Seit den ersten Meldungen letzte Woche bewegt ein Thema große Teile der Internewelt: Facebook geht vor einem kalifornischen Gericht gegen StudiVZ vor, weil diese „ nicht nur Facebooks Features gestohlen, sondern auch das „Look and Feel“, das Design, große Teile der Website-Funktionalitäten und andere Eigentumsrechte wie Style Sheets“ übernommen hätten.
Nachdem ich mich je gerade erst kürzlich etwas detaillierter mit dem artverwandten Thema „Rechtliche Beurteilung von Contenklau“ auseinandergesetzt habe, kann ich natürlich auch diese spannende Angelegenheit nicht auslassen.
Mögliche Ansprüche von Facebook nach deutschem Recht
Unter Zugrundelegung deutschen Rechts kämen rein theoretisch wohl nur urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche in Betracht.
Da aber im deutschen Urheberecht immer nur ein Werk in seiner konkreten Formgestaltung geschützt wird, sind Ideen, bestimmte Techniken oder Methoden, aber auch ein Webdesign grundsätzlich nicht geschützt (was Webdesigner regelmäßig beklagen). Insofern sähe es im deutschen Recht für einen urheberrechtlichen Anspruch von Facebook allein wegen einer etwaigen Übernahme des Design und des „Look & Feel“ eher schlecht aus, so nicht tatsächlich Teile des Computercodes übernommen worden sind (was ich für unwahrscheinlich halte und von StudiVZ auch bestritten wird).
Bei der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Benutzeroberflächen wird im amerikanischen Recht regelmäßig die (recht verzwickte) „useful article“-Doktrin herangezogen. Bei entsprechenden „nützlichen Gegenständen“ wird Urheberrechtsschutz insoweit gewährt, wie künstlerische Elemente von den funktionalen abtrennbar und unabhängig bestehen können. Das heißt, dass solche Benutzeroberflächen regelmäßig (nur) dort, wo der konkrete Ausdruck und funktionale Aspekte untrennbar sind, auch urheberrechtsfähig sind. Was den urheberrechtlichen Ansatz anbetrifft, dürfte sich eine Schutzfähigkeit meines Erachtens aber in den USA wohl besser argumentieren lassen, als in Deutschland.
Wenn überhaupt könnte ein entsprechender Anspruch in Deutschland eher aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) hergeleitet werden. Die erste notwendige Voraussetzung eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Facebook und StudiVZ ist ohne Zweifel gegeben. Fraglich wäre dann aber, ob StudiVZ tatsächlich ein Leistungsergebnis des Mitbewerbers so nachgeahmt hat und auf dem Markt angeboten, dass eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt wird bzw. worden ist oder die Wertschätzung der nachgeahmten Plattform unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt wird oder worden ist (§ 3, 4 Nr. 9 UWG).
Für einen entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Ansatz von Facebooks Anwälten spricht auch, dass in der Klageschrift offensichtlich steht, dass die Gleichheit der Internetseiten dazu führen könnten, dass Nutzer zu dem Schluss kommen, dass es eine Verbindung zwischen Facebook und StudiVZ gebe und insofern negative Meldungen über StudiVZ auf Facebook „abstrahlen“ könnten.
Leider liegen bisher nicht genug Informationen vor, um die Angelegenheit auch im Detail rechtlich fundiert beurteilen zu können.
Fragwürdige Reaktion von StudiVZ
Offensichtlich hat die Nachricht des Vorgehens von Facebook StudiVZ bereits veranlasst, selbst eine Klage vor dem LG Stuttgart einzulegen, um feststellen zu lassen, „dass die von Facebook erhobenen Vorwürfe nicht zutreffend sind“.
Auch wenn so eine Feststellungsklage grundsätzlich natürlich Sinn machen kann, kann ich im vorliegenden Fall diese (vor-)schnelle Reaktion nicht nachvollziehen. Nach eigenen Angaben liegt StudiVZ die Klageschrift noch nicht einmal vor. Mal unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage vor dem LG Stuttgart hätte man doch zunächst zumindest einmal den Eingang der Klageschrift abwarten sollen, um auf entsprechend fundierter Grundlage beurteilen zu können, was genau einem vorgeworfen wird.
