Der Einsatz des sogenannten Social Web im Unternehmen bietet eine ungeahnte Zahl an neuen Ansätzen, das Unternehmen voranzubringen. Gerade im Bereich der sogenannten Wissensarbeit besteht ein enormer Anteil der Arbeit aus Kollaboration. Mit den Werkzeugen des Social Web schaffen Unternehmen die Grundlage, um diese Zusammenarbeit zu erleichtern und so weiter voranzutreiben.
Gleichzeitig schaffen mangelnde Medienkompetenz oder der unreflektierter Umgang mit dem Social Web auch Risiken. Diesbezüglich sind Unternehmen gut beraten, den Mitarbeitern mit Policies zur Nutzung der Sozialen Medien klare Vorgaben aber auch „Leitplanken“ zu geben, was seitens des Arbeitgebers gewünscht wird, aber auch die Grenzen aufzuzeigen. Mit solchen Social Media Guidelines und entsprechender Medienkompetenz können eine Vielzahl von Problemen vermieden werden, die in der Vergangenheit schon mehrfach aus dem gedankenlosen Einsatz von Werkzeugen wie Twitter, der schon bis zur Kündigung und einer Vielzahl anderer Folgen (wie zuletzt im Niedersächsischen Landtag) geführt hat. Das geht so weit, dass einzelne Politiker offensichtlich schon Regeln für die Nutzung von Twitter in die Geschäftsordnung des Bundestages integrieren wollen.
Wie bereits im Rahmen des ersten Teilbeitrages „Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen“ aufgezeigt, spielt eine Vielzahl von rechtlichen Belangen eine erhebliche Rolle bei der Integration entsprechender Werkzeuge. Damit ist die Konformität vor allen mit arbeitsrechtlichen Anforderungen ein wichtiger Faktor für den Erfolg und die Akzeptanz solcher Richtlinien.
Nachdem im oben genannten früheren Beitrag die wesentlichen Inhalte aufgezeigt wurden, die sinnvollerweise in entsprechende Social Media Guidelines aufgenommen werden sollten, möchte ich nachfolgend einige Social Media Guidelines exemplarisch auflisten. Dabei werden insbesondere die kürzlich veröffentlichen Richtlinien von SAP kritisch analysiert werden. Diese enthalten zum einen Inkonsistenzen, die den eigenen Arbeitnehmern eher nicht die gewünschte Hilfestellung geben. Zum anderen führt die Bezugnahme auf das private Kommunikationsverhalten dazu, dass einiges für die Unzulässigkeit dieser Regelungen spricht.
Abschließend sollen im dritten Teil der Beitragsreihe im Rahmen einer Zusammenfassung konkrete Praxishinweise gegeben werden, die bei der Erstellung und Integration von Social Media Guidelines beachtet werden sollten.
Praxisbeispiele
a) SAP Social Media Participation Guidelines
Auch wenn das Bestrebungen von SAP, als innovations- und IT-getriebenen Unternehmen auch beim Thema „Social Media Guidelines“ in Deutschland früh dabei zu sein, sicher zu begrüßen sind, ist das konkrete Ergebnis der „Social Media Participation Guidelines“ von SAP doch sehr kritisch zu sehen.
Die Policy beginnt mit:
The following guidelines describe private, individual participation in social media channels such as Facebook, Twitter, personal blogs, forums, YouTube, Flickr etc. for SAP employees.
Grenzwertig ist bereits die Eingrenzung des Anwendungsbereichs auf die private und individuelle Beteiligung („private, individual participation“) in den Sozialen Medien. Da stellt sich schon unmittelbar die Frage, inwieweit es dem Arbeitgeber überhaupt zusteht, Richtlinien für die private Kommunikation auf Facebook, Twitter & Co aufzustellen. Grundsätzlich natürlich überhaupt nicht, wenn keinerlei Arbeitgeberinteressen betroffen sind (so z.B. wenn dies außerhalb der Arbeitszeit geschieht). Hier ist bereits massive Kritik angebracht, die auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Guidelines aufkommen lässt.
