etwaigen schlechten Qualität nicht geeignet sein, das Image der Marke zu beschädigen. Außerdem darf die Anzeige – entsprechend der oben beschriebenen Grundsätze – nicht den Eindruck erwecken, vom Markeninhaber zu stammen.
Man wird sehen, wie sich das Spannungsverhältnis Google Adwords und (deutsches und europäisches) Markenrecht weiter entwickelt. Wie bei vielen anderen „übermächtigen“ Angeboten auch, bleibt es spannend zu beobachten, wie eher der jeweilige Anbieter (hier Google) die Regeln setzt und nicht mehr so sehr die Nationalstaaten.
Markeninhaber orientieren sich aufgrund der offensichtlichen Marktmacht von Google oft nur noch an den von dem Unternehmen vorgegebenen Prozessen und Regeln. Dabei wird nicht mehr gefragt, ob denn die jeweiligen Prozesse und Regeln auch entsprechend rechtskonform sind.
Auch wenn einer Auseinandersetzung mit Google naturgemäß einige Hemmschwellen entgegenstehen, darf nicht vergessen werden, dass auch Google ein „normales“ US-amerikanisches Unternehmen ist, dass sich ebenso an den nationalen und europäischen Rechtsrahmen zu halten hat, wie alle anderen auch.
Schade, damit hat sich der europäische Gerichtshof ein weiteres Mal dem offensichtlichen Druck von Google gebeugt und die Stellung der Markenrechtsinhaber erneut geschwächt.
Für diese wird es zunehmend schwerer sich auf dem freien Markt und insbesondere im Internet von den Anbietern abzuheben, die nicht an der Marke und deren Erhalt selber, sondern nur am schnellen Profit interessiert sind.
Wie ist denn da die Regelung bezgl. der Schweiz, gilt das Urteil hier auch, eher nicht oder?
Hier stellt sich schnell die Frage, wie größere „Marken“ mit diesem Urteil umgehen – scheinbar haben diese weniger Probleme mit Anbietern, welche Ihren Markennamen nutzen…