Seit Monaten herrscht in der Influencer Marketing Branche Verunsicherung über die Frage, wann und wie die eigenen Beiträge bei Instagram, Youtube & Co als Werbung zu kennzeichnen sind. Aufgrund zahlreicher Abmahnungen des Verbands Sozialer Wettbewerb bzw. nachfolgender gerichtlicher Auseinandersetzungen ist zwischenzeitlich allen Beteiligten klar geworden, dass das Ausnutzen bestehender „Graubereiche“ rechtliche Folgen haben kann.
Spätestens seit dem Urteil des OLG Celle gegen die Drogeriemarktkette Rossmann ist zudem klar, dass nicht nur die Influencer, sondern auch die werbenden Unternehmen bei Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht rechtlich in Anspruch genommen werden können.
Das aktuelle Urteil des Kammergericht (Az. 5 U 83/18) vom 8.01.2019, zu dem gestern bereits die entsprechende Pressemitteilung veröffentlicht worden ist, korrigiert das „Skandalurteil“ der Vorinstanz, welches in der Branche noch mehr Verunsicherung ausgelöst hat, nun zumindest teilweise.
In dem Verfahren war die bekannte Influencerin Vreni Frost in Berufung gegangen, nachdem das LG Berlin entschieden hatte, dass sie grundsätzlich auch dann als Werbung kennzeichnen muss, wenn sie Produkte nachweislich selbst gekauft hat und von der jeweiligen Marke auch keine Gegenleistung erhält.
A. Rechtliche Grundlagen zur Werbekennzeichnung im Influencer Marketing
Aus den bisherigen Gerichtsentscheidungen folgt, dass eine Kennzeichnungspflicht immer dann besteht, wenn der Influencer ein kommerzielles Interesse verfolgt. Das ist immer dann anzunehmen, wenn der Beitrag den eigenen oder fremden Waren- oder Dienstleistungsabsatz fördert.
Gemäß § 5a UWG, § 6 TMG und § 58 RStV muss der werbliche Hintergrund eines Postings dann grundsätzlich auch in Sozialen Medien erkennbar sein.
Wenn ein Influencer für sein Posting eine Gegenleistung (wie z.B. Honorar, Produktgeschenk, Reise) erhält oder Inhalte „vorgeschrieben“ bekommt, so ist grundsätzlich von einem Werbebeitrag und damit von einer Kennzeichnungspflicht auszugehen.
Wenn eine Kennzeichnungspflicht besteht, muss der Beitrag so gekennzeichnet sein, dass ein durchschnittlich informierter Nutzer des angesprochenen Verbraucherkreises, also z.B. ein durchschnittlicher Instagram-Nutzer, den kommerziellen Zweck zweifelsfrei erkennt. Ist dies nicht gewährleistet, ist von rechtswidriger Schleichwerbung auszugehen, die von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden (wie z.B. dem derzeit sehr aktiven Verband Sozialer Wettbewerb) kostenpflichtig abgemahnt werden kann.
Soweit sich der werblich Zweck also nicht zweifelsfrei aus den Umständen des Postings ergibt, war nach der Rechtsprechung eben von einer Kennzeichnungspflicht auszugehen.
B. Das „Skandalurteil“ des LG Berlin gegen Vreni Frost
Nachdem die oben stehenden Grundlagen noch gut verständlich und auch umsetzbar waren, hat das Urteil des Landgericht Berlin (Az. 52 O 101/18) vom 24.05.2018 gegen Vreni Frost dann große Verunsicherung ausgelöst Die nachfolgende Berichterstattung hat dann dazu geführt, dass manche Influencer jede Nennung einer fremden Marke oder Abbildung eines fremden Produktes einfach immer mit #Werbung bzw. mit #Werbung_unbezahlt gekennzeichnet haben.
In dem Urteil hatten die Berliner Richter nämlich festgestellt, dass Influencer mit einer nicht nur unerheblichen Anzahl von Followern mit einem Link auf einen Hersteller oder sogar Shops, auf denen die präsentierten Produkte käuflich zu erwerben sind auch dann den fremden Warenabsatz fördern würden, wenn dieser keine Gegenleistung oder anderen Anreiz erhalte.
Diese aus – meiner Sicht falsche – generelle Annahme würde tatsächlich dazu führen, dass Influencer mit einer „nicht nur unerheblichen Followerzahl“ Produkte tatsächlich nicht mehr nennen oder Produktfotos posten könnten, ohne von einer Kennzeichnungspflicht auszugehen.
Der Vergleich mit Modemagazinen, in denen in redaktionellen Beiträgen natürlich auch Marken und Produkte genannt werden können, ohne das von einer kennzeichnungspflichtigen Werbung ausgegangen würde, zeigt, dass das Urteil des LG Berlin tatsächlich eine nicht zu begründende Benachteiligung von Influencern bedeuten würde.
Vreni Frost ist also nachvollziehbarerweise in Berufung gegangen…
B. Das aktuelle Urteil des Kammergericht zur Abgrenzung redaktioneller Beiträge und Werbung
In dem aktuellen Urteil des Kammergericht (Az. 5 U 83/18) vom 8.01.2019 haben die Richter nun entschieden, dass man allein von der Zahl der Follower nicht darauf schließen kann, dass jede Form von Produktnennung als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen ist.
