Pflicht zur Herausgabe des XING Accounts bei Arbeitsplatzwechsel ?

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich aus rechtlicher Perspektive intensiv mit den Auswirkungen des Social Web und den Möglichkeiten für Unternehmen. Zunehmend zeigt sich, dass genau diese Welt des sogenannten Web 2.0 auch und gerade auf das Arbeitsleben immer weitreichendere Auswirkungen hat.

Im ständigen Austausch mit meiner Kollegin Dr. Birte Keppler (Fachanwältin für Arbeitsrecht) stoßen wir vermehrt auf arbeitsrechtliche Themen und Probleme, die bisher wenig reflektiert geschweige denn im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung thematisiert worden sind.

Eines davon soll im nachfolgenden Gastbeitrag meiner Kollegin vorgestellt und anhand der derzeitigen Rechtslage diskutiert werden. Es geht um die Frage, ob und inwieweit, Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Plattformen wie XING & Co zur Akquise, Kundenpflege und –verwaltung nutzen, im Falle eines Wechsels des Arbeitsplatzes zur Herausgabe der dort gesammelten Kundendaten oder sogar des gesamten Accounts verpflichtet sind. Eine durchaus relevante Frage, wie ein Gerichtsturteil aus England zeigt, in dem ein ehemaliger Mitarbeiter des Personalvermittlers Hays offensichtlich zur Herausgabe entsprechender Daten verurteilt worden ist.

Neben der interessanten Frage, wie diese Problemstellung nach deutschem Recht zu beurteilen wäre, setzt sich meine Kollegin auch damit auseinander, ob das geltende Arbeitsrecht in unserer modernen Arbeitswelt und den Einflüssen des Web 2.0 den Interessen von Arbeitgeber und –nehmer überhaupt noch gerecht wird bzw. wie insoweit Abhilfe geschaffen werden kann.
GASTBEITRAG:

„Gehören“ die beruflich veranlassten Kontakte in Social Networks dem Arbeitgeber ?

Ein Beispiel: V. arbeitet als Vertriebsmitarbeiter im Bereich Sales und Marketing. Er ist jung und im Web sozial gut vernetzt. Für seine Firma vertreibt er ein Produkt und die dazugehörenden Folgelieferungen. Er akquiriert sehr erfolgreich im Kreis seiner Bekannten und sonstigen (Internet-)kontakte und regelt seine gesamten diesbezüglichen Kundenkontakte über seinen XING-Account. Um die Folgelieferungen immer rechtzeitig anzubieten und zu verkaufen, hat V. sich Wiedervorlagen in seinem Outlookkalender im Büro notiert. Dabei hat er jeweils die Namen der Kontakte eingetragen. Da V. kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in seinem Arbeitsvertrag hat, wechselt er irgendwann zu einem Konkurrenten. Sein Nachfolger übernimmt seinen Kalender und kann mit den namentlich bezeichneten Wiedervorlagen nichts anfangen. Der Umsatz bricht ein.

Das Problem: Kann die Firma von V. die betreffenden XING Daten herausfordern? Wem gehören die Daten?

In diesem Zusammenhang gilt zunächst der Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die Tätigkeit notwendig sind auch am Arbeitsplatz hinterlassen muss und diese nicht bewusst unterschlagen oder beseitigen darf.

Hätte V. also eine „normale“ Kundenkartei in seinem Schreibtisch hinterlassen oder auf seinem Dienst-PC gespeichert, wäre die Frage klar zu beantworten. Selbstverständlich dürfte dann der Arbeitgeber diese nutzen und hätte auch Anspruch auf Herausgabe, für den Fall, dass V. die Kundendatei mitgenommen hat.

Was aber gilt im Bereich von Sozialen Netzwerken ?

Für die Beantwortung der Frage, ob der Arbeitgeber den gesamten Account oder auch nur einzelne Kundendaten herausverlangen kann, stellt sich zunächst die zentrale Frage, wem der XING-Account selbst „gehört“.

