Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute über die Revision einer Künstlerin entschieden, deren Abbildungen ihrer Kunstwerke von Google erfasst und unter Eingabe entsprechender Suchworte als verkleinerte Vorschaubilder (sogenannte Thumbnails) im Rahmen der Google Bildersuche angezeigt worden sind. Die Künstlerin hatte gegen Google wegen Verletzung ihrer Urheberrechte geklagt.
Der BGH hat nunmehr die Revision zurückgewiesen und die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen bestätigt. Diese hatten eine Urheberrechtsverletzung mit der Argumentation verneint, dass eine Widerrechtlichkeit entfalle weil die Klägerin in die entsprechede Nutzung und Verwertung durch Google konkludent eingewilligt habe.
Als entscheidende Kernaussage lässt sich formulieren:
Wer Inhalte ins Internet einstellt, kann sich nicht dagegen wehren, wenn Plattformen wie Google & Co diese erfassen und in beschränktem Umfang veröffentlichen, sofern nicht entsprechende (technisch mögliche) Vorkehrungen gegen diese Erfassung getroffen worden sind.
Das LG Erfurt (Urteil vom 15. März 2007 – 3 O 1108/05) hatte als erste Instanz dieses Rechtsstreits hierzu bereits ausgeführt:
„Bei der Vielzahl von Informationen, die das Internet bereithält, steht man ständig vor dem Problem das Wesentlichen von Unwesentlichem zu trennen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe ist der Internetnutzer auf die Funktion von Suchmaschinen dringend angewiesen. Auf der anderen Seite dienen Suchmaschinen aber auch Interessen derjenigen, die eine eigene Webseite ins Netz stellen. Diese Personen haben regelmäßig eine Interesse daran, dass ihre Seite auch gefunden und aufgerufen wird.
Schon nach Ansicht des Landgerichts führt die vom Urheber selbst veranlasste kostenfreie Zugänglichmachung im Internet dazu, dass jedenfalls bei solchen Suchmaschinen, die eine wichtige Ordnungsfunktion erfüllen, von einer konkludenten Zustimmung der Nutzung von Thumbnails ausgegangen werden kann, wenn der Rechteinhaber technisch mögliche Mechanismen zur Verhinderung eines Bilder Crawlings nicht nutzt.
1. Die Entscheidung des Bundesgerichtshof
Die wesentlichen Urteilsgründe werden in der heutigen Pressemitteilung des BGH (Nr 93/10) wie folgt zusammengefasst:
Der u. a. für Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Google nicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn urheberrechtlich geschützte Werke in Vorschaubildern ihrer Suchmaschine wiedergegeben werden.
Die von Google betriebene Internetsuchmaschine verfügt über eine textgesteuerte Bildsuchfunktion, mit der man durch Eingabe von Suchbegriffen nach Abbildungen suchen kann, die Dritte im Zusammenhang mit dem eingegebenen Suchwort ins Internet gestellt haben. Die von der Suchmaschine aufgefundenen Bilder werden in der Trefferliste als verkleinerte und in ihrer Pixelanzahl gegenüber den auf den Originalseiten vorgehaltenen Abbildungen reduzierte Vorschaubilder gezeigt (sog. Thumbnails). Die Vorschaubilder enthalten einen elektronischen Verweis (Link), über den man zu der Internetseite gelangen kann, die die entsprechende Abbildung enthält. Zur Verkürzung des Suchvorgangs durchsucht Google das Internet in regelmäßigen Intervallen nach Abbildungen und hält diese als Vorschaubilder auf ihren Servern vor, so dass kurze Zeit nach Eingabe eines Suchworts die Trefferliste mit den entsprechenden Vorschaubildern angezeigt werden kann.Die Klägerin ist bildende Künstlerin und unterhält eine eigene Internetseite, auf der Abbildungen ihrer Kunstwerke eingestellt sind. Im Februar 2005 wurden bei Eingabe ihres Namens als Suchwort in die Suchmaschine der Beklagten Abbildungen ihrer Kunstwerke als Vorschaubilder angezeigt.
