Bewertungsportale sind ein typisches Beispiel für Internetplattformen, die im Zuge des Web 2.0-Phänomens in verschiedenen Bereichen einen gewissen Aufschwung erleben.
imedo.de, MeinProf.de, helpster, SpickMich sind nur einige Beispiele der neuen Anwendungen, die sich naturgemäß in einem besonderen Spannungsfeld bewegen. Je nachdem wie die Bewertungsportale angelegt sind, ist der Ärger mit den Bewerteten allerdings ja bereits vorprogrammiert. Zum einen bieten solche „Social Network“ Plattformen natürlich ein gutes Forum, um sich über Qualitäten der betroffenen Berufsgruppen wie Ärzte, Professoren, Lehrer oder auch Unternehmen als Arbeitgeber zu äußern bzw. zu informieren. Andererseits eröffnet gerade das Internet natürlich Tür und Tor um – gegebenfalls sogar unter dem Deckmantel der Anonymität – berechtigt oder eben nicht entsprechend schlechte Bewertungen abzugeben.In einem aktuellen Fall hat nun das OLG Köln (Az. 15 U 142/07, Urteil vom 27.11.2007) auf die Berufung einer Lehrerin, die auf der Bewertungsplattform www.spick-mich.de nicht gerade positiv bewertet worden war, die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts (LG Köln Az 28 O 263/07, Urteil vom 11.07.2007) bestätigt und nicht nur die grundsätzliche Zulässigkeit des Modells spickmich.de festgestellt, sondern darüber hinaus die Anforderungen konkretisiert, die ein solches Bewertungsportal in Deutschland erfüllen sollte.
1. Die Entscheidung des OLG Köln
In dem benannten Verfahren hatte die betroffene Lehrerin geltend gemacht, dass durch die in Noten zum Ausdruck kommenden Bewertungen einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts läge bzw. dass durch die Nennung ihres Namens in unzulässiger Art und Weise in datenschutzrechtlich geschützte Belange eingegriffen worden sei.
Die klagende Lehrerin war auf dem Portal „www.spickmich.de“ ursprünglich unter den Kriterien sexy, cool, witzig, belebt, motiviert, menschlich, gelassen, guter Unterricht, leichte Prüfungen und faire Noten in einem „nutzergenerierten Zeugnis“ mit mittelmäßigen bis schlechten Schulnoten bewertet worden. Darüber hinaus war – selbstverständlich – ihr Name mit den entsprechenden Fächern, die sie unterrichtet auf der Plattform verzeichnet.
Die einstweilige Verfügung, die die Lehrerin ursprünglich noch erwirkt hatte, um den Betreibern die Nennung ihres Namens zu verbieten, war bereits vom LG Köln aufgehoben worden. Daraufhin war die Lehrerin in Berufung gegangen, welche nun vom OLG Köln abgewiesen worden ist.
a) Verletzungs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Das OLG Köln stellte in dem aktuellen Urteil zunächst einmal fest, dass es sich bei den verzeichneten Bewertungen nicht um Tatsachenbehauptungen handelt, die auf einer entsprechenden Plattform grundsätzlich wahr sein müssen, sondern eben um reine Meinungsäußerungen bzw. Werturteile. Davon ist immer dann auszugehen, wenn die konkrete Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, der Beurteilung und der Wertung geprägt ist (BVerfG NJW 1985, 3303).
Solche Werturteile sind grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht die Grenze zur Schmähkritik bzw. zur Formal-Beleidigung überschreiten und die Äußerung keinen Angriff auf die Menschenwürde darstellt (vgl. BVerfG NJW 1999, 2358 (2359)). Bei einer Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Lehrerin und dem Recht der freien Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz kam das OLG Köln vorliegend unter Einbeziehung der dargestellten Grenzen für wertende Kritik zum folgenden Ergebnis:
Unter Abwägung dieser Kriterien stellen die Bewertungsmöglichkeiten im Schülerportal der Verfügungsbeklagten ein unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeit der Verfü-gungsklägerin nicht dar. Soweit die Bewertung unter den Kriterien „guter Unterricht“, „fachlich Kompetent“, „motiviert“, „faire Noten“, „faire Prüfungen“ und „gut vorbereitet“ sowohl im Bewertungsmodul als auch im Zeugnis stattfinden, sind nicht das Erscheinungsbild oder die allgemeine Persönlichkeit der Verfügungsklägerin betroffen, sondern die konkrete Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten und damit ihrer Sozialsphäre.