Dafür sind verschiedene Parameter maßgeblich:

• Wer zahlt?
• Welcher Name?
• Welche Email-Anschrift?
• Welche Adresse?
• Welcher Charakter?

Danach sind dann verschiedene Varianten denkbar.

a) Rein privater Account

Handelt es sich um ein Account mit rein privatem Charakter (kein Corporate Design), mit der privaten E-Mail-Anschrift, der privaten Adresse, der auch privat bezahlt wird, dürfte der Fall eindeutig sein. V.dürfte in dieser Situation seinen Account selbstverständlich behalten und weiter nutzen, müsste allerdings die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die weitere Tätigkeit notwendig sind, dem ehemaligen Arbeitgeber zur Verfügung stellen. Es könnten also verschiedene (Kunden-)informationen herausverlangt werden.

Zwischenstand: Die für die ordnungsgemäße Abwicklung erforderlichen Informationen insbesondere die Kontaktdaten hat V. an die alte Firma herauszugeben.

Noch ein Zwischenstand: Jedenfalls muss V. auch in diesem Fall dem Arbeitgeber keinen direkten Zugang oder Zugriff auf seinen Account gewähren.

b) Rein dienstlicher Account

Handelt es sich jedoch um einen rein dienstlichen Account, den der Arbeitgeber auch bezahlt müsste V. den Account, auch wenn er zwischenzeitlich seine privaten Kontakte hierüber organisiert wohl komplett herausgeben. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten müsste dem Mitarbeiter möglicherweise die Gelegenheit gegeben werden, rein private Kontakte und Korrespondenz zu löschen.

c) Mischformen

Mischformen der obigen Kriterien sind allerdings deutlich schwieriger einzuordnen. Eine Variante wäre, dass es sich zwar um einen privaten Account (E-Mail-Adresse, Anschrift ) handelt, aber der Arbeitgeber bezahlt. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass zwar die Arbeitgeber E-Mail-Anschrift angegeben, aber die private Adresse etc. Weitere Mischformen sind denkbar, deren Beurteilung sich an den oben dargestellten Kriterien zu orientieren hätte.

Eine Pflicht zur Herausgabe des gesamten Accounts wird man in den meisten dieser Fälle wohl nicht begründen können. Insbesondere der Grundsatz, dass die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die weitere Tätigkeit des Arbeitgebers notwendig sind auch am Arbeitsplatz hinterlassen werden müssen, spricht allerdings dafür, dass auch nach deutschem Recht in den allermeisten Fällen ein Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe der im jeweiligen Social Network Profil gespeicherten Kundendaten und gegebenenfalls auch entsprechender Korrespondenz besteht.

Nutzung der Sozialen Medien während der Arbeitszeit?

Die Nutzung von Social Medie während der Arbeitszeit stellt sich – auch unabhängig von den obigen Fragen – als schwieriges Thema dar.
Legt man die herrschende Rechtsprechung zugrunde darf ein Mitarbeiter – vorbehaltlicher ausdrücklich anderslautender Regeln oder nachweislicher Duldung im Unternehmen – private Kontakte grundsätzlich nur über einen privaten Account und natürlich auch nur in seiner privater Zeit pflegen. Private Kontakte während der Arbeitszeit über Social Networks oder andere Internetmedien wären ein sogenannter „Arbeitszeitbetrug“ und könnten gegebenenfalls mit den entsprechenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen sanktioniert werden.

Eine ganz anderes Problem ist die Zulässigkeit entsprechender Kontrollmaßnahmen durch den Arbeitgeber. Auf diese Frage, die maßgeblich davon abhängt, inwieweit der Arbeitgeber die Nutzung von E-Mails oder Internet zu privaten Zwecken freigegeben hat oder auch nur duldet, soll hier nicht näher eingegangen werden.

Wer darf die Kontakte künftig nutzen?

