Wem gehören Twitter Follower beim Arbeitgeberwechsel und was sind die Social Media Kontakte wert – Rechtsstreit in den USA und Einschätzung nach deutschem Recht

Wie auch einige deutsche Internetmedien berichtet haben, läuft in den USA derzeit ein Rechtsstreit, der auf den ersten Blick erstaunen mag. Das Internetportal Phonedog, in dem Mobiltelefone und Smartphones bewertet und besprochen werden, verklagt seinen ehemaligen Mitarbeiter Noah Kravitz auf 340.000 $ Schadenersatz, weil er Twitter Follower seines ehemaligen Accounts www.twitter.com/phonedog_Noah auf seinen privaten Account twitter.com/noahkravitz übertragen haben soll. Phonedog meint, dass der ehemalige Arbeitnehmer die 17.000 Kontakte des ehemals geschäftlichen Account nicht hätte einfach auf seinen privaten Account „mitnehmen“ dürfen und macht – aus Sicht des Unternehmens – eine einfache Rechnung auf: 17.000 Follower mit einem Wert von jeweils 2,50 $ führen für die Zeit von 8 Monaten zu einem Schadenersatzanspruch von 340.000 €.

Phonedog erklärt zum Hintergrund, dass man einiges investiert habe, um die Zahl der Follower und Fans des Unternehmens zu steigern. Man sieht die Schaffung einer entsprechenden Markenwahrnehmung über die Sozialen Medien als erhebliche eigene Leistung an. Darüber hinaus interpretiert man bei Phonedog die Liste der Follower, die nun „mitgenommen“ wurde, als eine Art Betriebsgeheimnis („trade secret“), was nicht einfach hingenommen werden solle.

Auch wenn eine entsprechende Schadenersatzklage hier in Deutschland sehr abwegig erscheint, tritt hier doch ein Problem zutage, was viele Unternehmen aber auch Mitarbeiter – trotz der weiter zunehmenden Nutzung der Sozialen Medien – unterschätzen.

Wem „gehören“ eigentlich Social Media Kontakte ?
Was passiert mit den Social Media Accounts, wenn Mitarbeiter das Unternehmen – vielleicht sogar zum unmittelbaren Wettbewerber – verlassen ?
Wie sollen geschäftlich genutzte Accounts übergeben werden ?

Alles Fragen, mit denen sich Unternehmen aber auch betroffene Mitarbeiter beschäftigen sollten, um diese interessengerechten Lösungen zuzuführen.

1. Grundlagen in Deutschland

Nachdem wir als Kanzlei Unternehmen schon seit 2007 zu den Chancen, aber auch Risiken der Sozialen Medien beraten, haben meine arbeitsrechtliche Kollegin Dr. Birte Keppler und diesen Problemkomplex schon vor einiger Zeit identifiziert und im Januar 2010 mit dem Artikel „Pflicht zur Herausgabe des XING Accounts bei Arbeitsplatzwechsel ?“ adressiert.

Wie man dort nachlesen kann, hängt das „Eigentum“ an Social Media Konten von den Umständen des Einzelfalles ab.

Wichtige Parameter sind dabei:

• Wer hat den Account angemeldet ?
• Wie ist die Ausgestaltung (auch Nutzungsbedingungen) des jeweiligen Sozialen Netzwerkes ?
• Wer bezahlt etwaige Kosten des Accounts ?
• Wie ist der Accountname (z.B. Firmenname enthalten) ?
• Auf welche Email-Anschrift wurde der Account angemeldet?
• Wird der Account schwerpunktmässig privat oder geschäftlich genutzt ?

Statt hier pauschaler Aussagen zu dem juristisch ohnehin wenig treffenden Ausdruck des „Eigentums“ zu machen, wird man die jeweilige Gestaltung und Historie des Accounts betrachten und bewerten müssen. Dies wird in vielen Fällen dazu führen, dass das jeweilige Benutzerkonto natürlich der jeweils angemeldeten Privatperson „gehört“ und der Arbeitgeber auch keinerlei Ansprüche auf Herausgabe des Accounts geltend machen kann. In entsprechenden Fällen scheidet auch ein etwaiger Schadenersatz von vorne herein aus.