Die Vorinstanzen haben die auf Unterlassung gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte zwar das Urheberrecht der Klägerin widerrechtlich verletzt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sei jedoch rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass die Beklagte schon keine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung begangen hat. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar nicht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Erklärung Google ein Recht zur Nutzung ihrer Werke als Vorschaubilder im Rahmen der Bildersuche eingeräumt hat. Der in der Wiedergabe in Vorschaubildern liegende Eingriff in das Recht der Klägerin, ihre Werke öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a UrhG), ist jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig, weil die Beklagte dem Verhalten der Klägerin (auch ohne rechtsgeschäftliche Erklärung) entnehmen durfte, diese sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche der Suchmaschine einverstanden. Denn die Klägerin hat den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen.
Für Fälle, in denen – anders als im jetzt entschiedenen Fall – die von der Suchmaschine aufgefundenen und als Vorschaubilder angezeigten Abbildungen von dazu nicht berechtigten Personen in das Internet eingestellt worden sind, hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass Suchmaschinenbetreiber nach der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Dienstleistungen die Haftungsbeschränkungen für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft nach der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr in Anspruch nehmen können (EuGH, Urt. v. 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 Tz. 106 ff. – Google France/Louis Vuitton). Danach käme eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers erst dann in Betracht, wenn er von der Rechtswidrigkeit der von ihm gespeicherten Information Kenntnis erlangt hat.
Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder
2. Rechtlicher Hintergrund
a) Rechtliche Grundlagen in Deutschland
Nach § 97 Abs.1 Urhebergesetz (UrhG) kann derjenige, der das Urheberrecht eines anderen widerrechtlich verletzt, vom Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung (sprich Löschung des Bildes) und regelmäßig auf Unterlassung (d.h. für die Zukunft) in Anspruch genommen werden. Wenn dem Verletzer darüber hinaus Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, kann außerdem noch ein Schadenersatzanspruch in Frage kommen.
b) Urheberrechtsschutz von Bildern im Internet
Klar ist zunächst, dass die Originalbilder als so genannte Lichtbildwerke nach § 2 Abs.1 Nr.4 UrhG urheberrechtlich geschützt sind.
Nach § 15 UrhG steht grundsätzlich allein dem Urheber das ausschließliche Recht zu, über das Wann und Wo der öffentlichen Zugänglichmachung zu entscheiden. Dies gilt auch für die Veröffentlichung im Internet, da nach § 15 Abs.2 Nr.2 UrhG auch die drahtgebundene oder drahtlose Zugänglichmachung erfasst wird.
c) Eingriff in die Verwertungs- und Nutzungsrechte des Urhebers
In dieses Recht wird durch die Darstellung entsprechender Bilder im Internet grundsätzlich eingegriffen. Daran ändert wohl auch der Umstand nichts, dass es sich in der Regel um auf das jeweiligen Format der Plattform angepasste Thumbnails (d.h. verkleinerte Darstellungen) handelt. Es ist außerdem wohl so, dass in der durch die Verkleinerung vorgenommenen Anpassung des Originals auf die Anbieterplattform – unabhängig von einer Verletzung des oben dargestellten Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 15 UrhG) – bereits eine Eingriff in das Verfielfältigungsrecht des Urhebers aus § 16 UrhG liegt.
d) Widerrechtlichkeit des Eingriffs
Wie oben dargestellt, bestehen Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche des Urhebers allerdings nur dann, wenn der Eingriff in dessen Rechte auch als widerrechtlich zu qualifizieren ist.