Als allgemeine Orientierung ist darauf hinzuweisen, dass arbeitgeberliche Regelungen regelmässig unzulässig sind, wenn sie die Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Bestimmte Verhaltensweisen dürfen nur insoweit verboten werden, als diesen Verboten berechtigte Interessen des Unternehmens zugrunde liegen. Hieran hat sich jede (verbindliche) Vorgabe des Arbeitgebers messen zu lassen.
In diesem Zusammenhang stellt sich überdies die Frage, ob die jeweiligen Guidelines unverbindliche Handlungsempfehlungen oder verbindliche arbeitgeberliche Vorgaben sein sollen. Auch insoweit treffen die SAP Guidelines keine klare Aussage.
Gegen die Annahme allein unverbindlicher Empfehlungen sprechen z.B. folgende Regelungen:
Please note, that any direct communication to analysts, the financial market and/or members of the media must be conducted only through SAP Global Communications.
Diese Regelung will SAP offensichtlich als verbindliche Vorgabe (“must”) verstanden wissen.
In die gleiche Richtung geht folgende Regelung:
How to handle media inquiries – – Your contributions to social computing and the online conversations around SAP products, solutions, and practices will help advance dialogue, maybe solve some problems, create awareness and possibly attract attention of all kinds, including the media. If a member of the media contacts you, simply notify the Media Relations team in Global Communications via press@sap.com. They will determine the best way to handle the inquiry.
Warum aber sollte ein Mitarbeiter Anfragen von Medien, die durch seine privaten Aktivitäten im Social Web (wie z.B. durch sein eigenes Blog) ausgelöst werden, sich veranlasst fühlen, das PR-Team von SAP zu kontaktieren. In diesem Zusammenhang bleibt auch unklar, ob diese „Meldung“ ans PR-Team obligatorisch oder freiwillig sein soll.
In diesem Zusammenhang ist Unternehmen zu raten, einen wesentlichen Fehler der SAP Guidelines zu vermeiden. Im Interesse der Mitarbeiter sollten die jeweiligen Richtlinien klar kommunizieren, ob die Regelungen verbindliche Vorgaben sein sollen oder unverbindliche Handlungsempfehlungen. Problematisch erscheint dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Falle eines Verstosses gegen verbindliche Handlungsanweisungen des Arbeitgebers naturgemäß auch arbeitsrechtliche Maßnahmen (wie z.B. eine Abmahnung) ausgelöst werden können. Die konkrete Entscheidung über die Ausgestaltung obliegt der Geschäftsleitung. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, sowohl verbindliche als auch unverbindliche Regelungen aufzunehmen, diese aber eben auch entsprechend zu identifizieren.
Im letzten Absatz Absatz „Social Computing and your Primary Role“ wird folgendes geregelt:
Active contribution to social computing in its many forms can be time-consuming, so it is important that this does not interfere with your role at SAP. …
If your manager and SAP Global Communication determines that it is not possible to incorporate your social computing activity into your role at SAP, you should reduce your involvement in social computing and consider posting a statement that explains why you are reducing your online activity.
Dass Aktivitäten im Social Web zeitaufwendig sein können ist im Grundsatz natürlich richtig ist. Dieser Absatz steht aber im Widerspruch zu der Tatsache, dass diese Guidelines ja für die private Nutzung gelten sollen. Insofern ist nicht ersichtlich, wie etwa eine zeitaufwendige, private Nutzung des Social Web die Arbeitgeberinteressen berühren soll. Demgemäß steht es SAP auch nicht zu, insofern eine Reduzierung der („private, individual“) Aktivitäten zu postulieren. Das Problem ist hier, dass man zwar im Vorspann die Nutzung des Social Web am Arbeitsplatz nicht ausdrücklich zulassen will und insofern den Anwendungsbereich begrenzt, gleichzeitig aber doch etwas zum Problem „Arbeitszeitverschwendung“ durch Social Web Aktivitäten am Arbeitsplatz, die in angemessenem Umfang faktisch natürlich geduldet werden, sagen möchte. Dieser Kompromissweg nützt niemand. Besser wäre eine klare Aussage, ob bzw. inwieweit die Sozialen Medien auch während er Arbeitszeit genutzt werden sollen bzw. dürfen.