Gegenteilig ist die Rechtslage aber zu bewerten, wenn sich das jeweilige Benutzerkonto auf Grundlage der genannten Indizien als geschäftlicher Account darstellt. Typisches Beispiel, welches in Zukunft relevanter werden dürfte, ist das Konto bei Facebook, Twitter, XING & Co, welches als offizieller Unternehmenskanal von einem Mitarbeiter im Auftrag des Arbeitgebers bedient werden soll. Relevant vor allem für die zahlreichen Social Media Manager, die im Moment ausgebildet werden oder bereits für Unternehmen tätig sind. Nicht selten melden diese entsprechende Accounts für die Unternehmen neu an, und haben deshalb nicht nur alleinige Kenntnis von Passwörtern und weiteren wichtigen Informationen.

In diesen – vor allem aber in nicht ganz klaren Fällen – sollte im Interesse des Unternehmens, aber auch zur Absicherung der Social Media Manager klar geregelt werden, ob bzw. wie im Falle eines Ausscheidens der Account herausgegeben werden soll und ab wann eine (auch rechtliche) Verantwortlichkeit für die Kommunikation auf dem Kanal endet. Wir empfehlen in diesen Fällen Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag, die unter anderem die Übergabe bei Ausscheiden, bei der zum Beispiel bei Facebook besondere technische Bedingungen zu beachten sind. Entsprechende Gestaltungen sorgen für die nötige Klarstellung und Rechtssicherheit, die – wie gesagt – auch im Interesse der Social Media Manager liegen sollte. Sonst müssen Unternehmen im „worst case“ auf Herausgabe „ihrer“ Accounts bzw. der Zugangsdaten klagen. Bis zu einer gerichtlichen Durchsetzung, die im Hinblick auf die fehlende Rechtsprechung in diesem Bereich lange dauern kann, liegt der Unternehmensaccounts möglicherweise brach, was zum Verlust mühsam aufgebauter Follower oder Fans führen kann.

2. Bewertung des Falles Phonedog vs. Kravitz

Nun aber zurück zum vorliegenden Fall:

Legt man auf die bekannten Fakten des Rechtsstreits Phonedog vs. Noah Kravitz die obenstehenden Kriterien an, so kommt man zu keinem klaren Ergebnis, sondern zu einer – in zahlreichen Fällen gar nicht unwahrscheinlichen – Mischform zwischen privatem bzw. geschäftlichen Account. Einerseits hat Mr. Kravitz den Account wohl selbst angemeldet und über private, wie auch geschäftliche Dinge getwittert, zum anderen spricht der Accountname @phonedog_Noah eher für eine Zuordnung zum arbeitgebenden Unternehmen.

Bei der Bewertung darf man nicht vergessen, dass Twitterer gerade bei bekannten Unternehmen, nicht unerheblich von der Zuordnung zum Unternehmen profitieren, was sicher zu mehr Followern führt. Wie in dem Fall einer bekannten englischen BBC-Journalistin gibt es – auch in Deutschland – zahlreiche Twitternutzer, bei denen größere Followerzahlen auch auf den bekannten Arbeitgeber zurückzuführen sind. Laura Kuenssberg musste im Juni 2011 mit der BBC um rund 60.000 Twitter-Follower streiten, als sie als politische Chefkorrespondentin zum Wettbewerber ITV wechselte und ihren Accountnamen von @BBCLauraK zu @ITVLaurak wechselte.

Damit wird offenbar, dass entsprechende Probleme auch jederzeit hier in Deutschland auftreten können. Zahlreiche Fallgestaltungen sind auch mit „beruflichen“ Accounts bei XING, Linkedin & Co denkbar, wie ein anderer Fall aus den USA zeigt. Um solche Unwägbarkeiten zu vermeiden, sollte – zumindest bei unklaren Konstellationen – eine klare Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen getroffen werden.