In allen Varianten ist deutlich geworden, dass jedenfalls der ehemalige Arbeitgeber von V. die Kontaktdaten beanspruchen kann und diese selbstverständlich auch künftig in ihrer vertrieblichen Tätigkeit nutzen darf.

Weiterhin stellt sich aber die Frage, ob auch V. selbst im Rahmen seiner weiteren beruflichen Tätigkeit die Kontakte, die er über diesen Account aufgrund seiner Tätigkeit geknüpft hat, nutzen darf.

Klar ist zunächst, dass V. nach Überlassung des Accounts oder der darin enthaltenen Kundendaten sicherlich keine ausdrückliche Kopie der Kundendaten mitnehmen dürfte. Dies ist im Zusammenhang mit Kundenkarteien ausdrücklich für unzulässig erklärt worden. Er dürfte aber wohl – sofern wie im obigen Fall kein Wettbewerbsverbot nach Vertragsende besteht – all die Kontakte, die er noch „auswendig“ kennt, selbstverständlich nutzen. Selbstverständlich dürfte er auch seine privaten Kontakte weiterhin nutzen. Das gemeinhin verwendete, tatsächlich natürlich etwas etwas illusorische Bild in diesem Zusammenhang ist, dass der Mitarbeiter all die Kundeninformationen weiternutzen dürfte, die er auch im Kopf hat.

Komplexer würde diese Thematik dann noch einmal, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bestünde. Dann könnte sich die Kontaktaufnahme mit ehemaligen Kunden über XING & Co sogar als Verstoß gegenüber dem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Wettbewerbsverbots darstellen. Dies könnte gravierende Folgen nach sich ziehen.

Was hilft?

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist es daher bereits aus Transparenzgesichtspunkten sinnvoll und fast schon zwingend, vorher Klarheit zu schaffen und klare vertragliche Regelungen zu treffen. Dies gilt auch und gerade hinsichtlich der Weiternutzung beruflich eingesetzter Accounts, aber auch der auf diesem Wege erworbenen (Kunden-)daten. Denkbar sind insoweit einzelvertraglich Regelungen oder aber – was sich insbesondere in größeren Unternehmen empfiehlt – klare Angaben in sogenannten Social Media Guidelines (siehe hierzu auch die Beitragsreihe „Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen“ oder den Fachaufsatz „Social Media Guidelines – Regeln für das digitale Miteinander“ )

Der dienstliche Einsatz von Sozialen Netzwerken und anderen modernen Internetmedien macht im allgemeinen nur Probleme, wenn eine unklare Gemengelage vorliegt. Es sollte klar geregelt werden, wer, was, wann und wie jeweils nutzen darf. Dabei kann es aber nicht so sein, dass die Nutzer Sozialer Medien mit dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses auch ihre „elektronische Identität“ beim Arbeitgeber hinterlassen müssen.

Vorzugswürdig scheint eine interessengerechte (aber ausdrückliche) Regelung, die eindeutig festschreibt, was und welche Informationen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisse herausgegeben werden müssen. Dabei sind insbesondere die oben schon angedeuteten und von der Rechtsprechung bestätigten Interessen des Arbeitgebers miteinzubeziehen, dass die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die weitere Tätigkeit notwendig sind auch am Arbeitsplatz hinterlassen oder herausgegeben werden müssen.

Zusammenfassung

Die eingangs aufgeworfene Frage, ob das rechtliche Instrumentarium noch passt oder zu altbacken oder verstaubt ist, kann einfach beantwortet werden: Das Arbeitsrecht passt weitgehend, es ist nur auf gänzlich neue Sachverhalte anzuwenden. Bei vielen Problemen bedarf es nicht zwingend neuer gesetzlicher Regelungen.

