Empfehlungsmarketing im Internet – Tell-a-Friend Funktion nur unter engen Grenzen rechtlich zulässig

Eine Vielzahl von Online-Shops und anderen Plattformen bieten eine Funktion an, mit der man Freunde, Bekannte oder Kollegen über den jeweiligen Inhalt (sei es ein konkretes Produkt, einen Artikel oder ein anderweitiges Angebot) informieren kann. Dazu gibt man die E-Mailadresse des Bekannten (oft auch die eigene Adresse inklusive Namen) ein und kann noch eine kurze Botschaft beifügen. Der Plattformbetreiber sendet diese Empfehlung dann per E-Mail an den Dritten.

Was viele Plattformbetreiber nicht wissen ist, dass diese sogenannte Tell-a-Friend Funktion auf Grundlage einer Entscheidung des LG Nürnberg (Entscheidung vom 04.03.2004 Az. 4 HKO 2056/04) rechtswidrig ist.

Nach Auffassung der Nürnberger Richter handelt es sich bei dieser Art der mittelbaren Werbung um eine unzumutbare Belästigung des die Empfehlung empfangenden Dritten. Es läge daher ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr.3 und Nr.4 UWG vor, der einen Unterlassungsanspruch begründet und insofern auch von Wettbewerbern abgemahnt werden kann.

Zumindest teilweise wurde diese Entscheidung auch vom OLG Nürnberg (Entscheidung vom 25.10.2005 Az. 3 U 1084/05) im Rahmen des Berufungsverfahrens bestätigt. Immer dann wenn die genannte Empfehlungsmail weitere Werbung enthält, liegt ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vor, weil der Kunde als Instrument missbraucht werde, verbotene Werbung ohne Einwilligung des Empfängers an diesen zu versenden.

Weil diese Rechtsprechung vielen spannenden und auch weit verbreitete Marketing-Tools entgegensteht, sollte man diese und etwaige Risikovermeidungsstrategien kennen. Schließlich wird diese Werbeform unter dem Begriff „Virales Marketing“ von vielen Werbefachleuten angepriesen.

I. Begründung der Unterlassungsansprüche

Wie bereits erläutert, sehen die Nürnberger Gerichte in der Tell-a-Friend Funktion eine unzumutbare Belästigung des Empfängers im Sinne des §7 Abs.2 UWG, weil dieser nicht wie vom Gesetz gefordert, dem Versand der Mail zugestimmt hat.

Problematisch ist, dass die Einwilligung zur E-Mailwerbung stets vom Werbetreibenden (sprich dem Plattformbetreiber) zu beweisen ist. Kann er dies nicht, was der Regelfall für die Tell-a-Friend Funktion ist, kann er vom Empfänger in Anspruch genommen werden und gegebenenfalls auch von Wettbewerbern abgemahnt werden.

Während dies nach Auffassung des LG Nürnberg wohl für jede nur denkbare Tell-a-Friend Funktion gilt, nimmt das übergeordnete Oberlandesgericht eine Rechtswidrigkeit nur an, wenn die Tell-a-Friend Mail neben der jeweiligen Produktempfehlung auch noch eine darüber hinausgehende Werbung enthält (z.B. einen Hinweis auf bestimmte Sonderangebote o.ä.). Eine erste wichtige Maßnahme zur Risikovermeidung sollte daher sein, neben der Empfehlung auf den konkreten Inhalt bzw. das konkrete Produkt zumindest weitergehende Werbebotschaften zu vermeiden. Diesbezüglich scheint sich nämlich eine Rechtsprechung durchzusetzen, nach der zumindest die reine Produktempfehlung als wettbewerbskonform angesehen wird, weil der Versand der E-Mail allein auf dem Entschluss eines Dritten beruht.

II. Praxistipps

Festzuhalten bleibt zunächst der Grundsatz, dass E-Mailwerbung an private und gewerbliche Empfänger nur unter engen Grenzen zulässig ist. Unter solche Art von E-Mailwerbung fallen auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung auch solche Arten der Freundschaftswerbung wie die Tell-a-Friend Funktion oder auch sogenannte E-Cards. Diese Grundsätze dürften wohl auch für entsprechende Funktionalitäten im Mobile Commerce gelten.

Klar ist, dass mit dieser sicher werberunfreundlichen Rechtsprechung zahlreiche interessante Werbemöglichkeiten abgeschnitten werden. Wohl deshalb (oder eben aus Unkenntnis über die Rechtslage) nutzen zahlreiche Internet- und ecommerce Plattformen dennoch entsprechende Funktionalitäten und nehmen damit das Abmahnrisiko wohl (bewußt) in Kauf, weil die potentiellen Werbeerfolge das Risiko überwiegen.

Als verantwortlicher Werber bzw. Plattformbetreiber sollte man das Risiko aber zumindest kennen um es einschätzen zu können und – soweit opportun – auch entsprechende Maßnahmen zur Risikominimierung treffen.

Unter Zugrundelegung der oben genannten Rechtsprechung vermeiden bzw. reduzieren folgende Maßnahmen das Risiko wegen solcher Empfehlungsfunktionen rechtlich in Anspruch genommen zu werden:

1. Neben der Empfehlung keine zusätzlich Werbung der jeweiligen E-Mail beifügen
2. Empfehlungsmail in jedem Fall so gestalten, dass der der Nutzer der Empfehlungsfunktion als eigentlicher Absender mitgeteilt wird
3. Aufnahme eines Disclaimers, der zeigt, dass der Plattformbetreiber nicht der eigentliche Veranlasser der E-Mail ist

Wem auch diese Risiken zu hoch sind, der sollte solche Tell-a-Friend Mails auch nur an Bestandskunden schicken bzw. solche die dem Versand bereits zugestimmt haben oder man muss derzeit wohl noch auf solche Freundschaftswerbung verzichten. Es bleibt insofern nur zu hoffen, dass sich die Rechtsprechung in diesem Bereich aus Werbersicht verbessert.

