Ständig wächst die Zahl der Mitarbeiter, die Plattformen wie Facebook, Twitter & Co inner- und außerhalb der Arbeitszeit nutzen. Auch in Deutschland scheint bei zahlreichen Unternehmen „angekommen“ zu sein, dass mit diesem neuen Phänomen Chancen, aber auch Risiken einhergehen.
Erst kürzlich hat sich zum Beispiel Porsche mit einer eindeutigen Social Media Richtlinie dieses Themas angenommen: Die Nutzung von Facebook & Co wird dort während der Arbeitszeit schlicht verboten und der Zugang gesperrt, um den Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu verhindern.
Auch wenn diese Vorgabe an Klarheit nichts vermissen lässt, halte ich dies für eine falsche Strategie, um denkbare Risiken zu vermeiden. Zum einen werden die Verbote der Sozialen Medien am Arbeitsplatz sicher nicht verhindern, dass sich der ein oder andere Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit über sein berufliches Arbeitsumfeld äußert. Zum anderen werden mobile Endgeräte zunehmend in unseren (Arbeits-)alltag einziehen und die Nutzung der Sozialen Medien zum selbstverständlichen und allgegenwärtigen Umgang werden lassen. Und „last but not least“ vergeben sich Unternehmen mit entsprechenden Verboten, die Nutzung der immensen Möglichkeiten, die die Sozialen Medien bieten.
Der beste Schutz für die Interessen des Unternehmens sind deshalb nicht Verbote des (mittelfristig) ohnehin Unvermeidlichen, sondern die rechtzeitige Schaffung der notwendigen Medienkompetenz bei den eigenen Mitarbeitern. Vertrauliche Informationen können über eine Vielzahl von anderen Kanälen nach außen dringen, ohne dass jemand auf die Idee käme, z.B. E-Mails zu verbieten. Unternehmen sollten vielmehr – gerade im Hinblick auf die zukünftige Innovationskraft – jetzt anfangen, ihre Mitarbeiter für entsprechende Risiken zu sensibilisieren und mit verständlichen Social Media Richtlinien, den eigenen Arbeitnehmer, die sich oft über die (rechtlichen) Grenzen gar nicht im Klaren sind, so die Leitplanken zu geben, die sie für den sicheren Umgang mit dem Social Web benötigen. Unter diesen Umständen werden viele Unternehmen erkennen, dass die Chancen des Social Web die Risiken bei weitem überwiegen.
Ich empfehle Mandanten daher, die ohnehin existenten rechtlichen Grenzen in entsprechenden Richtlinien „nachzuzeichnen“ . Dabei geht es primär nicht darum, neue Regeln und Beschränkungen einzuführen, sondern um die Verdeutlichung einiger im Arbeitsverhältnis ohnehin geltender Rahmenbedingungen aus dem arbeitsvertraglichen Verhältnis (wie z.B. der Treuepflicht des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB). Damit soll genau die Medienkompetenz erreicht werden, die notwendig geworden ist, weil eine Äußerung im Social Web ganz andere Auswirkungen haben kann, als die Äußerungen des Mitarbeiters vor der Ära von Facebook & Co (z.B. auf dem privaten Grillfest).
Die (schon vor dem Aufkommen der sozialen Medien) geltenden Grenzen von Äußerungen der Arbeitnehmer über ihre Tätigkeit und das eigene Unternehmen sollen nachfolgend im Hinblick auf das Social Web dargestellt werden. Dass die Frage nach den Grenzen der Meinungsfreiheit gerade auch im Arbeitsverhältnis eine nicht unerhebliche Rolle spielt, hat sich gerade kürzlich in der „Entlassung“ von Thilo Sarrazin gezeigt. Sarrazin war im Wesentlichen aufgrund der Darstellung seiner (wenn auch zweifelhaften) Meinung in einem Buch gekündigt worden ist. Auch hier hat sich – wie bei vielen Äußerungen von Arbeitnehmern im Social Web – die Frage gestellt, inwiefern das bestehende Arbeitsverhältnis Äußerungen der Mitarbeiter beschränken kann.1. Zulässigkeit von Äußerungen im Social Web
Nach Art. 5 Abs.1 S.1 GG hat jeder das Recht seine Meinung egal in welcher Form frei zu äußern und zu verbreiten. Dies gilt grundsätzlich auch für den Mitarbeiter im Rahmen seiner Arbeitsverhältnisses (BAG 2 AZR 584/04). Die Meinungsfreiheit kann jedoch durch allgemeine Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art 5 Abs.2) begrenzt werden.
Daraus folgt bereits, dass sich Arbeitnehmer nicht auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung berufen können, wenn sogenannte Schmähkritik, Formalbeleidigungen oder verleumderische Aussagen in und über Soziale Netzwerke verbreitet werden.