Die abstrakt generell gefassten arbeitsrechtlichen Normen sind nur mit den bisherigen Wertungen und Maßstäben auf die neuen Sachverhalte anzuwenden. Neue gesetzliche Regelungen sind in aller Regeln nicht erforderlich. Sie unterliegen im Übrigen der Gefahr von situativen Modegesetzen, die einen kurzfristigen technischen und stimmungsmäßigen Sachstand wiedergeben und dabei die erforderliche Abstraktheit vermissen lassen.

Arbeitgeber wie Arbeitnehmer tun allerdings gut daran hinsichtlich der neu auftretenden und unbestreitbaren Probleme saubere, einzelvertragliche oder kollektivvertragliche Regelungen im Arbeitsvertrag oder auch in ergänzenden Social Media Guidelines zu treffen. Dabei sollte der Gefahr widerstanden werden hier nur „warme Worte“ mit Apellen und Erläuterungen zur Massenwirkung des Internets niederzulegen, sondern hier sind arbeitsrechtlich klare und relevante Ansagen gefragt.

Weiterführend auch:

Dreiteilige Beitragsreihe zum Thema „Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen“
Fachaufsatz „Social Media Guidelines – Regeln für das digitale Miteinander“

Autorin dieses Gastbeitrags:

Dr. Birte Keppler, Fachanwältin für Arbeitsrecht, berät deutsche und ausländische Unternehmen, Geschäftsführer und Vorstände umfassend im Arbeits- und Dienstvertragsrecht. Neben verschiedenen Vortragstätigkeiten ist sie regelmäßig als Dozentin bei der Rechtsanwaltskammer für Rechtsfachwirte/-innen tätig.

Kontakt: bkeppler(at)diempartner.de Tel: 0711 228 54 50

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Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Spannender Beitrag und ein noch spannenderes Thema! Dies zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass Unternehmen zentral eigene Informationen, vor allem Kontaktinformationen, speichern, z.B. in einem eigenen CRM. (Kein rechtliches Thema, aber zumindest vereinfacht es einige Aspekte).

    Ich freue mich auf weitere Beiträge und Gastbeiträge!

  2. Sehr geehret Frau Kollegin Keppler, ich gratuliere zur Fragestellung, die sehr praxisrelevant ist und auch nach meiner Beobachtung zunimmt, vor allem in Vertriebstätigkeiten, erst 2009 hatte der BGH wieder einen Vertreterfall, der sich ganz nah an diesen Bereich heranbewegt. Ihr Lösungsweg gefällt mir allerdings weniger, auch, wenn ich Ihnen zustimme, dass klare Absprachen wünschenswert wären.

    Es kommt zunächst nicht auf eine Unterscheidung zwischen vermeintlich „privaten“ und „arbeitgeberseitigen“ Accounts an. Entscheidend ist die Zweckbestimmung, auch bei den sog. Mischformen. Liegen in mehr als nur völlig unerheblichem Umfang systematisch gesammelte Kundendaten in einer Datensammlung, hat der Arbeitnehmer kein Verfügungsrecht darüber. Warum?

    BGH und BAG hatten mehrfach über die Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens zu entscheiden, bei der ein Ex-Arbeitnehmer (ohne nachvertragliches Wettbewerbsverbot) Datensammlungen mit Kundendaten benutzt hat (z.B. Urteil vom 19. 12. 2002 – I ZR 119/00 und vom 27. 4. 2006 – I ZR 126/03). Das ist unumstritten ein Wettbewerbsverstoss nach §§ 4 Nr. 11, 17 UWG). Das sieht auch das BAG so (15.12.1987 – 3 AZR 474/86, dazu insges. auch NJW 2008, 3538). In seinem Urteil von 2006 (a.a.O.) hat der BGH klargestellt, dass diese Verbote auch greifen, wenn die Daten z.B. auf einem privaten Notebook in einer selbst angelegten und privat gespeicherten Exceltabelle stehen (oder in einem privaten Notizbuch, möchte man ergänzen), die nur gelegentlich des Arbeitsverhältnisses oder als reine Vorratssammlung angelegt wurde. XING o.ä. ist sachlich dasselbe. Die Unterscheidung Arbeit/Privat ist insoweit irrelevant.

