Soziale Netzwerke bieten im Bereich des Customer Relationship Management (CRM) neue spannende Möglichkeiten, Neukunden für die Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen, aber auch Bestandskunden zu pflegen.
Tatsächlich spricht vieles dafür, dass entsprechende Strategien und Maßnahmen der Akquise und des Kundenbeziehungsmanagements (siehe auch die einführende Präsentation von Martin Walsh) in den Sozialen Medien (immer öfter unter dem Stichwort Social CRM zusammengefasst) mehr Erfolg versprechen, als z.B. E-Mailmarketing. Zahlreiche Profilinformationen können helfen, potentielle Kundengruppen deutlich besser zu identifizieren, als dies z.B. beim E-Mailmarketing möglich ist (siehe auch die Infografik zur Entwicklung von Social CRM).
Das Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert, dass die Ausgaben für Social Software, die den Vertrieb, das Marketing und das Kundenmanagement unterstützt, spätestens in 2013 weltweit bei über einer Milliarde US-Dollar liegen. Außerdem sei zu erwarten, dass etwa 30 Prozent der weltweit führenden Unternehmen ihre Aktivitäten im Hinblick auf Social Media in den nächsten zwei Jahren intensivieren, um Social CRM Maßnahmen und Services integrieren zu können.
Was bei diesem wachsenden Trend und den Möglichkeiten nicht übersehen werden sollte, sind die bestehenden rechtlichen Grenzen, die bei entsprechenden Marketing- und Servicemaßnahmen über die Sozialen Medien natürlich genauso zu beachten sind, wie bei traditionelleren Maßnahmen. Diese ähneln den Rahmenbedingungen beim E-Mail- oder anderen Permissionmarketingmaßnahmen und sollen einen angemessenen Ausgleich zwischen den (Werbe-)interessen der Wirtschaft, aber auch dem Kundeninteresse vor übermäßiger „Werbebelästigung“ dienen.
Wie im nachfolgenden Beitrag ausgeführt werden wird, sind bei der Erhebung und Verarbeitung von Kundendaten die datenschutzrechtlichen Vorgaben ebenso anzuwenden, wie die im Wettbewerbsrecht festgelegten Grenzen der Ansprache von neuen Kunden. So ist davon auszugehen, dass § 7 Abs.2 Nr.3 UWG, der für E-Mailwerbung die vorherige Zustimmung des Empfängers voraussetzt (sog. Permission Marketing), auch für die Kundenakquise in und über Soziale Netzwerke gilt. Tatsächlich stellen immer mehr Nutzer von Sozialen Netzwerken fest, dass das Aufkommen von unverlangter Werbung (sog. Spam) ständig zunimmt.
Agenturen und Unternehmen, die sich diesen perspektivischen Möglichkeiten nähern wollen, ist eine rechtzeitige Auseinandersetzung mit den rechtlichen Implikationen zu raten. Oft lassen sich die gesetzlichen Anforderungen (z.B. der Zustimmungsvorbehalt) erfüllen, wenn man die notwendigen Erklärungen im Rahmen der Möglichkeiten von Facebook, XING & Co entsprechend abbildet.
A. Gesetzliche Rahmenbedingungen
I. Wettbewerbsrecht
Entscheidend für die Kundenansprache in Sozialen Netzwerken ist aber vor allem der bereits genannte § 7 Abs.2 Nr.3 UWG, der für Werbung per „elektronischer Post“ (wie z.B. E-Mail) die vorherige Zustimmung des Adressaten fordert.
In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, ob Werbebotschaften in den elektronischen Posteingang bei Facebook, Twitter & Co tatsächlich als rechtswidriger Spam im Sinne von § 7 Abs.2 Nr. 3 UWG zu deklarieren sind. Nach dieser Vorschrift liegt eine unzumutbare Belästigung immer dann vor, wenn Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder eben elektronischer Post versandt wird, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt.
Unter Zugrundelegung der Definition von „elektronischer Post“ in der europäischen Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation gilt diese Regelung für jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird. Damit fallen wohl auch Nachrichten innerhalb eines Sozialen Netzwerkes – wie auch SMS (short message service) und MMS (multi media service) – unter diese Regelung. Genauso wie die E-Mail sind entsprechende Nachrichten in der Regel kostenlos und eignen sich so auch für die massenhafte Versendung von Botschaften und damit insbesondere für Werbung, womit diese auch vom Regelungszweck unter die oben genannte Vorschrift fallen dürften.
