Civil Serf – Gefährliche Inhalte oder wie kritisch darf man bloggen?

Der Fall der Civil Serf zeigt, dass auch scheinbar anonymes Bloggen schnell in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und damit auch der Verfolgungsbehörden gelangen kann. Eine Bloggerin aus Großbritannien hatte etwas zuviel aus dem Nähkästchen über englische Politiker geplaudert und lernte daraufhin schnell, dass ihre anonymen Einträge gar nicht so anonym waren. Deshalb dürfen britische Staatsdiener sich jetzt offensichtlich nur noch im Internet zu Wort melden, wenn Sie „nett“ über den Staatsapparat schreiben.

Bezugnehmend auf diesen Fall und auf Anfragen, die regelmäßig an mich herangetragen werden, wollte ich noch einmal kurz zusammenfassen, was man im Internet problemlos veröffentlichen und damit bloggen darf und wo man gegebenenfalls ein wenig Vorsicht walten lassen sollte.

Zur Klarstellung: Es geht nachfolgend nicht um die Frage, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Forumsbetreiber für Inhalte Dritter („User Generated Content“) verantwortlich gemacht werden kann, sondern eigentlich um die Frage, wann ein (eigener) Inhalt überhaupt Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt.
1. Grundprinzip

Zunächst ist bei Blogbeiträgen – wie bei jeder öffentlichen Äußerung – zu unterscheiden zwischen Tatsachenbehauptungen (z.B. „Frau Merkel ist derzeit Bundeskanzlerin“), also all dem, was (theoretisch) bewiesen werden kann und damit objektiv wahr oder unwahr ist und Werturteilen (z.B. „Frau Merkel ist eine gute Bundeskanzlerin“), die immer nur eine Meinung wiedergeben.

Während Tatsachenbehauptungen über Dritte bei einer Veröffentlichung grundsätzlich der Wahrheit entsprechen sollten, dürfen bei der wertenden Darstellung eigene Erfahrungen und Bewertungen mit einfließen.

Die Qualifikation als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung wird am Verständnis des durchschnittlichen Empfängers der Äußerung ausgerichtet. Dabei sind immer auch die Begleitumstände der Äußerung zu berücksichtigen (vgl. z.B. OLG Koblenz, Urteil vom 12.07.2007, 2 U 862/06).

Liegt eine Tatsachenbehauptung vor, ist keine größere Problematik gegeben, da ein Inhalt objektiv gesehen entweder wahr oder unwahr ist. Wird ein unwahrer Inhalt als Tatsache veröffentlicht ist daher eindeutig ein Verstoß gegeben. (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 19.02.2007, 1 U 13/06)

Schwieriger gestaltet sich die Differenzierung bei Werturteilen.

2. Noch Werturteil oder schon Schmähkritik

Die Gerichte unterscheiden bei der Beurteilung, ob eine Äußerung noch als von der Meinungsfreiheit gedecktes Werturteil anzusehen ist, danach, ob bereits die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist. Dies wird immer dann angenommen wenn die persönliche Diffamierung anderer in den Vordergrund und die Bewertung in den Hintergrund rückt.

Der Schutzbereich der freien Meinungsäußerung gilt grundsätzlich auch nicht der Art und Weise einer Äußerung, sondern der Aussage insgesamt. Die Qualität einer konkreten Meinungsäußerung ist für deren Schutzwürdigkeit irrelevant. So ist eine wertende Äußerung auch dann geschützt, wenn sie rein emotional erfolgt ist, rational nicht nachvollziehbar ist und weder für besonders wertvoll noch für nützlich gehalten wird. Eine Kritik darf folglich auch scharf, schonungslos und ausfällig sein, solange sie noch die Herstellung eines Sachbezugs zulässt.

Der Persönlichkeitsschutz hat schließlich nur insoweit Vorrang, als dass die Äußerung eine reine Formalbeleidigung oder eine Schmähkritik darstellt und dabei die sachliche Aussage völlig in den Hintergrund gedrängt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern lediglich um eine persönliche Diffamierung des Betroffenen, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt werden soll (vgl. BGH, NJW 2002, 1192).

Eine getrennte Betrachtung einzelner Teile einer Aussage ist im Sinne eines umfassenden Schutzes der Meinungsfreiheit nicht zulässig. Liegt der Akzent der Gesamtaussage für den Leser der Abhandlung in einer bewertenden Stellungnahme, so stellt sie sich insgesamt als Meinungsäußerung dar, die grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fällt (vgl. BGH, MDR 2005, 9).

