Eine der unter dem Begriff Web 2.0 gehandelten Trends ist das so genannte Crowdsourcing. Da im Rahmen solcher Aktionen ein erhebliches Mass an Kreativität eingesetzt wird, entstehen regelmäßig neue immaterielle Werte. Damit spielen bei Crowdsourcing Produkten nicht nur die Regelungen des „geistigen Eigentums“ (wie z.B. das Urheberrecht) eine nicht unerhebliche Rolle, sondern auch die Frage, wer eigentlich das Risiko trägt, sollte das Arbeitsergebnis (bewusst oder unbewußt) Rechte Dritter verletzen.
A. Möglichkeiten des Crowdsourcing
Wikipedia beschreibt dieses Phänomen wie folgt:
Crowdsourcing setzt auf die Intelligenz und die Arbeitskraft einer Masse von „Freizeitarbeitern“ im Internet. Eine Schar kostenloser oder gering bezahlter Amateure generiert bereitwillig Inhalte, löst diverse Aufgaben und Probleme oder ist an Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt (vgl. Schwarmintelligenz).
Bei Crowdsourcing Projekten ruft also ein Unternehmen ein bestimmtes, oft nicht genau definiertes Netzwerk dazu auf, im Wege der interaktiven Wertschöpfung (teilweise kolaborativ) eine definierte Aufgabe zu erfüllen oder ein bestimmtes Problem zu lösen. Weitergehende Ausführungen zum Thema „Was ist Crowdsourcing“ auch im Blog von Hannes Treichl .
Tatsächlich bietet sich mit Hilfe des Crowdsourcings vielen Unternehmen die Chance die Kreativität der Massen zu nutzen, um sich Logos oder Marken, Produkte und Verpackungen gestalten zu lassen, aber auch um die Internetgemeinde Ideen finden zu lassen oder einfach um Bewertungen abzugeben. Die Einsatzgebiete sind vielfältig.
Dementsprechend gibt es bereits heute schon Unternehmen wie das französische Wilogo oder das italienisch-amerikanische zooppa , die sich auf die Gestaltung von Logos und Marken im Wege des Crowdsourcings spezialisiert haben. Der Shopbetreiber-Blog hat einen der Anbieter mal im Selbstversuch getestet.
Charakteristisch für viele der Crowdsourcing Projekte ist, dass die Teilnehmer etwas (grafisch) gestalten, wie ein Logo, ein Produkt oder ein Markenzeichen. Ebenso klar ist dann, dass der Teilnehmer (und damit Urheber), dessen geistiges Produkt sich im Contest durchsetzt, dem Ausrichter der Aktion entsprechende Nutzungsrechte einräumen muss (siehe in diesem Zusammenhang auch Verwendung von User Generated Content).
B. Rechtliche Einflüsse
Neben der Frage, unter welchen Bedingungen das Nutzungsrecht übertragen wird (z.B. Höhe der Lizenzgebühren usw. Nennung des Urhebers etc.) ist von entscheidender Bedeutung wer das Risiko zu tragen hat, sollte irgendwann ein Dritter behaupten, das Logo/Produkt verletze seine Rechte (z.B. Marken- oder Urheberrechte). Der Dritte wird sich in aller Regel zunächst einmal an den Verwender des Logos, sprich den Ausrichter der Crowdsourcing Aktion richten.
Da gerade bei der Verwendung des jeweiligen Crowdsourcing Ergebnisses im Internet nie ganz ausgeschlossen werden kann, dass irgendwo in der Welt entsprechende Schutzrechte Dritter verletzt werden (oder dies zumindest behauptet wird), besteht – ohne vorgeschaltete Recherche – ein nicht unerhebliches Risiko, dass der Verwender eines solchen Produkts entsprechend auf Unterlassung oder sogar Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Das kann dann z.B. in den USA recht teuer werden…
Deshalb stellt sich im Rahmen der Gestaltung von Teilnahmebedingungen eines Crowdsourcing Projekts regelmäßig die Frage, wer soll letztendlich rechtlich dafüreinstehen müssen, wenn das entsprechende Produkt Rechte Dritter verletzt.
Soll der Gestalter des jeweiligen Ergebnisse haften, dessen Arbeitsergebnis die rechtliche Auseinnadersetzung ja eigentlich verursacht hat, oder aber der Verwender des Crowdsourcing Produkts der ja grundsätzlich auch den wirtschaftlichen Nutzen hat ?
C. Der Fall Mister-Wong
Das es sich dabei nicht lediglich um ein akademisches Beispiel handelt, zeigt ein Fall über den vor einiger Zeit auf internetworld
– mit entsprechend kritischer Kommentierung auf dem handelskraft Blog bzw. bei newshq – berichtet wurde.
Die bekannte Social Bookmarking Plattform Mister Wong hatte ein Crowdsourcing Projekt ausgerufen, mit dem ein neues Logo geschaffen werden sollte, welches den politisch offensichtlich nicht mehr ganz korrekten Comic-Asiaten ersetzen sollte.
Dabei hatten die ursprünglichen Teilnahmebedingungen offensichtlich Klauseln vorgesehen, nach denen für den Fall, dass irgendwo in der Welt ein Dritter Rechte gegen das zur Verfügung gestellte Gewinnerlogo geltend machen sollte, der Gestalter des Logos die Betreiber von Mister-Wong von jeglichen Ansprüchen freizustellen hat . Der Teilnehmer sollte sich darüber hinaus auch ausdrücklich dazu verpflichten, Mister-Wong bei der Rechtsverteidigung die notwendige Unterstützung zu bieten und Mister-Wong von den Kosten der Rechtsverteidigung entsprechend freizustellen.
