In all meinen Vorträgen zum Thema „Social Media & Recht“ erläutere ich die wettbewerbsrechtlichen Grenzen, die sich aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ergeben und natürlich auch für Marketingmaßnahmen in und über die Sozialen Medien gelten.
Eine wichtige Regelung ist dabei § 4 Nr.3 UWG, welche verschleierte Wettbewerbshandlungen (z.B. durch Vortäuschen privater Kommunikation) für unlauter erklärt. Werben Unternehmen unter Verstoß gegen diese Vorschrift drohen Unterlassungs- bzw. Schadenersatzansprüche, die von Seiten der Wettbewerber bzw. auch Wettbewerbsbehörden geltend gemacht werden können. Der erste Schritt ist oft die ominöse, kostenpflichtige Abmahnung, der zweite Schritt ist bei Uneinsichtigkeit dann eben die einstweilige Verfügung über ein Gericht.
Einige bekannte (Verdachts-)Fälle (siehe Verdeckte Eigenbewertung auf Amazon & Co – Unangenehm und wettbewerbswidrig oder Gefälschte Fans bei Weleda ? – Rechtliche Bewertung falscher Profile in Sozialen Netzwerken) zeigen, dass verschleierte Maßnahmen und unterschiedlichste andere Manipulationen im Social Web stattfinden und auch immer wieder einmal aufgedeckt werden. Diese Fälle gehen dann oft kommunikativ für das Unternehmen „nach hinten los“, über nachfolgende gerichtliche Folgen gab es im Hinblick auf Social Media bisher aber eher wenig Konkretes.
Auf Grundlage der bekannt gewordenen Fakten, könnte sich ein aktueller Fall der ARAG Rechtsschutzversicherung in die oben stehende Liste einreihen. Der nachfolgend dargestellte Sachverhalt zeigt deutlich die Risiken auf, die entstehen können, wenn Mitarbeiter eines Unternehmens – teilweise mit durchaus positiver Intention – versuchen, verschleiert im Social Web für das Unternehmen und/oder seine Produkte zu werben.
Der nachfolgend skizzierte Fall, bei dem es sogar zu einer einstweiligen Verfügung des LG Hamburg gekommen ist, zeigt auf, wie wichtig es für Unternehmen ist, die eigenen Mitarbeiter für kommunikative und rechtliche Folgen bei Facebook, Twitter & Co zu sensibilisieren. Zahlreiche Unternehmen führen in diesem Zusammenhang derzeit Social Media Guidelines oder eine Policy ein, um so sinnvollerweise entsprechende Risiken vom Unternehmen fernzuhalten.
Der aktuelle Fall der ARAG: Verschleierte Werbung in Blogkommentaren
In dem RSV-Blog , der von zwei Anwaltskollegen betrieben wird, wird über Erfahrungen mit unterschiedlichsten Rechtsschutzversicherungen berichtet. Wie bei einem Blog üblich, können sich die Besucher der Internetseite über eigene Kommentare an der Diskussion beteiligen.
Unter einem eher kritischen Beitrag zur ARAG mit dem Titel „ARAG macht Probleme“ wurde von einem Nutzer folgender Kommentar eingestellt:
„Die ARAG ist die beste Rechtsschutzversicherung, die es gibt. Einmal angefragt, schon kam die Deckungszusage, mein Anwalt als auch ich sind begeistert. Weiter so ARAG und mit dem neuen Produkt Recht & Heim ist die ARAG unschlagbar. Eine der fairsten und kompetentesten Versicherungen, die ich kenne.“
Trotz einiger werbetypischer Formulierungen erweckt der Kommentar den Eindruck, dass er von einem Kunden der ARAG Rechtsschutzversicherung eingestellt worden ist. Aufgrund der auffälligen und etwas zu euphorischen Gestaltung haben die Betreiber des Blogs die IP-Adresse geprüft und sind dabei darauf gekommen, dass diese feste Anschlusskennung ohne weiteres der ARAG Rechtsschutzversicherung zugeordnet werden kann. Damit ist der Eintrag mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Firmenrechner der ARAG eingestellt worden. Dieser Fall, bei dem die Identifikation technisch keine großen Probleme dargestellt hat, zeigt deutlich, dass es mit der Anonymität im Internet nicht immer ganz so weit her ist, wie manche (Arbeitnehmer) meinen.