    Der nach dem UWG bestehende Schadensersatzanspruch umfasst ohne weiteres die Herausgabe der Daten als Naturalrestitution, wenn sie ausschließlich bei XING liegen.

    Das funktioniert auch, wenn der Ex-Arbeitnehmer die Daten zunächst nicht benutzt, aber nicht herausrückt, und es eben keine Parallelsammlung ist, sondern möglicherweise die einzige vollständige Sammlung; denn dann liegt ein Behinderungswettbwerb nach § 4 Nr. 10 UWG vor. Die Rechtsfolgen sind gleich. Ist es „nur“ eine Parallelsammlung, gibt es – s.o. – ein gewerbliches Benutzungsverbot, das ist auch für den AG ausreichend.

    Die Daten „gehören“ deshalb in allen Fällen eindeutig dem Arbeitgeber. Wenn sie nur verwertbar wären, wenn der Account auch übernommen wird, muss aus §§ 611, 242 BGB, 90 HGB ein Herausgabeanspruch abgeleitet werden.

    Umgekehrt wird man das nicht nur den eigentlich zuständigen Arbeitsgerichten klarmachen müssen und dann mit einer ausdrücklichen Vereinbarung ohnehin ein einfacheres Leben haben (da haben Sie recht). Man wird vor allem Arbeitnehmern regelmäßig abraten müssen, derlei Kontaktpflege bei XING zu machen, wenn sie diese Netzwerke unverändert auch nach dem Arbeitsvertrag behalten wollen. Die – auch finanziell sehr einschneidenden – geschilderten wettbewerbsrechtlichen Folgen sind erstaunlicherweise auf beiden Seiten des Arbeitsvertrags in der Tendenz leider unbekannt.

    Mit freundlichen kollegialen Grüßen, RA u. FAArbR Wolf J. Reuter, LL.M., http://www.reuter-arbeitsrecht.de

  3. Der Artikel (und auch der Kommentar von Wolf J. Reuter) verdeutlichen vor allem, wie die Grenze zwischen Privat- und Arbeitsleben immer stärker verwischt.

    Gab es früher noch ein privates und ein (wechselndes) geschäftliches E-Mail-Postfach (das in der Regel auch nur während der Arbeitszeiten verfügbar war/ist), so gibt es heute immer häufiger EINEN Account bei sozialen Netzwerken wie Xing oder Facebook. Und der ist rund um die Uhr nutzbar.
    Ein Trennung zwischen privater und geschäftlicher Nutzung wird hier schwierig und in Zukunft auch noch schwieriger werden. Selbst wenn man versucht das auf einzelne Kontakte runterzubrechen.

    Wenn ich zum Zeitpunkt des Arbeitsverhältnis bereits bestehende Kontakte dann über Xing auch in geschäftlichen Zwecken anspreche, oder umgekehrt mich mit geschäftlichen Kontakten auch mal auf ein Bier verabrede und zur Verabredung eine Nachricht über Xing verschicke, könnte man im Nachhinein allenfalls noch versuchen einzelne Nachrichten nach privat oder geschäftlich zu klassifizieren. Aber auch in einer einzelnen Nachricht kann man ja theoretisch private und geschäftliche Belange besprechen.

    Früher hätte man dann vielleicht gesagt: „Wir tauschen jetzt mal unsere privaten Telefonnummern aus.“, bzw. „Ich geb dir mal meine geschäftliche E-Mail-Adresse.“
    Sowas wird unmöglich, wenn ich nur einen Facebook- oder Xing-Account habe.
    Oder anders formuliert: Es gibt immer mehr Fälle, in denen ein Kontakt aus privater, wie auch aus geschäftlicher Motivation gepflegt wird. Soziale Netzwerke haben diesen Effekt verstärkt, bzw. oft erst möglich gemacht.