Eine solche Klausel hätte zur Folge gehabt, dass der Teilnehmer, von dem dann das Gewinnerlogo stammt, sämtliche Kosten von Mister Wong hätte tragen müssen, welche dadurch entstehen, dass ein Dritter eine Verletzung seiner Rechte durch das Logo geltend macht. Eine solche Klausel bedeutet ein erhebliches Risiko, weil Streitigkeiten dieser Art in Anbetracht möglicher Schadenersatzansprüche aber auch Anwalts- und Gerichtskosten schnell sehr teuer werden.
Dementsprechend hatte der Bund deutscher Grafik-Designer e.V. (BDG) im Rahmen einer Pressemitteilung aufgrund der „äußerst ungewöhnlichen wie unangemessenen Risikoabwälzung auf den Teilnehmer, dessen Werk zur Nutzung kommt“ dringend vor einer Teilnahme an diesem Wettbewerb gewarnt.
Da es im Bereich des Designs von Logos oder Marken tatsächlich üblich ist, dass der Auftraggeber – je nach dem avisierten Einsatzgebiet des Logos – vor dessen Einsatz prüft, ob es möglicherweise gegen Rechte Dritter verstößt, bezeichnete BDG-Präsident Henning Krause die konkreten Regelungen sogar recht kreativ als „Outsorcing von Rechtsrisiken“.
In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Mister-Wong auf die Kritik des BDG reagiert hat und die entsprechende Klausel in Nr.7 ihrer Wettbewerbsbedingungen umgehend auf ein vertretbareres Maß entschärft hat.
Dennoch zeigt dieses Beispiel nur allzu deutlich, wie wichtig doch die Teilnahmebedingungen solcher Aktionen sind und welche Punkte in Vorbereitung und im Zusammenhang mit Crowdsourcing Projekten unbedingt beachtet werden sollten.
D. Zusammenfassung
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf eine interessante Diskussion hinweisen, in der der Werbeblogger Roland Kühl und Martin Oetting vor einiger Zeit einige grundsätzliche Aspekte gegenübergestellt haben.
Auf dem visualblog wird die Diskussion wie folgt kommentiert:
Es geht darum fair miteinander umzugehen. Fair gegenüber dem Kunden und gleichzeitig fair gegenüber den Usern, der Community. Jeder soll was von Crowdsourcing haben. Aufmerksamkeit, Spaß, Mundpropaganda, einen echten Mehrwert. Und Crowdsourcing sollte nie (!!!) ohne gute Betreuung, ohne Konzept und ohne gutes Briefing der User durchgeführt werden. Ein guter Communitymanager, der Regie führt und es versteht auf die User, aber auch auf den Kunden und die Marke einzugehen, sollte unbedingt das Projekt permanent begleiten.
Diesen richtigen Ausführungen schließe ich mich gerne an, möchte aber hinzufügen, dass es natürlich von großer Bedeutung ist, dass sich dieser „faire Umgang“ miteinander bzw. eine ausgewogene Gestaltung auch (oder vielleicht sogar gerade) in den jeweiligen Nutzungsbedingungen niederschlagen sollte.
Den nachvollziehbaren Interessen des Ausrichters der Crowdsourcing-Aktion, der die Bedingungen ja regelmäßig stellt, sollte ebenso Rechnung getragen werden, wie den Belangen der Teilnehmer (d.h. entsprechende Wertschätzung von Designleistung und Urheberschaft), die – gerade bei der Gestaltung von solchen Logos oder grafischen Marken – oft bereit sind, sich gegen ein geringes Entgelt/möglichen Gewinn entsprechend zu beteiligen.
Unter dieser Voraussetzungen allerdings sind nicht nur entsprechende Grundlagen für den Erfolg des konkreten Crowdsourcing Projektes gelegt, sondern es bestehen meines Erachtens auch gute Aussichten für die Idee des Crowdsourcings als solche, in der – gerade im Internetbereich – in Zukunft wohl noch eine ganze Menge „Musik drin ist“.
Weiterführend zu diesem Thema auch:
Danke Herr Dr. Ulbricht, dass sie sich diesem Thema so aufgeschlossen und konstruktiv angenommen haben!
Ich kann ihnen nur in allen Punkten unumwunden zustimmen.
Wie Sie richtig erwähnen, kann eine Marken- oder Patentrecherche vor der aktiven Verwendung des crowdgenerierten Produkts mögliche Auseinandersetzungen durch Verletzung von Rechten Dritter vermeiden, zumindest aber stark minimieren (Prüfung DPMA, Titelschutzanzeiger, etc.)
Das der „Bund deutscher Grafik-Designer“ sich allerdings gegen die Teilnahme an Design-Wettbewerben ausspricht, liegt meines Erachtens eher in einer Sicherung des eigenen Standes begründet, denn an reellen Gefahren rechtlicher Art. Nichtsdestotrotz wären klare rechtliche Regelungen und deren Kommunikation an die Teilnehmer wünschenswert.
Danke für den Artikel, Herr Dr. Ulbricht, ich habe diesen leider erst jetzt entdeckt. Sie geben uns als betreiber der Crowdsourcing-Plattform http://www.designenlassen.de wertvolle Hinweise, wie wir den Prozess verbessern können.