Auf Grundlage der eindeutigen Zuordnung haben die Betreiber des Blogs die ARAG offensichtlich wegen verschleierter Werbung und damit u.a. einem Verstoß gegen § 4 Nr.3 UWG abgemahnt. Seitens der ARAG wollte man den Verstoß nicht einräumen und hat wohl vorgetragen, ein etwaiger Eintrag sei nicht dem Unternehmen zuzurechnen. So findet sich in dem Blogbeitrag, der über den Fall berichtet auch ein Kommentar der vermeintlich von der ARAG Konzernkommunikation stammt, die rechtliche Verantwortlichkeit aber weiterhin in Zweifel zieht.
Diese Einschätzung scheint im Hinblick auf die Zurechnungsnorm des § 8 Abs.2 UWG aus meiner Sicht relativ abwegig. Die Vorschrift lautet:
“Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.”
Verschiedene Gerichtsentscheidungen (siehe etwa OLG Köln, Urteil vom 24.5.2006 – 6 U 200/05) haben diesbezüglich festgestellt, dass sich Unternehmen grundsätzlich nicht mit dem Argument, der Mitarbeiter habe ohne Wissen des Unternehmens gehandelt oder sogar gegen eine Weisung gehandelt aus der Verantwortung ziehen können.
Ganz offensichtlich hat auch das LG Hamburg, bei dem die Betreiber des Blogs aufgrund der Uneinsichtigkeit der ARAG eine einstweilige Verfügung beantragt haben, sich für eine Zurechnung des Eintrags entschieden. Die IP-Adresse hat dem LG Hamburg genügt, um die ARAG Versicherung wegen verschleierter Wettbewerbshandlungen gemäß §§ 4 Nr.3 UWG in Verbindung mit § 8 Abs.2 UWG zur Unterlassung zu verurteilen. Der Ordnung halber muss man erwähnen, dass die ARAG im Rahmen des Verfügungsverfahrens wohl noch nicht gehört worden ist und natürlich noch gegen die einstweilige Verfügung vorgehen kann. Zudem handelt es sich vorliegend „nur“ um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt. Wenn die ARAG aber keinen weiteren substantiellen Vortrag liefern kann, der eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen könnte, dürfte ein Widerspruch gegen die Verfügung wenig Aussicht auf Erfolg haben.
Fazit: „Gefahrenherd“ Mitarbeiter ???
Die Sozialen Medien versetzen jeden Mitarbeiter faktisch in die Lage, produkt- oder unternehmensrelevante Informationen ins Internet zu stellen. Wie im vorliegenden Fall meinen es die Mitarbeiter ja in der Regel sogar gut, wenn sie entsprechende (eigene) Maßnahmen ergreifen.
Das relativ strenge Wettbewerbsrecht des UWG macht es diesbezüglich aber relativ unwägbar, wann eine Äußerung eines Mitarbeiters gegen wettbewerbsrechtliche Vorgaben verstößt. Was wenn Produktmanager in Zukunft auf die vermeintlich „gute“ Idee kommen, die Produkte in entsprechend verschleierter Form im Social Web zu bewerben oder z.B. auf der Facebookseite des Wettbewerbers rechtlich bedenkliche Kommentare hinterlassen. In vielen Fällen wird auch zu diskutieren sein, ob eine „Werbemaßnahme“ eines Mitarbeiters tatsächlich dem Unternehmen zugerechnet werden kann. Der § 8 Abs.2 UWG wird bisher aber – wie oben beschrieben – eher weit gehend interpretiert.
Einführung von Social Media Richtlinien zur Schaffung der notwendigen Medienkompetenz
Der geschilderte Fall zeigt also relativ deutlich, dass Unternehmensrichtlinien für die Kommunikation im Social Web zur Minimierung offensichtlicher Risiken sehr viel Sinn machen, mit wachsender Bedeutung der Sozialen Medien vielleicht sogar erforderlich werden. Aufgrund von Internetrecherchen ist davon auszugehen, dass die ARAG sogar Guidelines hat, die aber wohl nicht im Internet zugänglich sind. Insofern ist unklar, ob die relevanten Probleme nicht hinreichend adressiert werden oder möglicherweise nicht entsprechend in den Köpfen der Mitarbeiter angekommen sind.
Nach unserer Erfahrung ist es elementar, nicht „irgendwelche“ Guidelines einzuführen, die in erster Linien zeigen sollen, wie offen man den neuen Möglichkeiten der Sozialen Medien gegenüber steht. Leider dienen viele der veröffentlichten Guidelines nicht nur dem Zweck den Mitarbeitern Leitplanken zu geben, sondern eben oft auch dem Ziel, sich nach außen als innovatives und aufgeschlossenes Unternehmen zu präsentieren.