Da die genannten Kategorien konkrete Bezüge zu ihrer beruflichen Tätigkeit aufweisen und damit ihre Sozialsphäre und eben nicht ihre Persönlichkeitssphäre betreffen, sind die aufgeführten Kriterien als reine sach- und rechtsbezogen anzusehen. Das führt nach Auffassung des OLG Köln aufgrund der Tatsache, dass eine Schmähkritik oder ein An-den-Pranger-Stellen der Lehrerein nicht festgestellt werden konnte, zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Bewertungsmoduls von www.spickmich.de.
Vorsicht scheint jedoch dann geboten, wenn die Kriterien auch die Privatsphäre des Betroffenen miteinbeziehen. In solchen Fällen werden in besonderen Maße die Frage eines Eingriffs in die Menschenwürde bzw. die Einstufung als Schmähkritik zu überprüfen sein. Das OLG kam jedenfalls zu dem Ergebnis, dass die Grenze zur Diffamierung oder Schmähkritik vorliegend nicht überschritten worden sei.
Spannend sind in diesem Zusammenhang auch die weiteren Ausführungen des OLG Köln zur regelmäßigen Anonymität der Bewertungen. Dieses Argument wurde vorliegend allerdings dadurch relativiert, dass dies gerade für das Medium Internet typisch sei und entsprechende Evaluationen im Hochschulbereich ebenfalls regelmäßig anonym erfolgten. Dies ändere also nichts an der oben stehenden Beurteilung des Sachverhalts. Auch die theoretische Möglichkeit, dass Schüler sich mehrfach einloggen könnten und deshalb die Gefahr der Manipulation durch Mehrfachbewertung durch eine Person besteht, änderte an der Einschätzung des OLG Köln nichts.
Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts wurde dementsprechend verneint.
b) Datenschutz
Weiterhin kam das Gericht zum dem Ergebnis, dass die Nennung von persönlichen Daten der Verfügungsklägerin – wie ihr Zuname, die Schule an der sie unterrichtet und der unterrichtenden Fächer – nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. Entscheidendes Argument war hier, dass es sich insgesamt eben nicht um sensible Dateninformationen handele und diese personenbezogenen Daten wie der Name, die berufliche Tätigkeit einer Person aus einer allgemein zugänglichen Quellen – sprich der Webseite der Schule – entnommen worden waren. In diesen Fällen können solche Informationen grundsätzlich auch ohne Einwilligung der Betroffenen im gleichen oder in einem anderen Medium wiedergegeben werden könne (vgl. § 28 BDSG).
2. Zusammenfassung
Das Urteil konkretisiert somit insgesamt die Anforderungen, die ein entsprechendes Bewertungsportal, welches in Deutschland rechtskonform aufgesetzt werden soll, insgesamt erfüllen sollte. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die interessanten und richtigen Ausführungen meines Kollegen Rechtsanwalt Henning Krieg (auch in Teil 2 des Beitrags) verweisen, der zu Recht darauf hinweist, dass vorliegend nicht primär die Frage der Haftung für User Generated Content behandelt wird, sondern es im Wesentlichen um Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht bzw. das Datenschutzrecht durch die Betreiber selbst (d.h. eben nicht durch die User) geht. Diese Frage wurde vorliegend nicht weitergehend behandelt, ist aber für entsprechende Bewertungsportale von mindestens ebenso hoher Relevanz, wenn eben Felder zur Verfügung gestellt werden, in denen die bewertenden Nutzer völlig freie textliche Inhalte eingeben können und eben nicht allein über vordefinierte Bewertungskriterien abstimmen.
Im Zusammenhang mit dem geschilderten Fall sind auch die Handlungsempfehlungen des rheinland-pfälzischen Schulministeriums unter dem fragwürdigen Titel „Mobbing von Lehrkräften im Internet“.
Weiterhin möchte ich auch noch auf ein Urteil des Landgerichtes Berlin (Az. 27 S 2/07,Urteil vom 31.05.2007) hinweisen, in dem das Landgericht ebenfalls zum Ausdruck brachte, das die Veröffentlichung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit einer Person zulässig ist, sofern ebendiese aus allgemein zugänglichen Quellen gem. § 28 I 1 Nr. 2 BDSG stammen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit von Äußerungen auf der dort betroffenen Plattform meinprof.de ging das Landgericht Berlin aber deutlich weiter als jetzt das OLG Köln. Das Landgericht Berlin brachte in einer Nebenbemerkung zum Ausdruck, das Äußerungen, wie „Psychopath“ und „echt das Letzte“ als scharfe und überspitzte Äußerungen noch im Schutzbereich der Meinungsfreiheit angesiedelt seien. Die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik sei hier wohl nicht überschritten, was ich allerdings für ein bisschen zu weitgehend halte.