Auch wenn man zur Ehrenrettung von SAP sagen muss, dass das Thema nicht nur neu und schwierig ist, sondern auch eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen miteinender vereinbart werden müsse, , ist zusammenfassend dennoch zu statuieren, dass SAP mit diesen Richtlinien gerade keine klare Linie vorgibt (und seinen Mitarbeitern somit auch nicht die notwendigen „Leitplanken“ bietet). Stattdessen wird ohne klare Positionierung versucht, zwar die positiven Effekte des Social Web „mitzunehmen“ ohne sich freilich klar zu äußern, ob bzw. inwiefern die Nutzung der Sozialen Medien auch während der Arbeitszeit erwünscht ist oder eben in angemessenem Umfang akzeptiert wird. Mit einer Regelung die „private, individual participation“ im Social Web und Communities betreffend, ist diesbezüglich niemand geholfen.
b) Weitere Beispiele
Weitere bekannte Beispiele für Social Media Richtlinien sind die IBM Social Computing Guidelines (aus meiner Sicht deutlich besser als die SAP Guidelines) mit entsprechender Zusammenfassung, die Intel Social Media Guidelines oder die Guidelines on Public Disclosure von SUN. Gerade in den USA gibt e seine Vielzahl von Policies, die zeigen wie amerikanische Unternehmen mit dem Phänomen Social Media Guidelines umzugehen versuchen.
Interessante Übersichten und Sammlungen qualitativ sehr unterschiedlicher Social Media Guidelines, die sich aufgrund ihrer amerikanischen Herkunft auch oft schwer mit deutschem Recht vereinbaren lassen, finden sich bei DigitalPublic oder Socialmediagovernance.
Morgen vormittag werde ich an dieser Stelle dann den dritten und letzten Teil meiner Beitragsreihe zu den rechtlichen Einflüssen bei der Erstellung von Social Media Policies veröffentlichen. In diesem Beitrag werden in Ergänzung zu den inhaltlichen Regelungspunkten aus dem ersten Beitrag allgemeine Praxishinweise zur Einführung von Social Media Governance und dem Weg zum „kontrollierten Kontrollverlust“ zusammengefasst werden.
Zum Thema Social Media Guidelines siehe auch:
TEIL 1 „Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen“
TEIL 3 „Social Media Guidelines & Recht – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien“
Die Erarbeitung von Social Media Guidelines ist wichtig und richtig. Sie schaffen Klarheit und damit die Voraussetzung für breite Beteiligung. Neben allem Regelmentierungseifer sollten jedoch auch ausreichend Überlegungen zu den Potentialen und möglichen Einsatzfeldern von Social Software im Sinne der Wertschöpfung angestellt werden. Die eigene Erfahrung zeigt mir, dass letzteres nicht selten auf der Strecke bleibt und Social Media zunächst primär als unausweichliches Phänomen gesehen wird, dass es geeignet zu regelementieren gilt, um keinen Schaden anzurichten.
Vielen Dank für den richtigen und wichtigen Kommentar.
Auf dieses Thema waren wir leider im Rahmen unseres Treffens mit Dion Hinchcliffe in München ja nicht gekommen 😉
Ansonsten sehe natürlich auch ich als Verfechter der Möglichkeiten des Social Web die Gefahr, zu restriktiv damit umzugehen. Tatsächlich sollte man Guidelines (bzw. gleichzeitige Schulungen) auch dazu nutzen, die Mitarbeiter ans Social Web heranzuführen. Dennoch sind gewisse „Spielregeln“ dabei wichtig.
Und meine Erfahrung zeigt, dass manche Unternehmen Vorbehalte haben, die eigenen Mitarbeiter ohne klare Regeln aufs Social Web loszulassen bzw. diese sogar noch zur Nutzung anzuhalten.
Es geht hier also tatsächlich um den schwierigen Mittelweg eines „kontrollierten Kontrollverlustes“.
Ich meine aufgrund meiner doch schon relativ langen Beratungstätigkeit im Social Web einer der Juristen zu sein, die dem Thema eher aufgeschlossen. Insofern kann als ich anwaltlicher Berater der Unternehmen zwar Empfehlungen abgeben kann, habe mich am Ende des Tages aber natürlich an den Vorgaben und Vorstellungen meiner Mandanten zu orientieren…
In dem Bereich gibt es auf jeden Fall noch viel zu tun und auch viele Erfahrungen zu sammeln.