So kenne ich einige nicht veröffentlichte Guidelines, die wichtige Fragen deutlich sinnvoller und vor allem indivudeller gestalten. Natürlich kann es Sinn machen, sich an frei zugänglichen Beispiele zu orientieren. Schlussendlich sollte es bei diesem Thema aber ja nicht primär um Außendarstellung, sondern um die Gestaltung individueller Rahmenbedingungen für das eigene Unternehmen und deren Mitarbeiter. Dabei sollten Branchenspezifika berücksichtigt werden, aber auch die Unternehmenskultur und die tatsächliche Bereitschaft, sich dem Internet und den Sozialen Medien gegenüber zu öffnen. Dabei sollte jedes Unternehmen sein eigenes „Tempo gehen“.
Einige Unternehmen begleiten die Einführung entsprechender Richtlinien mit ergänzenden Schulungen, um dafür Sorge zu tragen, dass die notwendige Medienkompetenz auch tatsächlich vermittelt werden kann. Unternehmen, die es schaffen, für kommunikative, aber auch elementare rechtliche Implikationen in den Sozialen Medien zu sensibilisieren, sind bezüglich offensichtlicher Risiken durch die steigende Nutzung von Social Media deutlich besser aufgestellt. Schlussendlich können nur Mitarbeiter, die die Grenzen tatsächlich auch kennen, entscheiden, ob sie diese überschreiten oder nicht. Die meisten „Fehler“, die dem Unternehmen auch tatschlich Schaden zufügen können, entstehen aus Unwissenheit oder Fahrlässigkeit. Dem gilt es entgegen zu wirken…
Weiterführend:
Social Media Guidelines (TEIL 1) – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen
Social Media Guidelines (TEIL 2) – Kritische Analyse der SAP Social Media Participation Richtlinien
Social Media Guidelines (TEIL 3) – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien
Zu viel Fake in Social Media ? – Rechtslage bei schädigenden und gefälschten Einträgen in Bewertungsportalen
Interview in der ZEIT Online „Verbote sind keine Lösung“
Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter 0711 228 54 50 oder per E-Mail culbricht@diempartner.de zur Verfügung.
Vielen Dank für den Beitrag.
Oben ist jedoch ein kleiner Tippfehler in den Post gerutscht:
„Damit war der Eintrag mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Firmenrechner der ARAG eingestellt worden ist.“
Ich fand diesen Post unter dem Aspekt sehr interessant, weil man nicht selten Mitarbeiter zur größeren Aktivität in den sozialen Netzwerken bewegen möchte. Stichwort: Markenbotschafter.Die hier beispielhaft zitierte Antwort im Interesse der ARAG ist demnach schon rechtlich grenzwertig. Macht die Schulung der Mitarbeiter in Sachen Medienkompentenz nicht gerade einfacher, neben den unternehmenseigenen Guidelines?!
Ohne die notwendige Medienkompetenz sind die Mitarbeiter als „Markenbotschafter“ nicht nur eine Chance, sondern erweisen sich leider oft auch als Risiko. Dies zeigt auch der ARAG Fall ganz gut…
Insofern sind begleitende Schulung und die Verschaffung der notwendigen Medienkompetenz essentielle Bestandteile neben der Einführung einer entsprechenden Policy oder Guidelines. Insofern empfehlen wir dies natürlich auch stets den Unternehmen, die wir beraten.
Zahlreiche „Fehler“, die die Mitarbeiter in den Sozialen Medien machen, gelangen nicht wirklich in die Öffentlichkeit. Immer wieder erzählen Unternehmensvertreter im Rahmen von Workshops von kleineren und grösseren Problemen, die aus den Äußerungen und Postings der Mitarbeiter in Social Media entstehen.
Diesen Problemen kann sinnvollerweise mit ausgewogenen Social Media Guidelines und ergänzenden Schulungsangeboten begegnet werden. Verhindern und verbieten wird sich die Kommunikation in und über die Sozialen Medien mittelfristig wohl nicht.
Insofern halten wir eine kontrollierte Öffnung hin zu den Möglichkeiten von Social Media für sinnvoll…
[fast OFF-Topic]]
Ist denn neuerdings wieder erlaubt die IP (vollständig) zu speichern, denn dies hat wohl offensichtlich der Blogbetreiber getan.
Mit fragenden Grüßen