In diesem Verfahren kam es aber auf die Frage, ob es sich dabei um zulässige Meinungsäußerung oder eben um unzulässige Schmähkritik handelt, letztlich nicht an, da der dort beklagte Plattformbetreiber wegen allgemeiner Grundsätze der Störerhaftung (siehe „Praxistipps für Forenbetreiber“) nicht in Anspruch genommen werden konnte.
3. Praxistipps
Bewertungsportale sollten unter Beachtung der aktuellsten Rechtsprechung des OLG Köln folgende Praxistipps beachten:
1. Die Katalog der Bewertungskriterien sollten allein der Sozialsphäre (berufliche Sphäre) des betroffenen Personenkreises entstammen oder zumindest einen Bezug dazu haben. Insbesondere bei Kriterien, die jedenfalls auch die Privatsphäre des Beurteilten betreffen, ist zu einer besonderen Vorsicht zu raten.
2. Die Meinungsfreiheit schützt etwaige Kriterien nur dann, wenn es sich dabei tatsächlich um Meinungsäußerungen bzw. Werturteile und gerade nicht um Tatsachenbehauptungen handelt. Eine Tatsachenbehauptung liegt – vereinfacht gesagt – immer dann vor, wenn objektiv entschieden werden kann, ob die Behauptung wahr oder falsch ist. Während Tatsachenbehauptungen nicht falsch sein dürfen, sollten Meinungsäußerungen und Werturteilen, die die Sozialsphäre betreffen, eben (nur) nicht die Grenze zur Schmähkritik bzw. zur Formalbeleidigung überschreiten.
3. Um datenschutzrechtliche Implikationen zu vermeiden, sollten die verzeichneten Daten sämtlich aus allgemein zugänglichen Quellen stammen.
4. Für die Betreiber von Bewertungsplattformen dürfte bei der Beurteilung, ob ein Un-terlassungsanspruch besteht oder nicht die folgenden Punkte als vorteilhaft heraus stellen:
• Einsatz eines „Abuse-Buttons“, der dazu dient die Betreiber auf etwaige Rechtsverstöße aufmerksam zu machen, sowie die Einführung einer geschlossenen Benutzergruppe.
• Die betroffenen Daten (sprich Bewertungen selbst) sollten zur Sicherheit eben nicht über Google und Co zu finden sein.
5. Schließlich sollten die Grundsätze der Haftung für „User Generated Content“ beachtet werden für den Fall, dass Nutzer auch eigene textliche Inhalte im Rahmen der Bewertung einstellen können.
Auch wenn die aktuellen Entscheidungen zu etwas mehr Rechtssicherheit in diesem Bereich führen, was denn nun solche Bewertungsportale machen dürfen und was nicht, ist davon auszugehen dass aufgrund des immanenten Spannungsfeldes zwischen den Interessen der Plattform, der Bewerteten und der Öffentlichkeit auch in 2008 noch entsprechende Verfahren zu erwarten sind. Einzelne Arztrechtler raten schon dazu, sich gegebenfalls zur Wehr zu setzen.
Umso mehr sollten entsprechende Portale die weitergehende Rechtsprechung aufmerksam beobachten, um – für den Fall der Fälle – gerüstet zu sein…
PS: Was es hier in Deutschland meines Wissens noch nicht gibt, obwohl es sich als Geschäftsmodell mindestens genauso anbietet, ist ein entsprechendes Bewertungsportals für Rechtsanwälte wie z.B. www.lawyerratingz.com in den USA. Bleibt also abzuwarten, ob sich da noch jemand herantraut …
„Entscheidendes Argument war hier, dass es sich insgesamt eben nicht um sensible Dateninformationen handele und diese personenbezogenen Daten wie der Name, die berufliche Tätigkeit einer Person aus einer allgemein zugänglichen Quellen – sprich der Webseite der Schule – entnommen worden waren“
Damit übersieht das Gericht, dass die Benotung an sich, als objektiviertes Werturteil, ebenfalls eine sensible Information ist. Mit der Begründung des OLG Köln mache ich die Scoring Daten eines jeden bei der Schufa auf einer Webseite öffentlich.