Nachdem ich mich im ersten Beitrag dieser Reihe den rechtlichen Implikationen bei der Verbreitung von viralen Videospots auseinandergesetzt habe, folgen nun Ausführungen zu der Zulässigkeit von E-Mail basierten (viralen) Werbeinstrumenten wie den sogenannten E-Cards oder der weit verbreiteten Tell-A-Friend Funktion. Beide haben gemein, dass man eigene Nutzer einbindet, damit diese eigene Bekannte im besten Fall mit Botschaften versorgen, im schlechtesten Fall um über die User an die Daten (Name, E-Mailadresse etc.) der Bekannten zu gelangen, um diese mit weiteren eigenen (Werbe-)botschaften zu „beglücken“.
Die Nutzung von Tell-A-Friendfunktionen in verschiedenen Ausprägungen wird gerne genutzt, um gerade bei Werbekampagnen über die Einbeziehung Dritter deren Freunde und Bekannte zu erreichen. Als ich zu diesem Thema vor kurzem einen Vortrag gehalten habe, wurde durch die Bemerkung eines Werbefachmanns – der schon entsprechende Projekte an Kunden „verkauft“ hat – klar, dass insoweit keinerlei Problembewusstsein vorhanden ist. Auch wenn ich selbst ein grosser Anhänger der neuen Möglichkeiten im Internet bin, halte ich es für wichtig, dass sich Anbieter solcher interessanter viraler Tools – auch wenn vieles rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist – nicht zu weit in einen rechtlichen Graubereich vorwagen (nicht zuletzt um das Potential und die Reputation solcher Werkzeuge nicht ohne Not zu gefährden, indem diese sich aus Verbrauchersicht in die Ecke des Spams bewegen).
Während die aufgezeigten rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den viralen Videos nicht allzu dramatisch erscheinen bzw. mit einfachen Mitteln eigentlich ausgeräumt werden können, sieht die rechtliche Bewertung bei solch E-Mail basierten Werbeinstrumenten doch ganz anders aus.
Den meisten Werbetreibenden oder Dienstleistern, die mit E-Mails arbeiten ist bekannt, dass man Verbraucher über E-Mail grundsätzlich nur mit kommerziellen Informationen versorgen darf, wenn deren ausdrückliche Zustimmung vorliegt (sogenanntes Opt-In).
Wie ist es also rechtlich zu bewerten, wenn man Dritte – über die Daten die ein Bekannter über eine solche Tell-A-Friend Funktion eingegeben hat – anmailt, weil sich der Dritte (vermeintlich) für diese Info interessiert ? Ist dies mangels Zustimmung zur elektronischen Kontaktaufnahme als Spam zu qualifizieren ? Würde andernfalls nicht, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingreifen, welches für solchen Spam entsprechende Unterlassungsansprüche vorsieht ? Und welche Vorgaben sollten Unternehmen beachten, die mit solchen E-Cards oder Tell-A-Friend Funktionen arbeiten wollen ?
Neben der Beantwortung dieser Fragen wird der nachfolgende Beitrag, die derzeitige Rechtslage zu viralem Marketing zusammenfassen und einen Ausblick auf die Zukunft dieses Bereichs wagen, die unter anderem durch die Europäische Richtlinie über audio-visuelle Mediendienste (RL AVMD) geprägt werden wird, deren Regelungen bis Ende 2009 auch in Deutschland in nationales Recht umzusetzen sind.
