Als kurzer Nachtrag zu meinen beiden Beiträgen zum Thema Community & Recht – Gestaltung von Nutzungsbedingungen und Teil 2 „Dos and Donts im Community Management“) möchte ich – aufrund einer konkreten E-Mail Nachfrage – die (datenschutz-)rechtlichen Grundlagen zusammenfassen, unter denen die Betreiber von Internetplattformen, bei Rechtsverletzungen eines Nutzers, dessen Registrierungsdaten (Name, Adresse, E-Mailadresse etc.) an den „Geschädigten“ weitergeben müssen bzw. dürfen.
Die Konstellation ist typisch für alle Plattformen, die Dritten – anonym oder mit Pseudnoymen – die Möglichkeit geben, Inhalte (Texte, Bilder, Videos etc.) einzustellen. In entsprechenden Fällen ist zu klären, inwieweit der Plattformbetreiber demjenigen, dessen Rechte verletzt worden sind, Auskunft über den eigentlichen Rechtsverletzer erteilen muss.
Hat Youtube die Daten des Nutzers herauszugeben, der ein Video urheberrechtswidrig hochgeladen hat ?
Hat der Nutzer eines Forums Anspruch auf Herausgabe der Daten eines anderen Forenteilnehmers, wenn dieser ihn beleidigt hat ?
Kann ein minderjähriges Mitglied einer Community entsprechende Auskunft verlangen, wenn ein anderer Nutzer vielleicht ein rufschädigendes Fakeprofil eingestellt hat oder diesen unangemessen belästigt (auch beim sog. „Stalking“) ?
All diese Fragen treten beim Betrieb einer entsprechenden Plattform nicht selten auf. Dabei ist zunächst klar, dass der „Geschädigte“ etwaige Ansprüche oft nicht verfolgen kann, wenn er nicht reale Informationen, die – wenn überhaupt – nur dem Plattformbetreiber vorliegen, erlangen kann. Darüber hinaus ist wohl unstreitig, dass auch der Plattformbetreiber – wenn die Daten überhaupt herauszugeben sind bzw. herausgegeben werden dürfen – aber natürlich nur die Informationen geben kann, die ihm tatsächlich (z.B. aufgrund der Anmeldung bei der Plattform) vorliegen. Eine weitergehende Nachforschungspflicht besteht regelmässig nicht.
Nachfolgend wird ausgeführt, ob der Plattformbetreiber entsprechende Daten überhaupt herausgeben muss und inwieweit er dies aus datenschutzrechtlichen Gründen überhaupt darf.
1. Auskunftsanspruch des „Geschädigten“
Wie so oft, hängt die Frage sehr von den Umständen des Einzelfalls ab.
Dabei kommt es zunächst darauf an, welche Rechte verletzt worden sind. Bei Urheberrechtsverletzungen (§ 101 Abs.2 UrhG) und Markenrechtsverletzungen (§ 19 MarkenG) sieht das Gesetz ausdrücklich spezifische Auskunftsansprüche vor. Im Regelfall wird der Geschädigte also bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen Auskunft vom Plattformbetreiber verlangen können.
a) Im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen wird nach § 101 UrhG ein Auskunftsanspruch aufgrund der ausdrücklichen Einschränkung nur bei einem gewerblichen Ausmaß der Urheberrechtsverletzung vorliegen. Bei der Frage nach einer Gewerblichkeit wird maßgeblich auf die Zahl und Schwere der Rechtsverletzungen abgestellt. Gegebenenfalls wird dann aber wohl regelmäßig ein Anspruch auf Auskunft bestehen.
b) Anders sieht es aber aus, wenn – z.B. durch negative Äußerungen über eine Person – Persönlichkeitsrechte verletzt worden sind. In der Regel wird aus § 242 BGB ein Auskunftsanspruch abgeleitet, wenn der Geschädigte seine Rechte nicht anderweitig geltend machen kann und dem Plattformbetreiber die Herausgabe der vorliegenden Daten zumutbar ist (vgl. LG Hamburg: Urteil vom 22.06.2004 – 312 O 1052/03).
Auch wenn im Bereich des Datenschutzrechts einiges umstritten ist, spricht allerdings vieles dafür, dass dem Plattformbetreiber unter diesen Umständen eine Herausgabe der Daten nicht ohne weiteres zumutbar ist, weil eben Datenschutzrechte des Nutzers entgegenstehen.
Nach dem insoweit einschlägigen § 12 Abs.2 TMG dürfen zur Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten (also die Anmeldeinformationen) für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Grundsätzlich darf der Plattformbetreiber in diesen Fällen die Daten also nicht herausgeben.
Eine Ausnahme könnte nur im Falle des § 14 Abs.2 TMG vorliegen, wenn nämlich Bestandsdaten im Zusammenhang mit öffentlicher Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr herausgegeben werden sollen.
2. Resumee
Derjenige dessen Rechte im Internet verletzt werden, hat – egal ob es um Urheber-, Marken-, Wettbewerbs- oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen geht – oft das Problem, den Verantwortlichen auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Jedenfalls wenn die Rechtsverletzungen auf Plattformen wie Facebook, Youtube & Co stattfinden, besteht die (theoretische) Möglichkeit, über den Plattformbetreiber mehr über den Verletzer zu erfahren. Ob tatsächlich Auskunftsansprüche bestehen, die gegebenenfalls aber natürlich auch gerichtlich durchgesetzt werden können, hängt sehr von den Umständen des Einzelfalls und dem jeweils verletzten Rechtsgut zusammen.
Im konkreten Einzelfall wird es auch maßgeblich darauf ankommen, wie plausibel die jeweilige Rechtsverletzung gemacht worden ist bzw. gemacht werden kann. Die reine Behauptung einer Verletzung wird bisweilen nicht reichen, um das Informationsinteresse des Geschädigten über die Datenschutzinteressen des vermeintlichen Verletzers zu stellen.
Wenn datenschutzrechtliche Gründe einer Herausgabe personenbezogener Daten entgegenstehen, ist Plattformbetreibern zu raten, die Weitergebe entsprechender Informationen zu verweigern. Im Falle einer gesetzlich Auskunftsverpflichtung sin die Daten herauszugeben. Darüber hinaus sollte der Betroffene (d.h. der potentielle Verletzer) im Regelfall auch über die Weitergaber der Daten (d.h. welche Daten und an wen) informiert werden.
Wenn die Informationen nicht herausgegeben werden oder werden dürfen, versucht der Geschädigte in einer Vielzahl von Fällen direkt gegen den Plattformbetreiber selbst vorzugehen. Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Plattformbetreiber selbst haftet, finden sich weitergehende Ausführungen in dem Beitrag „Haftung für User Generated Content – Grundsätze und Hinweise für die Praxis“.
UPDATE 08.01.2011:
Wie wichtig die oben geschilderten Grundsätze im Hinblick auf eine mit berechtigten Datenschutzinteressen abgewogene Herusgabepflicht von Internetplattformen (auch im Zusammenhang mit hier nicht ausgeführten strafrechtlichen Ermittlungen) ist, zeigt das aktuelle Herausgabeverlangen von Nutzerdaten durch die USA gegenüber Twitter. Im Hinblick auf die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Wikileaks verlangt das amerikanische Verteidigungsministerium derzeit von Twitter zahlreiche Nutzerdaten verschiedener Unterstützer von Wikileaks heraus. Ähnliche Fälle sind auch in Deutschland keine Seltenheit…