Vor einigen Jahren hatten sich zahlreiche Unternehmen mit dem Phänomen des Domaingrabbing auseinanderzusetzen, bei dem Dritte vorrangig bekannte Unternehmens-, Marken- oder Produktnamen verschiedenster Unternehmen als Domains registriert hatten. Die Registrierung diente allein dem Zweck, den Unternehmen die jeweiligen Domains später gegen Zahlung eines „Lösegeldes“ zum Verkauf anzubieten.
Diese teilweise auch als Cybersquatting bezeichnete Entwicklung vollzieht sich derzeit mit den Namen von Benutzerkonten (nachfolgend auch Accounts) bei den bekannten Social Media Plattformen nach, die in der Regel den „Namen“ des jeweiligen Accounts darstellen und sich auch in der entsprechenden Domain wiederfinden.
Unternehmen, die eigene Aktivitäten in den Sozialen Medien planen oder auch nur verhindern wollen, dass Dritte unter dem Unternehmensnamen im Internet erscheinen, stellen bei der Recherche fest, dass der Unternehmensname bei Twitter, Facebook oder auch Youtube bereits vergeben ist. Dabei kommt dem Account- oder Benutzername bei vielen Social Media Plattformen durchaus eine namensähnliche und damit kennzeichnende Funktion zu (siehe etwa www.facebook.com/porsche oder www.twitter.com/adidas), unter dem Besucher regelmässig die jeweilige Marke oder das entsprechende Unternehmen erwarten.
In diesem Zusammenhang stellt sich oft die Frage, ob und wie man die „eigenen“ Accounts zurückholen kann.
Während in den USA zu Fragen Domaingrabbings in Form des Anticybersquatting Consumer Protection Act ein eigenes Gesetz existiert, dass unter Umständen auch für Social Media Accounts eingreift, sind in Deutschland aus juristischer Sicht etwaige namens- und markenrechtliche Ansprüche zu prüfen. Selbstverständlich gilt auch hier, das notwendige Augenmaß einzusetzen und gerade gegen unbedarfte Privatpersonen nicht unmittelbar mit kompletten rechtlichen Repertoire vorzugehen. Hier lohnt oft eine erste Kontaktaufnahme, um auf eine einverständliche Lösung hinzuwirken.
In der täglichen Praxis häufen sich allerdings die Fälle, in denen Accounts allein im Hinblick auf einen späteren Verkauf an das Unternehmen und ohne eigene Nutzungsabsicht reserviert worden sind. Bei solch bösgläubigem Account Grabbing ist es nachvollziehbar und oft auch unvermeidbar, dass betroffene Firmen – d.h. Markenrechtsinhaber ebenso wie die Inhaber von Namensrechten (z.B. Städte und Kommunen) – gegen die unrechtmäßigen Registrierung und/oder Nutzung von Social Media Accounts ermöglichen.
Der nachfolgende Beitrag erläutert die rechtlichen Hintergründe und gibt strategische Hinweise, um möglichst effektiv den „eigenen“ Account zurückzuholen.1. Ansprüche bei Account Grabbing
Tatsächlich muss man bei den Fällen des Account Grabbings jedenfalls im Hinblick auf die bekannten Plattformen wie Twitter, Facebook, Youtube usw. davon ausgehen, dass dem Accountnamen so etwas wie eine kennzeichnende Namensfunktion zukommt. Insoweit kann man davon ausgehen, dass sich die rechtlichen Grundsätze zum Domaingrabbing weitgehend übertragen lassen.
Davon ging vor Kurzem offensichtlich auch das Kammergericht Berlin aus, dass einen entsprechenden Fall zu entscheiden hatte, in dem der Markeninhaber eines Kinos gegen die Verwendung des entsprechenden Namens für Benutzerkonten bei Facebook und MySpace vorgegangen war. In dem zugrundeliegenden Urteil (Beschluss vom 01.04.2011 – Az. 5 W 71/11) waren die markenrechtlichen Ansprüche aus spezifischen anderen Gründen (dort § 23 Nr.2 MarkenG) gescheitert.