1. Zulässigkeit von E-Cards und Tell-A-Friend
a) Diverse Entscheidungen zur Unzulässigkeit E-Mailbasierter viraler Werbeinstrumente
Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass personenbezogener Daten (insbesondere E-Mailadresse) ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen (Opt-In) nicht genutzt werden dürfen. Sonst bestehen diverse Unterlassungsansprüche der Wettbewerber aus §§ 8, 3, 7 UWG bzw. der betroffenen Person/ des betroffenen Unternehmens aus § 823, 1004 BGB analog iVm allgemeinen Persönlichkeitsrecht / Recht aus dem eingerichtetem und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Die kompromisslose Anwendung dieses Grundsatzes hat verschiedene Gerichte zu diversen Entscheidungen veranlasst, indem solch E-Mail basierte Werbeinstrumente (früher im wesentlichen E-Cards) für rechtswidrig erklärt worden sind. Neben dem fehlenden Opt-In wurde argumentiert, dass auch der Anbieter solcher Funktionen als Mitstörer für erleichtertes Spamming einstehen müsse. Zudem gäbe es keinen hinreichenden Schutz gegen Versand an einen unüberschaubaren Empfängerkreis. Weiter wurde angeführt, dass die Annahme einer Zulässigkeit solcher Funktionen die Gefahr an unzähligen Nachahmern berge. Nach Auffassung des OLG München bestünde sogar eine grundsätzliche Vermutung dahingehend, dass solche Tools von Nutzern gerne mißbräuchlich eingesetzt würden, um unliebsame Mitmenschen mit Spam zu belästigen.
In einem besonderen Fall, erklärte das LG Nürnberg eine prämienbasierte Produktempfehlungsfunktion für rechtswidrig. Der Anbieter einer solchen Funktion habe rechtlich einzustehen, weil er den Versand ohne Zustimmung billigend in Kauf nähme.Solche Mails haben nach Auffassung der Nürnberger Richter die gleiche Wirkung wir „normale“ Werbemails unter Umgehung des Spamfilters. Die Tatsache, dass der Einsatz noch gezielt durch Prämien verstärkt werde, führe schließlich eindeutig zur rechtlichen Unzulässigkeit (insofern sehe ich mit der rechtlichen Zulässigkeit dieses Tell-A-Friend Modells durchaus rechtliche Bedenken).
b) Ein Hoffnungsschimmer am Horizont – Eine Entscheidung des OLG Nürnberg
Nach diesen Ausführungen müsste man eigentlich zum Ergebnis kommen, dass solche Werbeinstrumente immer rechtswidrig sind. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer in Gestalt einer Entscheidung des OLG Nürnberg. In dieser Entscheidung kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Tell-A-Friend grundsätzlich auch ohne Opt-In zulässig sein kann, wenn über die zur Weiterleitung vom Nutzer angedachte Information (z.B. ein bestimmtes Produkt, Video etc) hinaus keine weitergehende Werbeinformation mitgesandt würde. Klar ist auch, dass man die über die Tell-A-Friend Funktion erlangten Daten auch nicht anderweitig verwenden darf, sofern man eben nicht die Zustimmung (Opt-In) des Betroffenen eingeholt hat.
In diesem Sinne lässt sich gut argumentieren, dass es ja bei der rechtlichen Bewertung keinen Unterschied machen kann, ob der Nutzer die jeweilige Infos seinem Bekannten per E-Mail selbst mitteilt oder der Seitenbetreiber hier eine komfortablere Funktionalität anbietet. In diesem Zusammenhang wird es meiner Ansicht nach aber stark auf die Absatzförderungsabsicht des empfehlenden Nutzers ankommen. Will er tatsächlich nur das Produkt zur Kenntnis bringen, dürfte es kein Problem geben. Anders sieht es aus, wenn der empfehlende Nutzer eigene monetäre Interessen verfolgt, etwa weil er eine Provision oder Prämie erhält.
Bei „reinen“ Tell-A-Friendfunktionen ohne dass der empfehlende Nutzer einen unmittelbaren (monetären) Vorteil erlangt, kann sich der Diensteanbieter auf Grundlage der Entscheidung des OLG Nürnberg auf die Zulässigkeit der Funktionalität berufen, wenn über die weiterzuleitende Information keine weiteren Werbebotschaften per Mail mitgesandt werden.