Das deutsche Urheberrecht verneint eine Widerrechtlichkeit des Eingriffs beispielsweise wenn eine entsprechende Einwilligung des Rechteinhabers in die Nutzung vorliegt.
e) Einwilligung des Rechteinhabers
Ohne Frage kann man urheberrechtlich geschützte Inhalte öffentlich zugänglich machen, wenn der Rechteinhaber dieser Nutzung ausdrücklich zugestimmt hat. Ebenso klar ist aber, dass eine solche Einwilligung der Künstlerin im vorliegenden Fall meistens aber nicht vorliegt. In der Regel weiß der Rechteinhaber ja erst einmal überhaupt nichts von einer entsprechenden Veröffentlichung im Internet.
Unter Umständen kann man die Veröffentlichung der Bilder im Internet aber als konkludente Einwilligung interpretieren. Unter konkludenter Einwilligung verstehen die Juristen eine Zustimmung, die zwar nicht ausdrücklich erklärt worden ist, aber aus dem entsprechend schlüssigen Verhalten des Berechtigten abgeleitet werden kann.
Aus der Tatsache, dass der Rechteinhaber seine Bilder ins Internet stellt, wurde nun vom BGH abgeleitet, dass er damit – in bestimmten Grenzen – einer entsprechenden Veröffentlichung zustimmt. Diese Argumentation wurde gestützt dadurch, dass der Einstellende technische Möglichkeiten, die verhindern können, dass Suchmaschinen wie Google entsprechende Bilder erfasst, nicht genutzt hat.
3. Zusammenfassung
Zusammenfassend hat der BGH festgestellt, dass derjenige der Bilder ins Internet stellt und durch entsprechende Mechannismen nicht zum Ausdruck bringt, dass Suchmaschinen die Bilder nicht erfassen sollen, damit quasi in die entsprechende Erfassung durch die Suchmaschinen einwilligt. Dies war von den Vorinstanzen mit der wichtigen Ordnungsfunktion von Suchmaschinen begündet worden.
Hiermit bestätigt auch das höchste deutsche Zivilgericht eine sicher richtungsweisende Argumentation.
Dennoch wirft auch diese Entscheidung einige ernste Fragen auf. Zum einen ist durchaus kritisch zu hinterfragen, ob tatsächlich aus der Tatsache, dass die Google Bildersuche eben nicht durch entsprechende Meta-Tags ausgeschlossen worden ist, eine entsprechende Zustimmung abgeleitet werden kann. Dies bedeutet nämlich, dass derjenige der nicht aktiv gegen die Suchroboter von Google tätig wird, dadurch zustimmt. Desweiteren wird angesichts der Vielzahl verschiedener Suchmaschinen zukünftig zu klären sein, welchen Plattformen diese wichtige Ordnungsfunktion und damit die statuierte Privilegierung zukommt. Es ist durchaus fraglich, ob in der Entscheidung ebenso argumentiert worden wäre, wenn es „nur“ um eine unbedeutendere Bildersuchmaschine und eben nicht um die wichtigste Suchmaschine von Google gegangen wäre. Fraglich ist weiterhin, ob bzw. inwieweit diese Grundsätze zukünftig auch im Zusammenhang mit Persönlichkeitsrechten, dem Recht am eigenen Bild oder anderen datenschutzrechtlich relevanten Informationen (z.B. bei Personensuchmaschinen) angewendet werden können.
Weitergehende Ableitungen ergeben sich erst, wenn die detaillierten Urteilsgründe veröffentlicht werden.
Auch wenn das Ergebnis im Interesse der Internetwirtschaft sicher zu begrüssen ist und ein Stück weit Rechtssicherheit schafft, ist es höchste Zeit, dass der Gesetzgeber hierfür entsprechende Regelungen einführt, die insoweit Klarheit schaffen.
Weiterführende Beiträge:
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– BITKOM begrüßt Urteil des Bundesgerichtshofs – Viele Urheber profitieren von Bildersuche – Auffindbarkeit von Bildern kann verhindert werden Der Bundesgerichtshof hat bestätigt, dass Bilder-Suchmaschinen im Internet legal sind. „Wir begrüßen das Ur