Um diese rechtswidrigen Handlungen des Accountgrabbers zu verhindern bzw. das „eigene“ Benutzerkonto zurückzufordern, bietet das Gesetz eine Vielzahl von Möglichkeiten, insbesondere namens- und /oder markenrechtliche Ansprüche gegen den Grabber.
Ein namensrechtlicher Anspruch dürfte gemäß § 12 BGB bestehen, wenn bei einem entsprechend schutzwürdigen Namen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Zuordnungsverwirrung der angesprochenen Nutzerkreise besteht oder eine solche schon erfolgt ist. Durch die Wahl des Benutzernamens des „Account-Grabbers“ muss also eine Verbindung zu einem Produkt oder Unternehmen suggeriert werden, die in Wahrheit nicht besteht. Diese Fragen stellen sich derzeit auch für einige Städte und Kommunen, die Aktivitäten in den Sozialen Medien entfalten wollen und feststellen müssen, dass „ihr“ Städtename bereits vergeben ist (vgl. die Probleme der Stadt Mannheim mit dem Account twitter.com/mannheim )
Ist die jeweilige Bezeichnung als Marke bei einem nationalen oder internationalen Markenamt eingetragen, kann sich der Inhaber der Marke nach § 14 MarkenG gegen die Gefahr von Verwechslungen schützen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die jeweilige Bezeichnung von dem Accountgrabber markenmässig verwendet wird und eine hinreichende Verwechslungsgefahr besteht. Gegebenenfalls stellen sich markenrechtliche Ansprüche oft als stärkstes Argument dar, aus dem nicht nur Unterlassung, sondern auch Auskunft, Schadenersatz und Kostenerstattung verlangt werden können.
Neben dem Namens- und Markenrecht kommen bei Vorliegen weiterer spezifischer Voraussetzungen zusätzlich auch noch folgende Anspruchsgrundlagen in Betracht. So können wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Grundlage des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingreifen, wenn der jeweilige Namen benutzt wird, um damit einen Wettbewerber an der Verwendung „seines“ Kennzeichens als Account-Name zu hindern. Da die bloß gemeinsame Benutzung des Internets dafür aber nicht ausreicht, werden weitere Indizien hinzukommen müssen, die zeigen, dass es dem Accontgrabber in besonderem Maße darum geht, den Wettbewerber zu behindern. Schließlich sind auch deliktsrechtliche Ansprüche denkbar, wenn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB dargelegt werden kann.
Die Übersicht zeigt aber bereits, dass sich in einigen Fällen Ansprüche gegen den Accountgrabber begründen lassen.
2. Strategisches Vorgehen
Von vielen Betroffenen wird übersehen, dass es nicht nur die Möglichkeit gibt, gegen den Accountgrabber selbst vorzugehen, sondern auch über den Betreiber der jeweiligen Plattform. Oft ist der Accountgrabber nicht unmittelbar zu identifizieren, was nicht nur die Kontaktaufnahme, sondern auch eine mögliche Inanspruchnahme schwierig machen kann. Der Aufwand für die Ermittlung der realen Kontaktdaten bzw. einer förmlichen Inanspruchnahme steht in diesen Fällen in keinem Verhältnis zu der Erfolgsquote.
Deshalb empfehlen wir in vielen Fällen ein Vorgehen über die jeweilige Social Media Plattform. Wenn der Accountgrabber identifiziert werden kann und nicht gerade in einem entfernten Land „sitzt“, sind natürlich auch direkte Schritte gegen diesen zu prüfen.