    Xing ist dazu noch spezieller – um auf die im Artikel angesprochenen verschiedenen Profilszenarien einzugehen. Die meisten werden dort nicht private Adresse und geschäftliche E-Mail oder umgekehrt hinterlegt haben, sondern Adresse, Telefon, E-Mail, Website-Links jeweils einmal privat und einmal geschäftlich hinterlegen. Noch dazu schreiben viele ihren Lebenslauf inkl. vorheriger Arbeitgeber in ihr Profil.
    Oft habe ich auch schon den Fall mitbekommen, dass ein Xing-Account schon vor einem Arbeitsverhältnis bestand, aber der Arbeitgeber für die Dauer das Arbeitsverhäktnisses die Kosten übernommen hat.

    Es ist nachvollziehbar und legitim, wenn Arbeitgeber Anspruch auf geschäftliche Kontakte und Korrespondenz erheben. Nur wer entscheidet, was hier in den Interessensbereich des AG fällt, und darf der AN dann bestimmte Nachrichten, die auch private Teile haben, nicht für sich nutzen?
    Aber einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu zwingen einen ganzen Account herauszugeben, bzw. im Rahmen eines Wettbewerbsverbots die Kontaktaufnahme zu gewissen Kontaken zu untersagen, kann in Zukunft nur noch in sehr speziellen Einzelfällen (Account wurde nach Weisung des AG angelegt und nur dementsprechend genutzt) als legitim betrachtet werden. Auf die Spitze getrieben, würde dies bedeuten, dass ich mit bestimmten Personen nicht mehr befreundet sein darf. (Die Definition des Wortes ‚Freund‘ überdarf in diesem Zusammenhang auch einer Generalüberholung und feineren Abstufung, aber das soll jetzt hier nicht Thema sein.)

    Ich will nicht – wie im Artikel auch richtig angedeutet – von der Notwendigkeit neuer Gesetzgebung sprechen, aber die Rechtsprechung steht hier in der nächsten Zeit eindeutig vor einer großen Herausforderung. Das haben wir ja auch schon bei vielen anderen Themen rund um Netz und Kommunikaton im Netz (mitunter: leider) erleben dürfen.

    Als weitere Anregung möchte ich auch den folgenden Artikel empfehlen, in dem es um die Frage geht, ob man Twitter lieber aus dem Bauch heraus, oder lieber aus dem Kopf heraus nutzt und in dem u.a. auch die Rede von Stefan Keuchel ist, der unter einem Account sowohl als Familienvater, als auch als Pressesprecher von Google Deutschland twittert.
    http://werbeschaf.blogspot.com/2009/05/kopf-twittern-gegen-bauch-twittern.html

    • Sehr geehrter Herr Neuhaus, ich kann Ihnen nur beipflichten, soweit es um die Kernthese vom Verwischen zwischen Privat- und Arbeitsleben geht. Das zeigt, was für ein hochinteressantes Thema die Kollegin Keppler hier gepostet hat. Im Arbeitsrecht fragt man sich seit einiger Zeit z.B. auch, was der Firmen-Blackberry nun bedeuten soll; im Urlaub 2 Stunden täglich „e-mails durchsehen“ ist sozial akzeptiert, teilweise Lifestyle und für Selbständige (Rechtsanwälte/-innen) durchaus selbstverständlich. Für Arbeitnehmer jedoch? Die soziale Antwort fällt m.E. klar, aber bedenklich aus: Selbstverständlich o.k.!; die arbeitsrechtliche Antwort ist das glatte Gegenteil. Ich meine subjektiv (und Berlin-beeinflusst) immer, dass wir hier vor dem Ergebnis der Generation Praktikum (oder New Economy Bubble) stehen. Wer bis 25 den Unterschied zwischen Arbeit und Selbständigkeit mangels ersterer nicht kannte, gerät unter Druck, auch als Chef übrigens. Arbeitsrecht erscheint auf einmal antiquiert, obwohl so etwas wie ein Urlaubsanspruch (ohne e-mails) eigentlich nicht ernstlich in Frage gestellt werden kann. Die Balance gerät übrigens auf beiden Seiten ins Schwimmen – die Kündigungsfälle wegen Privatvergnügen am Arbeitsplatz (von e-bay bis Pornosurfen) oder auch die „Selbstbedienung“ am Material des Arbeitgebers nehmen – gefühlt – gleichfalls zu, und das hat mit der zweiten Seite derselben Medaille zu tun. Mit freundlichen Grüßen, RA u. FAArbR Wolf J. Reuter, LL.M., http://www.reuter-arbeitsrecht.de