Die Meinungsfreiheit deckt auch die Behauptung unwahrer Tatsachen nicht . Rechtlich ist bei der Frage nach der Zulässigkeit einer Äußerung stets danach zu differenzieren, ob im Kern eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung vorliegt. Eine Aussage ist als Tatsachenbehauptung zu werten, wenn objektiv festgestellt werden kann, ob die Aussage wahr ist oder falsch (z.B. hier im Zug sind 23 Grad Celsius). Während eine Meinungsäußerung im Kern eine nicht beweisbare und subjektiv geprägte Aussage enthält (z.B. hier im Zug ist es zu warm). Wenn also ein Arbeitnehmer über das Internet eine bewusst falsche Aussage z.B. über Produkte des Unternehmens verbreitet, führt dies regelmäßig zur Unzulässigkeit der jeweiligen Aussage, ohne dass er sich auf die Meinungsfreiheit berufen könnte.
Ansonsten wird aus dem arbeitsvertraglichen Verhältnis eine Rücksichtnahmepflicht abgeleitet, die dazu führen kann, dass auch eine ansonsten zulässige Kritik gerade wegen der Öffentlichkeit der Äußerung in einem Sozialen Netzwerk sich als unzulässiger Verstoß gegen die genannte „Loyalitätspflicht“ darstellt, wenn dem Unternehmen dadurch ein besonderer Schaden zugefügt wird. Bei der insoweit notwendigen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Rücksichtnahmepflicht kommt es maßgeblich auf den Inhalt und die Einzelumstände der Äußerung (wie Schwere der Beeinträchtigung des Unternehmens, sprachlicher Kontext, (zu verantwortender) Verbreitungsgrad etc.). Besonders relevant wird das Thema, wenn Kunden oder Vertragspartner des Unternehmens Kenntnis erlangen und nachteilig reagieren (LAG Baden-Württemberg 4 Sa 107/67).
Während gerichtlich bereits festgestellt worden ist, dass die Mitarbeiter bei einem internen Gespräch mit Arbeitskollegen darauf vertrauen dürfen, dass die Äußerungen nicht weitergetragen werden (BAG AZR 543/08), wird man dies dem jeweiligen Mitarbeiter bei einer Veröffentlichung im Internet gerade nicht zugute halten können. Eine Veröffentlichung im Internet oder Social Web führt angesichts der zahlreichen Weiterverbreitungs- und Vervielfältigungsmöglichkeiten schließlich regelmäßig zu einem Kontrollverlust. So hat das Bundesarbeitsgericht es bereits mehrfach als verhaltensbedingten Kündigungsgrund angesehen, dass sich ein Arbeitnehmer direkt an die Öffentlichkeit gewandt hat (zuletzt BAG AZR 232/02).
Im Bereich des öffentlichen Dienstes, für Betriebsräte und bei sogenannten Tendenzbetrieben (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, politischen Einrichtungen o.ä.) werden für (politische) Äußerungen (gerade im Internet) sogar noch weitergehende Grenzen angenommen.
Äußerungen der Mitarbeiter im Internet sind also nicht immer von der Meinungsfreiheit gedeckt. Es liegt im ureigensten Interesse der Mitarbeiter für diese (ohnehin geltenden) Grenzen sensibilisiert zu werden. Da an einige dieser Verstöße auch arbeitsrechtliche Maßnahmen geknüpft werden können, dient die Einführung entsprechender Leitplanken nicht nur den berechtigten Interessen des Unternehmens, sondern auch dem Schutz der Mitarbeiter.
Eine Social Media Policy (aka Social Media Richtlinien oder Guidelines) als Fortschreibung der (oft schon existenten) Regeln zur Nutzung des Internet sind in besonderem Masse geeignet, um die eigenen Mitarbeiter entsprechend zu sensibilisieren.
2. Pflicht zur Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Neben den geschilderten, primär äußerungsrechtlichen Punkten sind Mitarbeiter aufgrund der bestehenden Rücksichtnahmepflicht verpflichtet, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren.
Oft ist schon nicht bekannt, was eigentlich alles unter den Begriff des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses fällt. Auch insofern lohnt sich – aufgrund des geänderten Kommunikationsverhaltens im Social Web – eine Aufklärung der eigenen Mitarbeiter über Social Media Guidelines. Während mit Geschäftsgeheimnissen eher wirtschaftliche Angelegenheiten gemeint sind, bezieht sich das Betriebsgeheimnis regelmäßig auf technische Informationen. Das Bundesarbeitsgericht fasst unter diese Geheimnisse alle Informationen, die mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Arbeitgebers und im Rahmen eines wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen (BAG 3 AZR 83/79; BAG 3 AZR 474/86). Davon umfasst werden können z.B. Kundenadressen, Kalkulationsunterlagen, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien technisches Know-How, aber auch Informationen über Lieferanten oder die Kreditwürdigkeit.
