Rechtsprechung zur Haftung für „User Generated Content“ bestätigt

In einem aktuellen Urteil (Urteil vom 19. April 2007 – I ZR 35/04)
bestätigt der Bundesgerichtshof – auch nach Einführung des neuen Telemediengesetzes (TMG) – offensichtlich weitestgehend seine Rechtsprechung zur Haftung dere Portalbetreiber für „User Generated Content“ aus dem Jahr 2004 (siehe „Social Commerce zum Scheitern verurteilt…“).

In der Pressemeldung Nr. 45/2007 führt die Pressestelle des BGH aus:

“ Der Bundesgerichtshof hat an seiner Rechtsprechung zur Haftung von Internet-Auktionshäusern für Markenverletzungen festgehalten. Danach betrifft das im Telemediengesetz (TMG) geregelte Haftungsprivileg für Host-Provider nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung, nicht dagegen den Unterlassungsanspruch. Daher kommt eine Haftung der Beklagten als Störerin in Betracht, weil sie mit ihrer Internetplattform das Angebot gefälschter Uhren ermöglicht, auch wenn sie selbst nicht Anbieterin dieser Uhren ist. Eine solche Haftung setzt zunächst voraus, dass die jeweiligen Anbieter der gefälschten Uhren im geschäftlichen Verkehr gehandelt haben, weil nur dann eine Markenverletzung vorliegt. Die Beklagte muss – wenn sie von einem Markeninhaber auf eine klar erkennbare Rechtsverletzung hingewiesen wird – nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern grundsätzlich auch Vorsorge dafür treffen, dass es nicht zu weiteren entsprechenden Markenverletzungen kommt. Der BGH hat nochmals betont, dass der Beklagten auf diese Weise keine unzumutbaren Prüfungspflichten auferlegt werden dürfen, die das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen würden. Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, technisch mögliche und ihr zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, damit gefälschte ROLEX-Uhren gar nicht erst im Internet angeboten werden können.

Der Bundesgerichtshof hat das angefochtene Urteil, das noch von einer generellen Haftungsprivilegierung von eBay ausgegangen war, aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Es muss nunmehr noch geklärt werden, ob es sich in den Fällen, in denen die Beklagte auf Fälschungen hingewiesen worden ist, um eindeutig erkennbare Markenverletzungen gehandelt hat. “

Um eine Verantwortlichkeit der Portalbetreiber (sogenannte Mitstörerhaftung) zu vermeiden, gelten also nach wie vor folgende Grundsätze:

1. Forenbetreiber haften grundsätzlich erst ab Kenntnis für rechtsverletzendes „User Generated Content“.

2. Sollten entsprechende Hinweise auf rechtsverletzende Inhalte eingehen, sind diese auf ihre Begründetheit zu prüfen.

3. So die geltend gemachte Rechtsverletzung plausibel erscheint, sollte der entsprechende Beitrag unverzüglich gelöscht werden.

4. Die im Zusammenhang mit Abmahnungen regelmäßig geforderten Unterlassungserklärungen müssen – für den Fall dass der Forumsbetreiber unter Beachtung der dargestellten Grundsätze nicht für von Dritten eingestellte Inhalte haftet – ebenso wenig abgegeben werden, wie auch die teilweise erheblichen Kosten des abmahnenden Anwalts grundsätzlich nicht getragen werden müssen.