Aufgrund der Anwendbarkeit von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auf solche Nachrichten innerhalb Sozialer Netzwerke dürfte jede entsprechend an einen privaten Posteingang adressierte Werbenachricht ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung stets eine unzumutbare und damit unzulässige Belästigung darstellen.
Konsequenterweise gelten diesbezüglich dann auch die Verbote des § 7 Abs.2 Nr.4 UWG für Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann.
Wer also zulässigerweise Werbebotschaften über die Sozialen Netzwerke versenden möchte, sollte also die üblichen Grundsätze des „Permission Marketing“ (Opt-In) bzw. die Erlaubnistatsbestände des § 7 Abs.3 UWG berücksichtigen. Sonst drohen eine Abmahnung des Empfängers bzw. Dritter, mögliche Maßnahmen des Plattformbetreibers und möglicherweise auch erhebliche Bussgelder. Gefährlich ist auch die Verschleierung eines etwaigen Werbecharakters in solchen internen Nachrichten, weil dann auch weitergehende Ansprüche der Wettbewerber aus §§ 4 Nr. 3 und Nr.11 UWG begründet werden könnten.
Bei jedweder Form von Werbung sind darüberhinaus die weiteren etwas allgemeineren Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten. Neben diesen Vorgaben könnte auch die sogenannte Schwarze Liste relevant werden, die 30 Tatbestände aufführt, die stets eine Wettbewerbswidrigkeit begründen (ausführlich dazu Neues Marketing – und Werberecht – Aktuelle Änderungen des UWG und deren Auswirkungen).
II. Datenschutzrecht
Neben der Frage, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, damit der (potentielle) Kunde werblich kontaktiert werden darf, stellen sich oft auch datenschutzrechtliche Fragen.
Dabei regeln das Bundesdatenschutzgesetzt (BDSG) bzw. das Telemediengesetz (TMG), ob personenbezogene Daten der Kunden erhoben, gespeichert und verarbeitet werden dürfen. Personenbezogene Daten sind nach § 3 BDSG alle Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten ode bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Wenn also im Rahmen des Kundenakquise Name, Adresse, E-Mail, Hobbies etc. erhoben oder verarbeitet werden, sind die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten.
Eine entsprechende Datenverarbeitung ist für solche Kundendaten nur unter engen Grenzen zulässig. Im Bereich des Social CRM kommen vor allem die folgenden Erlaubnistatbestände in Betracht:
• Mit Einwilligung
Nach § 28 Abs.1 S.1 BDSG kommt eine Datenverarbeitung in Betracht, wenn der Betroffene zuvor über den jeweiligen Dateneinsatz aufgeklärt worden ist und ausdrücklich (auch elektronisch) eingewilligt (Opt-In) hat. Dabei ist stets auf die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligung hinzuweisen.• Erforderlichkeit für Rechtsgeschäft
Personenbezogene Daten dürfen nach § 28 Abs.1 S.1 BDSG auch verarbeitet werden, wenn diese für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist• Listenprivileg
Nach dem sogenannten Listenprivileg (§ 28 Abs.3 S.2 BDSG) können bestimmte Daten auch ohne Einwilligung zum Zwecke der Eigenwerbung eingesetzt werden, wenn Daten bei Betroffenen erhoben worden sind oder aus allgemein zugängliche Quellen stammen.
Über einen der genannten Erlaubnistatbestände lässt sich die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Kundendaten oft rechtskonform ausgestalten. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass jede Stufe der Datenverwendung (d.h. Datenerhebung, Datenspeicherung, Datenverarbeitung, ev. Datenweitergabe) jeweils legitimiert werden können sollte. Nur weil eine bestimmte Art der Datenerhebung zulässig war, heißt nämlich nicht, dass die weitergehende Datenverarbeitung ohne weiteres zulässig ist.