Derzeit ist wenig konkret gegen welche Vorwürfe man eigentlich vorgehen will, was meines Erachtens gut dazu führen könnte, dass das LG Stuttgart die Klage von StudiVZ als unbegründet oder vielleicht sogar schon unzulässig zurückweist. In vergleichbaren Fällen hat es sich bewährt, erst einmal die Lage genau zu sondieren, bevor man in die Gegenoffensive geht.
Weiterer Verlauf der Angelegenheit
Was das Verfahren in Kalifornien anbetrifft, halte ich es für relativ wahrscheinlich, dass man sich dort vergleicht. Nachdem Facebook und StudiVZ offensichtlich seit einiger Zeit über einen Verkauf verhandeln, scheint es tatsächlich durchaus möglich, dass es sich bei der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens um eine strategische Maßnahme im Zuge der Verhandlungen handelt.
Mangels gerichtlicher Entscheidung würde sich dann auch das Risiko für weitere „Copycats“ nicht verschärfen.
Ich werde mir die Sache aber noch einmal genauer anschauen, sobald weitere Fakten – wie vor allem die Klageschrift – bekannt werden.
Sicherlich, Facebook ist nicht *das* Socialnetwork im Internet, die Idee dazu hatten sie auch nicht. Allerdings gilt es unter Insidern als bekannt, wenn nicht schon erwiesen, dass studiVZ auf der Basis von Facebook ins Leben gerufen wurde.
Viele Verzeichnispfade, Scripte und sogar Stylesheets ähnelten nicht nur den Originalen von Facebook, sondern glichen ihnen (teilweise) sogar.
Marcus Riecke, CEO von studiVZ Ltd., sagt Heise zufolge dies:
„Mit dem Versuch, StudiVZ durch die Durchführung eines Prozesses ohne Erfolgsaussichten vor einem amerikanischen Gericht zu schädigen, erhebt Facebook im Prinzip den Anspruch auf ein weltweites Monopol bei sozialen Netzwerken. Dies ist vermessen und wird sich schnell entlarven.“
So kann man es interpretieren – ist aber so nicht von Facebook beabsichtigt. Denn dieser Argumentation zufolge könnte man auch meinen, der Herr Riecke habe Anspruch auf ein solches weltweites Monopol.
Facebook beschwert sich aber nicht, so habe ich es jedenfalls verstanden, nicht über eine Verletzung der Monopolstellung (darum gehts ihnen auch vermutlich nicht in erster oder zweiter Linie), sondern es wird sich über die durchaus dreiste Aktion des Design- und Funktionenklaus beschwert.
Das finde ich persönlich insofern auch völlig in Ordnung, denn so vom Layout und der äußeren Erscheinung her ist studiVZ nicht mehr als ein Facebook in rot.
Allerdings kommt die Reaktion dazu etwas zu spät, da hätte man viel eher reagieren müssen. Jetzt, zumal das Redesign von Facebook ansteht, kräht kein Hahn und kein Huhn mehr danach und wird, so vermute ich, sang- und klanglos verschwinden.
Ob das ganze im Endeffekt etwas bewirken wird wage ich einfach mal zu bezweifeln. Ich bin jedenfalls gespannt zu welchen Schlüssen Herr Ulbricht nach genauerem befassen kommt und welche Chance er Facebook letztendlich bei der Sache einräumt.
Ich jedenfalls finde (mit Verweis auf die neuesten Entwicklungen -> http://youproll.de/blog/?p=35) das die … Read MoreLeute StudiVZ einfach mal selber nachdenken sollten, ihr grauen Zellen benutzen, vielleicht kommen sie ja dann auch einmal auf eigene Ideen.
Mittlerweile ist die Klageschrift online verfügbar:
http://docs.justia.com/cases/federal/district-courts/california/candce/5:2008cv03468/205349/1/
Grüße Malte
Unabhängig von den unterschiedlichen Rechtssystemen frage ich mich, wo Marketing aufhört. Einen Krieg um die Aufmerksamkeit von Kunden auf Gerichte auszuweiten, ist vielen Unternehmen offensichtlich ein Versuch wert. Doch solche Strategen machen sich selbst unglaubwürdig, legen sie doch ihre Kompetenzen leichtfertig aus der Hand, statt die zahlenden Kunden entscheiden zu lassen. Juristen sind keine glaubwürdigen Multiplikatoren für Produkte und Dienstleistungen.
Hans Kolpak
Jura-Weblog.de