5. Danach trifft den Betreiber die Pflicht sein Portal so zu überwachen, dass „kerngleiche“ Rechtsverstöße nicht mehr vorkommen. Was konkret erforderlich ist, um diesen Überwachungspflichten genüge zu tun, ist von der Rechtsprechung (noch) nicht abschließend geklärt und wird wohl (wie man von Juristen so gerne hört) von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Denkbare Mechanismen sind beispielsweise Textfilter, deren Ergebnisse dann noch einmal einer Einzelprüfung zu unterziehen sind. Entscheidend ist wahrscheinlich, ob es sich um eine privates oder gewerbliches Portal handelt bzw. welche Prüfungsmechanismen technisch möglich und dem konkreten Betreiber zumutbar sind. Im Rahmen der Entscheidung, welche Maßnahmen zumutbar sind, spielen außerdem Kriterien wie die Intensität der Rechtsverletzung aber auch Grundrechte wie Meinungs- oder Pressefreiheit eine Rolle. Sobald der Portalbetreiber also Kenntnis von rechtswidrigem „User Generated Content“ erlangt hat, muss er – unter Beachtung der oben genannten Kriterien – sein Forum auf zukünftige kerngleiche Verstösse überprüfen und ggfls entsprechend zu reagieren.

Sobald die detaillierten Urteilsgründe vorliegen, werde ich über etwaige weitergehende Ableitungen berichten.

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Wenn ich dies als Rechtslaie richtig verstehe, ist der Dreh- und Angelpunkt bei der Beurteilung der Haftung für „user generated content“ die Frage nach der Zumutbarkeit entsprechender Präventionsmaßnahmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Auktionen bei Ebay oder Forenbeiträge generell automatisiert durch Textfilter unter die Lupe genommen werden können. Wie sieht es aber in dem Zusammenhang mit anderen Medien aus, also Bildern, Audiodateien und Videos? Ist es da eigentlich zumutbar, wenn der Betreiber beispielsweise eines Videoportals jeden einzelnen Film vorher anschaut?

  2. Sehr interessant!
    Dann weiß ich ja an wen ich mich im Fall der Fälle wenden kann…
    Wir sind ja fast Nachbarn 😉

  3. Kiya Pack says:

    Schön, eBay & Co. müssen also prüfen, ob auf ihrer Plattform gefälschte Rolex-Uhren verkauft werden. Und WIE bitteschön sollen Sie dies tun?

    Ein Textfilter kann auch nur anzeigen, DASS eine Rolex angeboten wird. Woran soll jedoch ein dritter, der diese Ware noch nicht einmal in der Hand hatte, erkennen können, dass es sich um gefälschte, defekte, gestohlene Ware handelt oder dass ein User die Absicht hat andere User zu betrügen? Vielleicht sollten wir alle unsere Garagenschätze zuerst zu eBay schicken, damit deren Sachverständige prüfen können, ob mit unseren Waren etwas nicht stimmt. Ach ja, und deren Rechtsanwälte sollten auch gleich prüfen, ob vielleicht genau diese Gegenstände irgendwo als gestohlen gemeldet wurden. Schließlich wollen die Auktionsplattformen nicht als „Hehler“ vor dem Gesetz behandelt werden, nicht wahr? Und warum nicht auch eine Anfrage bei der Schufa… das ist sicherlich ratsam, um unsere finanzielle Vergangenheit zu durchleuchten und dort vielleicht Hinweise auf „böse Absichten“ zu finden.

    Diese ganze Internet-Rechtsprechung ist SOOOOOO lebensfern, dass es mir immer wieder den Atem verschlägt. Ich glaube manchmal dass Richter noch nie einen Computer bedient haben. Zumindest haben Sie auch nicht im Ansatz kapiert, wie dieses Medium funktioniert. Und dass ihre bisherige Rechtsprechung völlig an der Sache vorbeigeht und im alten Denken verhaftet ist.

    Ehrlich, wenn ich all diese Urteile zur Internet-Rechtsprechung lese, dann habe ich gar keine Lust mehr, als Unternehmerin IRGENDWIE das Internet zu nutzen. Aus Angst, es kommt jemand mit der rechtlichen Keule und macht alles, was ich mir müsam aufgebaut habe, kurzerhand PLATT.

Trackbacks

  1. Web 2.0 ist ohne “user generated content” nicht denkbar. Wenn man jedem Benutzer die Möglichkeit einräumt, Inhalte relativ anonym beizutragen, muss man auch damit rechnen, dass einige dieser Inhalte gegen geltendes Recht versto&#2…

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