Der Veröffentlichung solcher Informationen können nicht nur arbeitsrechtliche Sanktionen, sondern auch eine Strafbarkeit nach § 17 UWG nachfolgen. Häufig wird auch vertreten, dass sich die Rücksichtnahmepflicht auch auf die Geheimhaltung weitergehender Informationen, wie z.B. persönliche Verhaltensweisen der Kollegen und Vorgesetzten erstreckt.
Auch insoweit gilt es die Mitarbeiter aufzuklären und die Medienkompetenz insoweit zu fördern, um entsprechende Risiken zu minimieren.
3. Beschränkungen außerhalb der Arbeitszeit
Während der Arbeitgeber über das sogenannte Direktionsrecht vorgeben kann, ob und in welchem Umfang die Sozialen Medien während der Arbeitszeit eingesetzt werden sollen und/oder dürfen, gibt es für das Privatleben natürlich Grenzen. Natürlich steht es dem Unternehmen nicht zu, die außerdienstliche Nutzung der Sozialen Medien zu beschränken. Grundsätzlich kann jeder Mitarbeiter Facebook & Co so nutzen, wie er möchte.
Aber auch für das außerdienstliche Verhalten das Arbeitsverhältnis sind unter Zugrundelegung der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers von verschiedenen Gerichten schon gewisse Grenzen festgestellt worden. In der Regel geht es hierbei um konkrete Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses, z.B. wenn der Mitarbeiter im Social Web den Eindruck erweckt, er handele offiziell im Namen des Unternehmens (BAG 2 AZR 233,83). Vom Bundesarbeitsgericht wurde auch schon aus dem außerdienstlichen Verhalten (konkret dem Abruf von pornographischen oder rechtsradikalen Internetseiten) mit Betriebsmitteln des Arbeitgebers (konkret dem Firmen-Laptop) auf das Fehlen der persönlichen Eignung des Arbeitgebers geschlossen und damit die Möglichkeit einer Rufschädigung angenommen (BAG 2 AZR 386/06).
Ansonsten gelten die äußerungsrechtlichen Grenzen (siehe 1.) und die Pflicht zur Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsinterna natürlich auch außerhalb der Arbeitszeit.
4. Resumee
Unternehmen, die das Social Web nicht komplett verbieten wollen, was mittelfristig wenig realistisch und im Hinblick auf die Bewahrung der Innovationskraft auch gefährlich erscheint, ist dringend zu raten, Richtlinien für die Nutzung von Social Media einzuführen. In entsprechenden Richtlinien sollten neben einigen weiteren Regelungspunkten (vgl. Übersicht über notwendige Regelungskomplexe im Artikel ‚Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen‘) auf jeden Fall auch diese „äußerungsrechtlichen“ Grenzen skizziert werden.
Mit diesen hat das Unternehmen den erforderlichen Gestaltungsspielraum, um zu entscheiden, wer die neuen Möglichkeiten wie nutzen kann und soll. Vor allem aber können etwaige Risiken so proaktiv adressiert werden, um die (zumeist doch gutwilligen) Mitarbeitern vor Fehlern zu bewahren und damit schlussendlich die Unternehmensinteressen zu schützen. Die Aufstellung klarer Regeln ist auch angezeigt, um sich bei zukünftig sicher vermehrt auftretenden Problemfällen nicht allein der schwer prognostizierbaren Rechtsprechung der Arbeitsgerichte „auszusetzen“. Aufgrund der aufgezeigten (arbeits-)rechtlichen Implikationen scheint es – auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit bereits existenten Regelungen (z.B. Betriebsvereinbarung zur Nutzung des Internet, spezifische Code of Conduct) – erforderlich, juristisches und entsprechend medienkompetentes Know-How beizuziehen.
Unternehmen, die tatsächlich entsprechende Medienkompetenz vermitteln wollen, ist schließlich zu raten, entsprechend ausdifferenzierte Richtlinien einzuführen, die über ein „Think before you post“ hinausgehen. Mit solchen Trivialitäten ist nämlich weder dem Mitarbeiter noch dem Unternehmen geholfen…
UPDATE 10.11.2010: Die Reichweite der Meinungsäußerungsfreiheit im Arbeitsverhältnis bei Aussagen über Social Media war aktuell auch Thema bei einem Gerichtsverfahren in den USA (siehe Blogbeitrag bei mashable „For Employees, Facebook Counts as Free Speech“).
Weiterführend:
Interview in der ZEIT Online „Verbote sind keine Lösung“
Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen (Teil 1)
Social Media Guidelines & Recht – Kritische Analyse der SAP Social Media Participation Richtlinien (Teil 2)
Social Media Guidelines & Recht – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien (Teil 3)