B. Zusammenfassung
Auch bei Kampagnen im Social Web sind die rechtlichen Vorgaben einzuhalten. Potentielle und bestehende Kunden können und dürfen demnach auch in Sozialen Netzwerken nicht einfach mit werblichem Hintergrund „angesprochen“ werden.
Beim Customer Relationship Management im Social Web ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen.
Wenn personenbezogene Kundendaten erhoben oder verarbeitet werden, sind Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetz zu beachten. Während das Datenschutzrecht die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung regelt, bestimmt sich die Zulässigkeit der konkreten Kundenansprache (d.h. über Telefon, E-Mail oder eben wie hier über Soziale Netzwerke) nach dem Wettbewerbsrecht. Oft lassen sich die Anforderungen beider Regelungsregimes mit einer entsprechenden Zustimmungserklärung abbilden. Bei den jeweils zu erfüllenden rechtlichen Vorgaben ist regelmäßig auch noch danach zu differenzieren, ob Verbraucher (B2C) oder Geschäftskunden (B2B) angesprochen werden sollen.
Unternehmen, die die Optionen des Social Web identifiziert haben, ist mit entsprechend perspektivischem Blick zu raten, entsprechende Möglichkeiten der Ansprache aber auch des Kundensupports über Social Media auch schon in aktuellen Zustimmungserklärungen (z.B. beim altbewährten E-Mailnewsletter) zu integrieren.
Die Optionen, die Social CRM bietet sind bisher nur in Ansätzen realisiert. Die Möglichkeiten des Social Media Monitoring und die Bewertung entsprechender Daten haben bereits verschiedene Anbieter entstehen lassen. Dass in diesen Markt Bewegung kommt, zeigen die kürzlichen Übernahmen des Social CRM Anbieters Radian6 durch Salesforce und JitterJam durch die Meltwater Group in den USA. Auch wenn es für einzelne Branchen bereits erste Aktivitäten und auch Best Practises gibt, bietet sich gerade in Deutschland noch ein interessanter und wenig erschlossener Markt…
Weiterführend:
Rechtliche Beurteilung von Spam Versand in sozialen Netzwerken
Social Media Monitoring & Datenschutz – Was Unternehmen beim „Durchsuchen“ des Social Web beachten sollten
Neues Marketing – und Werberecht – Aktuelle Änderungen des UWG und deren Auswirkungen
Social Media Marketing & Recht – Dos and Donts beim Werben im Social Web
Guter Artikel zum richtigen Zeitpunkt 🙂 Wir sitzen grad an genau diesem Thema und sind dabei vor allem auf diesen Fakt gestoßen, den Sie auch zitieren:
„Die Optionen, die Social CRM bietet sind bisher nur in Ansätzen realisiert“
Momentan scheint das Thema daher noch juristisch überschaubar. Schaut man allerdings in die USA (z.B. social commerce bei http://www.sears.com) und sieht man, was dort alles schon existiert was in Deutschland noch weiter weg ist, dann stellt sich mir schon jetzt die Frage: Was würden die Deutschen Juristen wohl dazu sagen (naja, ich bin auch einer ,-)?! Z.B. privaten welche Shopping-Infos dürften per default-Einstellung (opt-in, opt-out) in die Community gesendet werden, welche nicht usw. Was darf man tracken, was nicht (vgl. allein schon die Diskussion zum eher harmlosen Google Analytics https://www.datenschutzzentrum.de/tracking/) …
Ihr Blog ist sicherlich keine schlechte Adresse, um sich diesem potenziellen Eisberg rechtlicher Themen frühzeitig und nachhaltig zu widmen!
Nur der Vollständigkeit halber … die Pläne des Verbraucherschutz-Ministeriums. Da bin ich ja mal gespannt auf die Folgen.
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,767756,00.html
Bezüglich der Datenschutzanforderungen ist meines Wissens ein kleiner Fehler unterlaufen. Die Einwilligung nach BDSG stützt sich auf §§ 4 Abs. 1, 4a BDSG und gerade nicht auf § 28 Abs. 1 S.1 BDSG, der ja gerade eine rechtliche Grundlage zur Datenverarbeitung ohne Einwilligung zulässt.
das Thema Recht und soziale Netzwerke ist echt undurchsichtig. Hier gibt es sehr viele Meinungen zu.