2. Hinweise für die Praxis
Werbeagenturen und Plattformbetreiber, die mit entsprechenden Funktionalitäten arbeiten, sollten zumindest folgende Praxishinweise beachten:
1. Neben der Empfehlung keine zusätzlich Werbung der jeweiligen E-Mail beifügen
2. Empfehlungsmail in jedem Fall so gestalten, dass der der Nutzer der Empfehlungsfunktion als eigentlicher Absender mitgeteilt wird
3. Aufnahme eines Disclaimers, der zeigt, dass der Plattformbetreiber nicht der eigentliche Veranlasser der E-Mail ist
4. Keine darüber hinausgehende Nutzung der so gewonnenen Daten
Klar ist, dass mit dieser sicher werberunfreundlichen Rechtsprechung zahlreiche interessante Werbemöglichkeiten abgeschnitten werden. Wohl deshalb (oder eben aus Unkenntnis über die Rechtslage) nutzen zahlreiche Internet- und ecommerce Plattformen dennoch entsprechende Funktionalitäten und nehmen damit das Abmahnrisiko wohl (bewußt) in Kauf, weil die potentiellen Werbeerfolge das Risiko überwiegen.
Als verantwortlicher Werber bzw. Plattformbetreiber sollte man das Risiko aber zumindest kennen um es einschätzen zu können und – soweit opportun – auch entsprechende Maßnahmen zur Risikominimierung treffen.
3. Zusammenfassung
a) Maßnahmen zur Risikominimierung
Zu Fragen des viralen Marketings sind bisher nur wenige konkrete Entscheidungen ergangen. Bei der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit einer konkreten Werbemaßnahme unter Nutzung der Möglichkeiten des Internet und des Web 2.0 wirkt sich außerdem erschwerend aus, dass verschiedene Rechtsquellen eine Rolle spielen und dass das entscheidend zu berücksichtigende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor kurzem reformiert worden ist. Auch in diesem Bereich wird der Wettbewerb härter und es ist nicht auszuschließen, dass eigene Mitbewerber (oder die eines Werbekunden) eine Werbeaktion einer gerichtlichen Prüfung unterziehen wollen. Deshalb gilt es Gestaltungensoptionen zu kennen, die die Wahrscheinlichkeit einer Rechtswidrigkeit zumindest reduzieren um nicht „ins offene Messer zu laufen“.
So kann am besten das grosse Potential viraler Werbeformen gehoben werden und verhindert werden, dass der zweifelhafte Einsatz entsprechender Werkzeuge diese beim Verbraucher in ein schlechtes Licht rückt.
b) Umsetzung der Richtlinie über audio-visuelle Mediendienste (RL AVMD)
Zu allem Überfluss steht zum Ende des Jahres 2009 noch die Umsetzung der europäischen Richtlinie über audio-visuelle Mediendienste (RL AVMD) in nationales Recht an, die mit weiteren Regelungen in diesem Bereich aufwartet. Diese wird zu einer weiteren Konvergenz der verschiedenen Mediendienste auch in der rechtlichen Bewertung führen. Zu erwarten ist daher auch in Deutschland die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen für linearen Medien (wie z.B. TV oder Radio) auf nicht-lineare Medien (On-Demand Dienste wie z.B. IPTV). Diese Zusammenführung erscheint durchaus sinnvoll, da die immer häufiger werdende Verlängerung von Inhalten z.B. aus dem TV ins Internet je nach Medium keine ungleiche Behandlung rechtfertigt.
Die nationale Umsetzung dieser europäischen Richtlinie wird aller Voraussicht nach zumindest teilweise zu einer Verschärfung der rechtlichen Situation führen. Neben einem Verbot von Schleichwerbung, welches im Internet weitreichende Auswirkungen haben könnte, werden im Moment auch die Vorschriften zum „Product Placement“ intensiv diskutiert.
Hier gilt es also für Agenturen und Werbetreibende die rechtlichen Entwicklungen zu beobachten, um die Kenntnis der rechtlichen Gegebenheiten vielleicht sogar als Vorteil gegenüber den eigenen Wettbewerbern zu nutzen.
Weiterführend zum Thema:
Virales Marketing & Recht – Dos and Donts bei Viralen Videos
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