In Ansehung der Grundsätze über die Haftung von Rechtsverletzungen Dritter auf Social Media Plattformen, gilt für die Betreiber von Facebook, Twitter & Co der sogenannte „notice-and-takedown“ Grundsatz, der besagt, dass der Plattformbetreiber unter Umständen selbst haftbar gemacht werden kann, wenn er nach Kenntnis einer Rechtsverletzung auf der eigenen Plattform nicht tätig wird. Deshalb haben sämtliche bekannteren Plattformen Mechanismen aufgesetzt, über die Namens- oder auch Markenrechtsverletzungen den Betreibern gemeldet werden können. Auch beim Ausfüllen des Formulars sind ein paar Besonderheiten zu beachten. Sind entsprechende Rechtsverletzungen dann jedoch hinreichend dargelegt, wird der jeweilige „entführte“ Account (je nach Plattform und Umständen des Einzelfalles) gelöscht oder an den Markeninhaber übertragen. Dies hat bereits in einigen von mir betreuten Fällen – insbesondere wenn die Accounts inaktiv sind – dazu geführt, dass die von Mandanten beanspruchten Benutzerkonten in kürzester Zeit zurückgewonnen werden konnten.
In einigen Fällen führt die Kontaktaufnahme mit den Social Media Plattformen über die jeweiligen Formulare nicht zu einem schnellen Erfolg, in denen dann der „Druck“ auf den Plattformbetreiber mit anwaltlichen Schreiben erhöht werden muss. Dabei hilft dem Anwalt die Kenntnis der richtigen Stellen und der spezifischen Prozesse bei der jeweiligen Plattform.
In jedem Fall ist darauf hinzuweisen, dass das Vorgehen über Betreiber wie Youtube, Facebook oder Twitter oft deutlich schneller zum Erfolg führen und für Unternehmen geeignet erscheinen, um mögliche Reputationsschäden wegen eines möglichen Streisand-Effekteszu verhindern, weil der „unbescholtene“ Accountinhaber sofort von dem Unternehmen rechtlich in Anspruch genommen wird.
Da aber – wie obenstehend dargelegt – primär Ansprüche gegen den Accountgrabber bestehen, sollte auch diese Option – je nach den Umständen des Einzelfalles – nicht außer Acht gelassen werden. Ist der Account allein in Absicht registriert worden, das Unternehmen zu behindern oder diesen gegen ein „Lösegeld“ zu verkaufen, halte ich auch ein unmittelbares rechtliches Vorgehen (heißt Abmahnung oder Klage) für legitim. Ansonsten sollte mit Augenmaß vorgegangen werden und zunächst einmal der Dialog mit dem Accountinhaber gesucht werden.
3. Zusammenfassung und Praxishinweis
Unternehmen sollten – unabhängig davon, ob sie kurz- oder mittelfristig eigene Aktivitäten in den Sozialen Medien planen, oder auch nur verhindern wollen, dass Dritte unter „ihrem“ Namen (oder etwaiger Marken ihrer zentralen Produkte) in Social Media kommunizieren – prüfen, ob der jeweilige Namen auf den derzeit wichtigsten Plattformen wie Facebook, Twitter, Youtube u.a. vergeben ist. Gleiches gilt eigentlich für Städte und Kommunen, öffentliche Stellen, NGO´s und Interessenverbände, die sich ähnlich einer Domain den jeweiligen Account sichern wollen.
Folgendes Prozedere hat sich als sinnvoll erwiesen:
1. Um sich einen ersten Überblick über die Vergabe von Accounts mit dem eigenen Namen oder der eigenen Marke auf diversen Social Media Plattformen zu verschaffen, ist eine Prüfung mit Werkzeugen wie etwa www.namechk.com oder www.namecheck.com zu empfehlen. Bei Eingabe der jeweiligen Bezeichnung in das Suchfeld werden zahlreiche wichtige, aber auch unbedeutendere Plattformen abgeprüft. Accounts die frei sind und mittelfristig interessant sein könnten, sollten – ob einer in der Regel kostenlosen Registrierung – durch eine entsprechende Anmeldung entsprechend gesichert werden. Dadurch kann späteres Ungemach von vorne herein vermieden werden..
2. Im Nachgang ist auf Plattformen, die als relevant identifiziert werden, zu prüfen, wer und mit welcher inhaltlichen Gestaltung dieser verwendet wird. Wird der Account markenmässig oder in irreführender Art und Weise verwendet, empfehlen sich weitergehende Maßnahmen.