Bereits diese Ausführungen zeigen nicht nur wie verzweigt die Argumentation ist, sondern auch wie fließend der Übergang ist zwischen zulässigem noch zulässigem werturteil und unzulässiger Schmähkritig und wie sehr man (und damit eben auch die Gerichte) mit entsprechender Argumentation zu dem ein oder anderen Ergebnis kommt. Dies zeigt auch ein Überblick über einige Entscheidungen, die sich mit entsprechenden Fragen beschäftigt haben.

3. Die Gerichtspraxis

Die Prozesse, die sich mit der oben dargestellten Problematik beschäftigen, waren und sind sehr zahlreich und daher grundsätzlich wenig neu.

Interessant sind jedoch die Grenzentscheidungen der vergangenen Jahre:

So hatte das OLG Frankfurt darüber zu entscheiden, ob die Bezeichnung eines „Internetdienstleisters“ (mit dial-up bezahlbare Klingeltöne) als Parasit noch zulässig ist (OLG Frankfurt, 27.10.2005, 16 W 17/05). Es entschied, dass als Parasit allgemein ein Organismus bezeichnet würde, der an oder in einem anderen Organismus lebt und seine Nahrung oder andere Leistung ohne gleichwertige Gegenleistung von seinem Wirt bezieht. Insofern sei ein Vergleich des Parasitentums zu der Verwendung von Dialern als überspitzte Kritik nicht ganz fernliegend und somit noch zulässig.

Das OLG Brandenburg entschied im Jahr 2007 im Falle der Bezeichnung eines Imams im Internet als „Hassprediger“, dass

Die Bezeichnung einer Person als „Hassprediger“ wird entscheidend durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt. Ihrer Einordnung als Werturteil steht nicht entgegen, dass die tatbestandliche Konkretisierung des Hassbegriffs etwa in § 130 I Nr. 1 StGB dem Beweis zugänglich ist.
[…]
Da das Werturteil u. a. durch die streitgegenständlichen Aussagen der Predigt unterlegt wird, stellt es keinen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar und überschreitet auch die Grenze zur Formalbeleidigung oder Schmähkritik nicht.

(OLG Brandenburg, Urteil vom 23.04.2007, 1 U 10/06)

Das AG Hamburg beschäftigte sich ebenfalls im Jahr 2007 mit dem Fall, ob die Bezeichnung eines ehemaligen Boxers und Kiezkönigs im Internet als „Neger-Kalle“ zulässig ist.

Es entschied

1. Die Bezeichnung eines Farbigen als „Neger-Kalle“ stellt grundsätzlich einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person dar.
2. Der Vergleich einer Person der Wirtschaft jedoch in der Wirtschaftsberichterstattung mit einer Figur Neger-Kalle als Beleg für dessen Bekanntheit und Einflussreichtum stellt jedenfalls dann keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des in der Vergangenheit so benannten Betroffenen dar, wenn die Erwähnung des bürgerlichen Namens unterbleibt

(AG Hamburg, Urteil vom 04.09.2007, 36 A C 69/07)

Wann die Überschreitung der Grenze endgültig erreicht ist, stellte das OLG Düsseldorf ein Jahr zuvor klar. Es entschied, dass bei direkten unsachlichen Angriffen auf einen anderen (im streitgegenständlichen Fall wurde die Aussage „Sie suhlen sich wie eine Sau im Dreck“ getätigt) dies als Formalbeleidigung zu qualifizieren sei und daher nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt werden kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2006, I-15 U 180/05, 15 U 180/05).

Demgegenüber brachte das LG Berlin (Urteil vom 31.05.2007 Az. 27 S 2/07) – auch wenn es im vorliegenden Fall darauf nicht entscheidend ankam – in seinem (wie ich finde zweifelhaften) Urteil zum Ausdruck, dass es sich bei der Bezeichnung eines Professors als „Psychopath“ und „echt das Letzte“ wohl noch um zulässige Meinungsäußerungen handeln dürfte, die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschreiten (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 688, 888).

4. Fazit

Als groben Maßstab kann man davon ausgehen, dass Inhalte die entweder wahr oder sachlich kritisch sind, problemlos veröffentlicht werden können. Ausnahmen hierzu dürften regelmäßig nur greifen, wenn man sich im geschäftlichen Verkehr öffentlich (sprich im Internet) mit einem Wettbewerber oder eben dessen Produkten auseinandersetzt. Hierbei sind darüber hinausgehend dann auch die Grundsätze des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu berücksichtigen, deren Darstellung hier den Rahmen sprengen würde.

Vorsichtiger sollte man insbesondere mit der Veröffentlichung von Äußerungen sein, deren Ziel eher beziehungsweise nur als ein Angriff auf die Person als eine kritische Auseinandersetzung mit einem Thema gewertet werden muss.

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

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