Im Falle von Noah Kravitz würde ein deutsches Gericht einen Herausgabeanspruch meiner Ansicht nach wohl kaum bejahen, weil der Namensbestandteil „phonedog_Noah“ – soweit bekannt – eigentlich das einzige Indiz ist, welches für einen Account des Unternehmens spräche. Wenn der Account jedoch vom Unternehmen während der Tätigkeit erstellt worden wäre oder weitere entsprechende Indizien zugunsten des Unternehmens vorgetragen werden können, wäre ein erfolgreiche „Herausgabeklage“ auch in Deutschland nicht gänzlich auszuschließen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer als Beauftragter nach § 667 Alt. 2 BGB grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitgeber als Auftraggeber alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben (so etwa BAG Urteil vom 11. 4. 2006 – 9 AZR 500/05 (LAG Hamm)).

Gänzlich abwegig wäre nach deutschem Recht aber wohl eine Klage auf Schadenersatz (erst recht in dieser Höhe). Hier dürfte es nicht nur an der notwendigen Anspruchsgrundlage fehlen, sondern auch an einer hinreichenden Begründung für die verlangte Schadenshöhe. Ein entsprechendes Risiko für Arbeitnehmer dürfte in entsprechenden Fällen in Deutschland aller Regel ausgeschlossen werden können. Der Hinweis auf die Verletzung eines Betriebsgeheimnisses dürfte – nach meiner Einschätzung – auch in den USA fehl gehen, da die Liste der Twitter Follower ja ohnehin öffentlich zugänglich ist und war.

Etwas komplexer könnte die Beurteilung allerdings werden, wenn sich zusätzlich etwaige Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine besondere Vertraulichkeit oder gar eine Wettbewerbsklausel auf einen solchen Fall auswirken.

3. Zusammenfassung

In Ansehung der bisher ungeklärten Rechtslage über das „Eigentum“ an Social Media Accounts sind klare Vereinbarungen über diese Punkte und auch eine etwaige „Rückabwicklung“ unbedingt zu empfehlen, bevor im Rahmen einer etwaigen Kündigung „das Tischtuch zwischen den Parteien zerschnitten wird“. Bei vielen Gesprächen und Workshops zeigt sich, dass die meisten Unternehmen die rechtlichen Implikationen im Zusammenhang mit den Sozialen Medien und dem veränderten Kommunikationsverhalten schlicht nicht sehen und demgemäß auch keine entsprechende Bewertung oder Vorsorge vornehmen (können).

Gerade im arbeitsrechtlichen Bereich gibt es einige offene Flanken, wie die weithin fehlenden oder unzureichenden Leitplanken zur Social Media Nutzung durch die Mitarbeiter zeigen (vgl. Social Media Richtlinien – (Rechtliche) Leitplanken schaffen Medienkompetenz). Relevant wird auch früher oder später die Frage werden, ob und wann der Arbeitgeber im Falle eines Ausscheidens eines Mitarbeiters Kommunikations- oder Kontaktdaten von Kunden herausverlangen kann, die sich z.B. bei XING finden. Schließlich wird der Arbeitgeber die Kunden kaum entsprechend weiterbedienen können, wenn sich die letzte Kommunikation eben nicht in der eigenen IT-Infrastruktur findet, sondern in allein in einem der Sozialen Netzwerke (vgl. Pflicht zur Herausgabe des XING Accounts bei Arbeitsplatzwechsel ? )

Die Fälle aus England und jetzt den USA zeigen, dass solche Probleme jederzeit auftreten können. Spannend wird nun werden, wie die amerikanischen Richter diesen Fall beurteilen und ob ein Follower in den USA mit $ 2,50 bewertet werden kann.

Weiterführend:
Interview in der ZEIT Online „Verbote sind keine Lösung“
Social Media Guidelines (TEIL 1) – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen
Social Media Guidelines (TEIL 2) – Kritische Analyse der SAP Social Media Participation Richtlinien
Social Media Guidelines (TEIL 3) – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter 0711 228 54 50 oder per E-Mail culbricht@diempartner.de zur Verfügung.

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

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  3. […] Rechtsgrundlagen gibt es auch hier nicht. Der Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht hat in seinem Blog rechtzweinull im vergangenen Jahr den Fall Phonedog vs. Kravitz einmal mit Blick auf das deutsche Recht […]

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