Wenn und soweit die Tell-a-Friend Funktion vom Plattformbetreiber nicht missbraucht wird, um eigenen „Spam“ unter entsprechendem Deckmantel zu verwenden, sollte eine solche Funktion ohne weitere Werbung aus meiner Sicht auch als wettbewerbskonform angesehen werden. Es geht hier am Ende nur um einen Service des Plattformbetreibers, die Weiterleitung einer Empfehlung zu vereinfachen, die sonst ja auch einfach über eine eigene E-Mail des Empfehlenden erfolgen könnte. Eine entsprechende Interpretation dürfte ja auch im Interesse des die Empfehlung erhaltenden Verbrauchers sein.

Weitere datenschutzrechtliche Probleme, deren ausführliche Erläuterung hier den Rahmen sprengen würden, ergeben sich, wenn der Werbetreibende die über die Empfehlungsfunktion gewonnenen Daten (Name, E-Mailadresse etc.) des Empfängers für weitere Zwecke (z.B. Newsletter) nutzt oder nutzen möchte. Hier sollte, mal unabhängig von der grundsätzlichen Rechtswidrigkeit, zumindest eine Möglichkeit zum Abbestellen weiterer Werbung gegeben werden.

Weiterführende Links:

Neues Marketing – und Werberecht – Aktuelle Änderungen des UWG und deren Auswirkungen

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Irgendwie fehlt mir jetzt hier der „Tell a friend“-Button, damit ich diesen interessanten Artikel weiterempfehlen kann. 🙂

  2. 😉

    Könntest Du ja – zumindest nach der Auffassung des OLG Nürnberg – nur dürfte ich dann an die Mail eben keine weitere Werbung anhängen.

    Wüsste aber ohnehin nicht, was ich da bewerben sollte 🙂

  3. Och, du könntest meine Webseite bewerben. Oder die Teilnahme am Barcamp Stuttgart 2009… Da hätte ich viele Ideen.

  4. Quacksalber says:

    Der LG-Beschluss betrifft ein eV-Verfahren. Das Hauptsacheverfahren endete beim BGH mit der Abweisung der Klage.

    • Die Entscheidung des BGH kenne ich natürlich und ihr Ergebnis hat mich auch zu diesem Beitrag veranlasst.

      In der Sache selbst hat der BGH aber eigentlich zu der Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit solcher Funktionen nichts entschieden, sondern sich nur mit prozessualen Gesichtspunkten auseinandergesetzt.

      Der BGH hat die Berufung gegen das erstinanstanzliche Urteil des LG Nürnberg aus prozessualen Gründen für unzulässig erklärt.

      Damit ist zunächst einmal von der erstinstanzlichen Entscheidung des LG Nürnberg auszugehen. Die oben gemachten Ableitungen aus dem OLG Nürnberg hinsichtlich der Beurteilung des Oberlandesgerichts bleiben aber natürlich trotzdem bestehen.

  5. Super Beitrag! Bin durch einen Pingback darauf aufmerksam geworden. Ich werd’s an entsprechender Stelle nochmal extra verlinken. Gut zu wissen.

  6. Mich würde interessieren, ob sich die Thematik der Rechtswidrigkeit auch auf das Sharen über Twitter und Facebook bezieht? Dabei handelt es sich ja auch um eine Form des Weiterempfehlens – nur an alle Netzwerk-Kontakte. Gibt es dafür auch irgendwelche Einschränkungen z.B. hinsichtlich Datenschutz?

  7. Pseudonym says:

    Die Empfehlungsmail so zu gestalten, dass der Nutzer der Empfehlungsfunktion als eigentlicher Absender mitgeteilt wird, verstößt m.E. in der praktischen Umsetzung oftmals gegen § 6 Abs. 2 TMG.

    Und bei Fragen zur Wirksamkeit eines Disclaimers werden zwei Juristen mindestens drei Meinungen vertreten.

  8. Eine Lösung, die garantiert stressfrei ist, ist für den Besucher einen mailto:-Link zu öffnen, der im ganz normalen Mailprogramm aufgeht. Dort dann einfach die URL und einen kleinen Text vorbelegen. Auf dem Weg hat immer der Benutzer die E-Mail versendet, was zumindest wesentlich eindeutiger ist. Wie das mit dem CMS Contao geht, habe ich in dieser Anleitung beschrieben:
    http://www.contao-anleitungen.de/post/schoenere-sharing-buttons-in-contao.html

Trackbacks

  1. Anonymous sagt:

    […] Aspekt von tell a friend link Werberecht – Rechtliche Grenzen des Marketing – Virales Marketing und Wettbewerbsrecht […]

  2. […] Spam im Sinnes des § 7 Abs.2 Nr.3 UWG des verantwortlichen Unternehmens angesehen (siehe auch Empfehlungsmarketing im Internet – Tell-a-Friend Funktion nur unter engen Grenzen rechtlich zuläs…).Auch wenn das Teilen von (kommerzieller) Inhalten in und über Mobile Messenger, die derzeit eher […]

  3. […] die Zulässigkeit der häufig angebotenen und von Nutzern verwendeten Tell-A-Friendfunktion (siehe Empfehlungsmarketing im Internet – Tell-a-Friend Funktion nur unter engen Grenzen rechtlich zuläs…) auswirkt. Da die detaillierten Urteilsgründe noch nicht vorliegen, können hierzu noch keine […]

Speak Your Mind

*

Sicherheitsfrage *