Die Pressemeldung des Gerichtes vom 23.01.2019 führt hierzu aus:
Zu prüfen seien vielmehr stets der konkrete Inhalt und die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stünden, würden nicht dem UWG unterfallen.
Damit kommt es auch im Bereich des Influencermarketing entscheidend auf den Inhalt und die Zwecke des konkreten Posts an.
Aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit als Influencerin kann sich Vreni Frost nach Ansicht der Richter auch bei unbezahlten Beiträgen nicht generell darauf berufen, zu privaten Zwecken zu posten. Soweit von ihr gesetzte Links mit Weiterleitungen zu Instagram-Accounts anderer Unternehmen aufrund ihres Inhaltes geeignet seien, den Absatz der von diesen Unternehmern angebotenen Waren zu fördern, seien diese auch als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen.
Nach Ansicht des Kammergerichts wären zwei der drei beanstandeten Posts insoweit zu kennzeichnen gewesen, weil diese nach dem Inhalt allein den Zweck hatten, die Neugier der Follower zu wecken und sie zum Klicken des Links zu dem Produktanbieter zu bringen. Diese Posts können unter https://www.instagram.com/p/Bgg9cWRnMzc/ bzw. unter https://www.instagram.com/p/BgPCX03nnZW/ einsgesehen werden. Diesbezüglich hat Vreni Frost die Berufung also verloren.
Der dritte Post (siehe https://www.instagram.com/p/BgTRLkmnibM/) hatte nach Auffassung des Gerichtes hingegen den Zweck die Follower auf „die interessante Aufmachung“ der Influencerin „mit bestimmten Kleidungsstücken und Accessoires aufmerksam zu machen“. Dieser Beitrag sei deshalb als redaktioneller Beitrag zu werten, der primär der Information und Meinungsbildung diene und eben nicht kommerziellen Interessen. Da Berichte über Modetrends nicht weniger schützenswert seien als Berichte über gesellschafts- und tagespolitische Themen, sei ein solcher redaktioneller Beitrag nicht kennzeichnungspflichtig. Insoweit wurde die Berufung von Vreni Frost also für begründet gehalten.
Bei der Frage, ob Produkt- oder Markenhinweise in einem Social Media Post als (noch) redaktioneller Beitrag gewertet werden können, stellt das Gericht wohl auch darauf ab. ob diese Hinweise durch den Inhalt des Beitrages „gerechtfertigt“ können oder nicht. Macht der Markenhinweis also im inhaltlichen Kontext Sinn spricht dies eher für einen redaktionellen Beitrg. Ist es nur „plumpe Verkaufe“ oder steht der Marken- oder Produkthinweis in keinem Kontext zu dem Inhalt, wird diesr eher als kennzeichnungspflichtige Werbung gewertet werden müssen.
Das Urteil ist also allenfalls ein Teilerfolg…
C. Resümee zur Kennzeichnungspflicht im Influencer Marketing
Das Urteil des Kammergericht bringt ein wenig mehr Licht in die bestehende Verwirrung um die Kennzeichnungspflicht im Influencermarketing.
Auch wenn die Abgrenzung zwischen einem redaktionellen Beitrag und „Werbung“ im Einzelfall nicht immer einfach werden dürfte, kann man doch folgende Feststellungen zusammenfassen:
- Wenn der Influencer eine Gegenleistung (z.B. ein Honorar, Produktgeschenk o.ä.) erhält oder die inhaltliche Gestaltung von Posts vorgegeben wird, so ist stets von kennzeichnungspflichtiger Werbung auszugehen.
- Erhält der Influencer keine Gegenleistung kommt es bei Influencern unter Zugrundelegung des Inhaltes und erkennbaren Zweckes darauf an, ob der Post primär der Information und Meinungsbildung dient oder kommerziellen Interessen.
- Dient der Beitrag der Information und Meinungsbildung ist (auch bei reichweitenstarken Influencern) von einem redaktionellen Beitrag auszugehen, der nicht als Werbung gekennzeichnet werden muss.
- Dient der Beitrag eher kommerziellen Zwecken, ist dieser (zumindest bei Influencern, die gewerblich tätig sind) als Werbung zu kennzeichnen.
Auch nach dem Urteil des Kammergericht, welches das „Skandalurteil“ des LG Berlin etwas korrigiert, wird es aufgrund der differenzierten Abgrenzung zwischen redaktionellem Beitrag und Werbung aber sicher noch einige Diskussionen und Rechtsstreite rund um die Kennzeichnungspflicht im Influencer Marketing geben.
Da zu dem Urteil des Kammergerichts bisher nur die Pressemitteilung öffentlich ist, bleibt die Hoffnung, dass vielleicht die genauen Urteilsgründe noch etwas mehr Klarheit verschaffen…
[…] RA Dr. Carsten Ulbricht fasst den Stand der Rechtsprechung mit folgenden Feststellungen zusammen: […]