Auch wenn ich seit einiger Zeit Vorträge über rechtliche Risiken im Zusammenhang mit Twitter halte, hätte ich nicht gedacht, dass manche der referierten Themen schon so schnell relevant werden.
Mark Zondler berichtet auf seinem Blog über eine aktuelle Abmahnung der Stadt Mannheim, in der er aufgefordert wird, sein Twitter Account www.twitter.com/Mannheim herauszugeben. Dabei beruft man sich auf Namensrechte aus § 12 BGB und die Gefahr einer wahrscheinlichen Identitätsverwirrung.
Als ob ich es vorausgesehen hätte, wird genau dieses Problem der Bezeichnung eines Twitter Accounts mit Städtenamen auf Seite 7 meiner nachfolgend einsehbaren Präsentation, die ich am 13.10.2009 bei der gut besuchten Veranstaltung „Twitter in der Unternehmenskommunikation“ der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) gehalten habe, angesprochen.Wie der Präsentation – die ohne „Tonspur“ natürlich nur halb so aufschlußreich ist – entnommen werden kann, sind schon bei der Wahl des Accounts einige rechtliche Belange zu beachten. Nutzer sollen mit bestehenden Marken, Namen von Prominenten aber eben auch Städtenamen vorsichtig sein.
Da es zum Komplex der Nutzung von Städtenamen im Zusammenhang mit Domains einiges an Rechtsprechung gibt, wird man sich im oben genannten Fall daran zu orientieren haben.
Auch die Stadt Mannheim hat sich im wesentlichen auf eine durchaus bekannte Entscheidung des LG Mannheim (NJW 1996, 2736 – „heidelberg.de“) gestützt. Bei der Angelegenheit wird aber nun unter anderem zu klären sein, inwieweit die Nutzung dieser Accountbezeichnung tatsächlich zu Identitätsverwirrung führen kann oder ob – vielleicht durch entsprechende Zusätze, Verlinkungen oder andere Hinweise – argumentiert werden kann, dass erheblich Teile der Internetnutzer gerade nicht davon ausgehen, dass es sich dabei um eine offizielle Seite der Stadt Mannheim handelt.
Dos and Donts beim Einsatz von Twitter (in der Unternehmenskommunikation)
Wie die aktuelle Abmahnung zeigt, können rechtliche Probleme auch bei der Nutzung von Twitter auftreten. Gerade beim geschäftlichen Einsatz von Twitter (z.B. im Marketing) sollten ein paar „Stolpersteine“ durchaus bekannt sein.
Auch wenn ich das zwingende Erfordernis eines Impressums (S. 10 der Präsentation) zumindest für diskutabel halte, sollten äußerungsrechtliche Einflüsse (S. 11 der Präsentation) bzw. mögliche wettbewerbsrechtliche Implikationen (S.12 der Präsentation) zumindest bekannt sein. Unternehmen, die den Twitter Account zwar im geschäftlichen Interesse nutzen, sich aber tatsächlich nicht zu erkennen geben, könnte der Vorwurf einer verschleierten Wettbewerbshandlung (vg. § 4 Nr.3 UWG) gemacht werden und eine Zusendung von Werbebotschaften über die sogenannten „Direct Messages“ wird ohne ausdrückliche Zustimmung des jeweiligen Empfängers wohl als rechtswidriger Spam (vgl. § 7 Abs.2 Nr.3 UWG) interpretiert werden müssen. Schließlich sollte auch das Problem der Linkhaftung grundsätzlich bekannt sein.
Schließlich möchte ich aber eine Lanze für die Nutzung von Twitter brechen. Wer eine ungefähre Idee über die rechtlichen Risiken bei jeder Außenkommunikation im Internet hat und mit hehren Zielen entsprechende Werkzeuge für private Zwecke oder in der Unternehmenskommunikation nutzt, der hat in aller Regel nichts zu befürchten.
Ich selbst habe mit der Nutzung von Twitter unter www.twitter.com/intertainment durchweg positive Erfahrungen gemacht. Insofern möchte ich jeden Interessierten aufrufen, sich dem Thema Twitter unbefangen zu nähern und das Twitter-Universum zu entdecken, welches weit über die alleinige Plattform hinausgeht.
UPDATE 22.01.2010 um 17.04 Uhr:
Der abgemahnte Mark Zondler hat nunmehr einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der soeben im Rahmen einer Presseerklärung darlegt, warum er erhebliche Zweifel an der Begründetheit der seitens der Stadt Mannheim geltend gemachten Unterlassungsansprüche hat. Aus meiner Sicht macht auch der Kollege Zoulakis es sich ein wenig zu leicht (z.B. indem er die Konstellation mit dem Aufdruck „Mannheim“ auf einem T-Shirt vergleicht, welchem sicherlich keinerlei Identifizierungsfunktion zukommt).
Mal abgesehen davon, dass ich bei dieser Sache den Eindruck nicht loswerde, dass bei den Beteiligten nicht die rechtliche Fragestellung, sondern die Selbstvermarktung im Vordergrund steht, meine ich, dass unter Zugundelegung der Rechtsprechung zu Domains deutlich mehr für eine Rechtswidrigkeit der Nutzung des Namens „Mannheim“ bei Twitter spricht als dagegen.