  4. Liebe Kollegen,

    zunächst vielen Dank für Ihre Kommentare und die umfangreichen Ausführungen.

    Wie meine tägliche Arbeit mit Themen aus dem Web 2.0 und Social Media zeigt, führt die fortschreitend schwerer werdenden Trennung von beruflicher Tätigkeit und Privatleben (nicht zuletzt im Zusammenhang in den sogenannten Social Networks) tatsächlich zu vielen neuen arbeitsrechtlichen Probleme und Kollisionen zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers.

    Der Ruf nach dem Gesetzgeber wird in vielen Fällen jedoch nicht weiterhelfen, weil gerade bei solchen Problemen der Internetnutzung die Gesetzgebung – mal unabhängig von der Frage der notwendigen Kompetenz – ohnehin immer hinterherhinkt. Hier werden bei entsprechender Gelegenheit die Gerichte die Standards setzen müssen.

    Gerade deshalb empfehlen wir die Forumulierung klarer Standards durch den Arbeitgeber, der durch eine Social Media Policy solche Sachverhalte regeln sollte.

    Dabei ist die oben angesprochene Problematik nur ein Auszug dessen, was durch die Nutzung der neuen (sozialen) Median an Themen noch auf uns zukommen wird. Bereits jetzt sind meine Kollegin und ich auf einige Themen gestossen, die wir hier auf dem Blog in unregelmässiger Abfolge ansprechen werden.

    Beste Grüsse

    CU

  5. Eventuell regelt sich das Thema durch den immer stärker werdenden Mangel an Talenten. Um die Besten zu bekommen, steht dann eben in der Stellenbeschreibung: „70.000 Euro Jahregehalt, Dienstwagen und Sie dürfen ihre XING Kontakte behalten, auch nachdem Sie uns verlassen haben.“

  6. Da ich bisher noch studiere und auch sonst einen eher verwaisten Xing-Account habe, weiß ich nicht, inwieweit das Problem auch in der Praxis ein relevantes ist (also in absoluten Zahlen gesehen).

    Mir kommt jedoch die Analogie zu Datensammlungen seltsam vor, zumindest wenn sie so pauschal getroffen wird. Insbesondere, wenn „leichtfertig“ eine nach Treu und Glauben ein Herausgabeanspruch des gesamten Profils konstruiert werden soll, bekomme ich arge Bauchschmerzen. Denn ein Profil in einem sozialen Medium besteht eben nicht nur aus der Freundesliste, vielmehr ist sie für mich -je nach Ausgestaltung- eine mehr oder weniger vollständige Abbildung der Person im Internet. Deshalb müssen bei einer Abwägung, ob und inwieweit ein Herausgabeanspruch besteht, sämtliche Felder des Persönlichkeitsschutzes mit bedacht werden; angefangen beim Namensrecht lassen sich sicher noch mehr Probleme finden.

    Was mich dann weiterhin interessiert ist: Mal unterstellt, der Arbeitgeber hätte tatsächlich den alleinigen Zugriff auf den Account des ehemaligen Mitarbeiters. In welchem Umfang darf er die Daten dann nutzen?
    Namen und Kontaktdaten der Geschäftspartner wohl schon, aber wie ist es beispielsweise mit

    -dem Verfassen und Kommentieren von Beiträgen,
    -der Verwertung von „privaten“ Kontaktdaten der gesammelten Kontakte
    -dem Anschreiben von Kontakten unter dem Namen des ehemaligen Angestellten?