3. Sofern nicht offensichtlich mißbräuchliche Zwecke verfolgt werden, sollte zunächst Kontakt mit dem Accountinhaber aufgenommen werden, um eine einverständliche Lösung zu diskutieren.
4. Bei bösgläubigem Accountgrabbing oder einem Scheitern der Einigung, können namens- und markenrechtliche Ansprüche geprüft und – nach Abwägung der Umstände des Einzelfalles – weitergehende Maßnahmen gegenüber dem Accountinhaber und/oder über die jeweilige Social Media Plattform eingeleitet werden.
5. Führen außergerichtliche Maßnahmen, d.h. Anschreiben/Abmahnung gegenüber dem Accountinhaber bzw. die Beschwerdeprozesse/anwaltliche Schreiben gegenüber dem Plattformbetreiber nicht zum Erfolg, sind als letzte Eskalationsstufe auch gerichtliche Maßnahmen denkbar. Auch insofern sollte nicht nur an ein Vorgehen gegen den Accountinhaber, sondern auch gegen den Plattformbetreiber erwogen werden. Wenn dieser nach Kenntnisnahme einer Markenverletzung nicht tätig geworden ist, bestehen auch insoweit markenrechtliche Ansprüche, die bei der Verletzung einer deutschen Marke in der Regel auch vor deutschen Gerichten geltend gemacht werden können.
In Fällen, in denen eine Namens- oder Markenrechtsverletzung eindeutig vorliegt oder sich zumindest argumentieren lässt, können Social Media Accounts ohne eine so weitreichende Eskalation „zurückgeholt“ werden. Führen eigene Maßnahmen des Unternehmens nicht zum Erfolg, hat in einigen Fällen sowohl gegenüber dem Accountinhaber als auch gegenüber verschiedenen Social Media Plattformen schon anwaltlicher Nachdruck geholfen…
Gier schafft immer wieder neues Erfindungsreichtum.
Bestrafen müsste man sowas…
Dies, passiert in letzter Zeit immer häufiger mit dubiosen Anbietern aus Asien!
Hier bekomme ich zum Beispiel regelmäßige Anfragen, ob ich an Versteigerungen teilnehmen möchte. Hat jemand Erfahrungen?
Jens
Sehr guter Beitrag zu dem ich eine Frage hätte:
In wie weit haftet ein Unternehmen für eine inoffizielle Unternehmensseite bzw. eine gegrabbte Seite, z.B. wegen fehlendem Impressum?
Wohl überhaupt nicht… Die Impressumspflicht besteht nur für tatsächlich vom Unternehmen betriebene Internetpräsenzen…
Hilfreicher Beitrag – besitze eine EU-Wortmarke. Habe bereits den unrechtmäßigen Nutzer abgemahnt. Nun ist der „Nutzer“ in die Schweiz gezogen und betreibt weiterhin ein Facebookaccount unter meiner Marke mit großer Verwechslungsgefahr. Was kann ich tun?
Wie in dem Beitrag beschrieben, haben wir sehr gute Erfahrungen mit der „Rückholung“ des Accounts über die Plattform selbst (bei Ihnen also die Facebook Ltd) gemacht. Gerade kürzlich konnten wir einem Unternehmen auf diesem Weg diverse Social Media Kanäle innerhalb weniger Tage „einholen“. Essentiell ist es dabei dem jeweiligen Betreiber die Markenverletzungen entsprechend klar darzustellen.
mit Facebook hatte ich bisher keine Schwierigkeiten. Aber bei Twitter. Wie kann es sein, dass meiner „Marke“ nur das Wort Fans angehängt wird und dadurch der Schutz hin ist? Sogar das Logo ist meins. Zusätzlich befinden sich Links auf der Seite, die zu meiner tatsächlichen Seite führen und Twitter ist der Meinung das Wort Fans macht das Markenrecht hinfällig.