Mal unabhängig von der Frage, ob ich das richtig oder gut finde, lässt sich nicht völlig von der Hand weisen, dass der Bezeichnung hinter der „Hauptdomain“ www.twitter.com ein Stück weit auch eine Identifizierungsfunktion zukommt. Dies sehen wohl auch einige Plattformen so, die anfangen, genau diese „Unterbezeichnungen“ zu vermarkten. Twitter gibt Markeninhabern deshalb auch hier die Möglichkeit mißbräuchliche Accountnamen zu melden.
Andernfalls bestünde nämlich wohl auch kein Recht einer Person, wenn ein Dritter einen Fake Account auf diese Person anlegen würde (z.B. twitter.com/angela_merkel). Dieses Ergebnis würden wohl nur wenige gut heißen.
Zudem erscheint die Bezeichnung „Mannheim“ auch relativ präsent im linken oberen Bereich, wenn man auf den Account selbst kommt. Kumulativ können diese beiden Fakten bei Unbedarften schon zu einer Zuordnungsverwirrung führen. Schließlich stellt sich schon die Frage, inwieweit seitens des Anmelders solcher „Unterbezeichnungen“ schutzbedürftige Interessen bestehen bzw. vor welchem Hintergrund solche Accounts registriert werden.
Es spricht insofern einiges dafür, dass Gerichte solche Bezeichnungen ingesamt freihalten wollen und entsprechende Zuordnungsverwirrungen von vorne herein ausschließen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass tatsächlich ein Gericht abschließend über diesen Fall befinden muss, wird der seitens der Stadt Mannheim geltend gemachte Anspruch wohl eher bestätigt werden.
Wenn ich aber eine Prognose über den Ausgang dieser Angelegenheit abgeben sollte, würde ich darauf setzen, dass die Stadt Mannheim in Ansehung des „Streisand-Effektes“ die geltend gemachten Ansprüche zurücknimmt bzw. man sich gütlich einigt.
Übrigens: Eine Tonspur der Präsentation auf der MFG-Twitterveranstaltung gibt’s unter http://www.1000mikes.com/app/archiveEntry.xhtml?archiveEntryId=70965, rechtliche Themen ab Minute 58:45.
Viele Grüße,
Hannah Fesseler
Und ich dachte schon, ich bin der einzige, dem die rechtliche Begründung (welche überhaupt?) etwas dünn vorkommt. Warum sollte eine „grundsätzlich unterschiedliche Bedeutung einer Domain im Verhältnis zu einem Portalaccount“ bestehen, wenn es um Namens- bzw. Markenrechte geht? Unterschied vielleicht, aber bestimmt nicht grundsätzlich…
Und ich dachte, dass zuerst immer derjenige seinen Anspruch begründen muss, der etwas haben will … und dass auf der Gegenseite nur unerfahrene Anwälte zu früh ihre Munition auspacken 😉
IANAL, aber ich sehe hier doch gravierende Unterschiede zwischen Domains und einem Account in einem Portal.
DNS ist der zentrale Namensservice des Internet, ohne den „gar nichts geht“, den jeder benutzen *muss* und der als eine Art Schlagwortsuche vergewaltigt wurde. Insofern stimmt die Argumentation, dass ein unbedarfter Benutzer Informationen ueber die Stadt Mannheim erwartet, wenn er „mannheim.de“ eingibt.
Bei einem x-beliebigen Portal sehe ich diese Tatsache in keinster Weise gegeben. Da muesste die Stadt Mannheim schon nachweisen, dass twitter eine aehnlich starke Bedeutung hat, wie es dem DNS zukommt, was IMHO eher schwer sein duerfte, aber das ist dann ein Job fuer die Statistiker, das entsprechend darzustellen.
Was das alles aber mit dem „Streisand-Effekt“ zu tun haben soll verstehe ich nicht. Es geht ja nicht darum, irgendwelche unliebsamen Informationen „aus dem Internet“ zu entfernen, sondern um die Herausgabe eines Benutzernamens zur eigenen Nutzung durch die Stadt Mannheim. Der „Streisand-Effekt“ setzt doch darauf, dass a) wenn ich Informationen nur oft genug im Internet repliziere, der „Entferner“ keine Chance mehr hat gegen alle Anbieter vorzugehen b) diese Informationen dadurch erst in voller Breite bekannt gemacht werden.
All das interessiert die Stadt Mannheim nicht, sie wollen diesen Benutzernamen fuer sich selbst nutzen und wenn dazu noch PR kommt ist das eher positiv, weil die 99,999999999% der Sheeple im Internet interessiert die jur. Auseinandersetzung eh nicht und hilft ihnen eher – falls sie ueberhaupt Interesse haben – den Twitter-Account „ihrer“ Stadt zu finden.
Passend (wenn auch wieder bzgl. Domainnamen) siehe:
http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Augsburg-Stadt/Lokalnews/Artikel,-augsburg-mahnt-blogger-ab-namensrecht-231109-_arid,2002269_regid,2_puid,2_pageid,4490.html
Das gab damals eine kleine Welle und das war es dann.
Hier sehe ich aber trotz Domainnamen keinerlei Namensrecht verletzt, aber – siehe bspw. mobilix oder litec – „Coram iudice et in alto mare in manu dei soli sumus“.
Die Argumente leuchten ja alle ein. ABER: wer definiert denn die Größe einer Web-Plattform, ab der die Argumente dann schließlich ziehen? Bzw. spielt die Größe denn überhaupt eine Rolle?
Mir stellt sich bei der Angelegenheit aber die Frage, warum er nicht seinen eigenen Namen verwendet hat. Den kann einem zum Glück niemand streitig machen. Außer man hat das Pech und den Nachnamen Heidelberg oder Mannheim.