  7. Wandler says:

    Mal ein übliches Szenario:
    Mein XING Account ex. seit Jahren und enthielt in erster Linie Kontakte zu Freunden, Ehemaligen, Kollegen, Ex-Kollegen. Durch meinen Nebenjob (genehmigt) bekomme ich Kontakt zu Kunden meines 2. Unternehmens. In den letzten Jahren habe ich auch Zugang zu Kunden meines Hauptarbeitgebers.

    Eine Übernahme seitens meines Hauptarbeitgebers würde ich niemals zustimmen,
    a) da ich den Zugang privat zahle
    b) Private Kommunikation nicht eindeutig von geschäftlich zu trennen ist.
    c) Beide Arbeitgeber theoretische Ansrüche haben könnten
    d) der private Teil überwiegt
    e) ich prinzipiell niemanden an meiner privaten Kommunikation teilhaben lasse…

    Bei Zwang würde ich den Account löschen lassen und alle Kontakte neu anmelden.
    Dass der Arbeitgeber den Account unter meinem Namen weiterführt ist auszuschliessen, da das in den Bereich Namen- und Persönlichkeitsanmaßung fällt, ebenfalls das Entführen rein privater Kontakte in die Firmen-DB ist nicht gestattet, da meine Freunde eine Übernahme in die Firmen-DB niemals zugestimmt haben.
    Eine Trennung ist für die Firma nur durch Lesen der privaten Kommunikation oder durch meine Mithilfe möglich.
    Das Entfernen privater Kontakte oder geschäftlicher Kontakte die später zu Freunden wurden greift zudem so extrem in das Grundrecht der persönlichen Freiheit ein (u.U. auch anderer Gesetze), dass das heute nicht mehr im Normalfall durchzusetzen ist.

    Insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber auch keine besondere Trennung bzgl. Beruf und Privat gelebt hat und z.B. ausufernde beruflich Betätigung in der Freizeit nicht reglementiert, oder verbietet sondern im Gegenteil erwartet und fördert.

  8. Hallo,
    da ich aktuell als Arbeitnehmer (Vertrieb) auch vor diesem „Xing“ Problem stehe hätte ich folgendes Szenario anzubieten. 1. Xing Account wurde privat erstellt 2008 und Kontakte zu Kollegen aus vorherigen Anstellungen eingepflegt.
    2. Neuer Arbeitgeber in 2010. Zur Kontaktpflege habe ich meinen bis dahin privat genutzten Account eingesetzt. 3. Die bis dahin kostenlose Mitgliedschaft wurde auf Premium umgestellt und von der Firma, Rechnungsadresse Firma, bezahlt. Die Kontaktdaten habe ich mit den neuen Arbeitgeberdaten geändert. Weitere geschäftliche Kontakte wurden in dieser Tätigkeit ergänzt.

    Nun habe ich gekündigt. Die Daten waren auf meinem Arbeitsplatzrechner hinterlegt und wurden sofort von dem Arbeitgeber geändert so daß ich keinen Zugriff mehr darauf habe. Auf mein Schreiben das ich die Herausgabe der Daten fordere, da hier in meinem Namen und mit meinem Bild kommuniziert werden kann wird nicht geantwortet. Es stellt sich doch für mich die eigentlich eindeutige Frage, inwieweit mein Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild, am eigenen Namen, verletzt wird. Da dies m.E. grundlegende Rechte mit eindeutiger Priorität sind wundere ich mich doch um die hier eher AG-freundliche Argumentation und kann dieser nicht so recht folgen. Eine Meinung ihrerseits würde mich freuen, da dieser Aspekt der Verletzung der Persönlichkeitsrechte in diesem Threat bisher noch nicht erwähnt wurde.

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