Wie eine Vielzahl von Erfolgsstories und verschiedene Erfahrungsberichte zeigen, ist der Zug Enterprise 2.0 nicht nur schon lange unterwegs, sondern hat sich für viele Unternehmen als hervoragendes Kommunikationsmedium erwiesen und als Konzept, um Wissen im Unternehmen festzuhalten und kollaborativ weiterzuentwickeln.
Da dieses Thema insbesondere im Hinblick auf das Abhängigkeitsverhältnis der Arbeitnehmer auch mit einigen rechtlichen Implikationen verknüpft ist, folgt im Rahmen meiner Beitragsreihe „Enterprise 2.0 & Recht“ nach Darstellung der datenschutzrechtlichen Einflüsse nun der angekündigte Artikel, der sich mit dem Urheberrecht befasst.
Relevant sind nachfolgend insbesondere die Fragen nach dem „Eigentum“ an den Inhalten und dem eingestellten „Wissen“, Rahmenbedingungen die das Unternehmen für Inhalte zum Beispiel in einem unternehmensinternen Wiki setzen sollte und die Zulässigkeit von Mitarbeiterfotos im Intranet.
Die Beitragsreihe wird dann nächste Woche schließen mit dem Thema Arbeitsrecht und den Einflüssen des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Integration solcher Enterprise 2.0 Anwendungen im Unternehmen.
2. Urheberrechtliche Einflüsse
a) „Eigentum“ an den Inhalten
Eine wichtige Frage, die im Zusammenhang mit Wikis, Weblogs oder anderen internen Foren auftritt, immer wieder auftritt ist: Wem „gehören“ eigentlich die Inhalte ?
Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) sieht vor, dass derjenige, der Inhalte erstellt auch grundsätzlich über die Nutzung entscheiden können soll. Dies gilt für alle Arten von Inhalten wie Texten (die notwendige Schöpfungshöhe vorausgesetzt), Bildern, Audio- und Musikbeiträgen wie auch Videos.
Darf also der Mitarbeiter, der den jeweiligen Wiki-Beitrag eingestellt hat, im Falle seines Ausscheidens die Löschung „seiner“ Inhalte verlangen ?
Dies hätte zweifelsohne weitreichende Folgen und würde den Inhaltsbestand eines internen Wikis ständig in Frage stellen.
Im Verhältnis zwischen dem Unternehmen und dem z.B. einen Text einstellenden Arbeitnehmer ist dies oft nicht ganz so problematisch, da die Nutzungsrechte an den Arbeitsergebnissen grundsätzlich schon per Gesetz insoweit eingeräumt werden (müssen), wenn und soweit das jeweilige Werk in Erfüllung der Verpflichtungen aus dem jeweiligen Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen worden ist (§ 31 Abs.5 iVm. § 43 UrhG). In Anwendung dieser Regelung stehen also (auch) dem arbeitgebenden Unternehmen die Nutzungsrechte an den Inhalten zu, die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses und im Zusammenhang mit dem jeweiligen Funktionsbereich erstellt worden sind. Insoweit ändert also auch ein Ausscheiden oder der ausdrückliche Widerspruch eines Mitarbeiters an der Nutzung der Inhalte nichts.
Es ist aber eine Vielzahl von Konstellationen denkbar, bei denen es um Inhalte geht die aus dem Anwendungsbereich der oben genannten gesetzlichen Regelung fallen, wie z.B. bei vor Beginn des Arbeitsvertrages, außerhalb der Arbeitszeit oder außerhalb des eigentlichen Funktionsbereiches erstellten Werken. Oder solche die eben nicht für die betriebliche Auswertung erforderlich sind.
Mit diesen Unwägbarkeiten haben sich nur diejenigen Unternehmen auseinanderzusetzen, die diesbezüglich keine klaren „Spielregeln“ aufstellen.
Bei der Integration einer Enterprise 2.0 Anwendung ist daher dringend zu raten, eine entsprechende Regelung bezüglich Nutzungsrechte – wenn möglich – im Arbeitsvertrag zu regeln oder eben zumindest in den Nutzungsbedingungen der jeweiligen Intranetanwendung.
b) Regeln für das Einstellen von Beiträgen
Eine professionelle und rechtssicher Enterprise 2.0 Anwendung sollte Nutzungsbedingungen vorsehen, die dem Arbeitgeber ausdrücklich die einfachen aber zeitlich unbeschränkten Lizenzrechte an den von den Arbeitnehmern eingestellten Inhalten einräumen. So kann der Arbeitnehmer die Inhalte natürlich auch selbst weiter nutzen, es ist zusätzlich aber sichergestellt, dass die Informationen nach seinem Ausscheiden (selbst wenn dieser dann die Löschung verlangt) in dem Wiki oder einer anderen Anwendung eingestellt bleiben.
Ein internes Wiki bietet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Neben der Erreichbarkeit von internem Know-How zu bestimmten Themen (Vertriebs-Wiki, Qualitätsmanagement-Wiki, Rechts-Wiki usw) kann dieses auch als Zusammenfassung von Presse-Clippings oder auch einfach als Information über den Unternehmensstandort z.b. mit etwaigen Freizeitaktivitäten dienen.
Bei all diesen Themen sollte darüber aufgeklärt werden, dass die eingestellten Beiträge (aber auch andere Inhalte wie Bilder) keine Rechte Dritter verletzen dürfen. Wie oben erläutert, steht die Vervielfältigung von Inhalten zunächst einmal nur dem Urheber zu. Werden also Inhalte in das Wiki eingestellt, die der Einstellende aus dem Internet oder anderen Quellen hat, so wird auch der Upload dieser Inhalte in aller Regel die Rechte der eigentlich Urheberrechtsinhaber verletzen. So kann auch die weit verbreitete Veröffentlichung von Presseclippings über das Intranet bei Überschreitung der gerichtlich festgestellten Grenzen gegen die Rechte der entsprechenden Zeitungsverlage verstossen. Die Unternehmensführung sollte sich bewußt sein, dass das Intranet zwar häufig eine geschlossene Plattform ist, dort aber dennoch die urheberrechtlichen Grundsätze anzuwenden sind.
Duldet die Unternehmensführung im Rahmen dieser Infrastruktur regelmässige Urheberrechtsverletzungen oder handelt nicht, obwohl sie davon Kenntnis erlangt, ist (unter Heranziehung der Grundsätze der sogenannten Mitstörerhaftung) mehr als wahrscheinlich, dass bei entsprechender Untätigkeit auch das Unternehmen für die Urheberrechtsverletzungen der eigenen Mitarbeiter in Anspruch genommen werden kann.
Insoweit ist zu empfehlen, in den Nutzungsbedingungen des eigenen Intranets ganz klar zu kommunizieren, welche Arten von Inhalten erlaubt sind und welche nicht und für den Fall der Fälle ein Reportingsystem aufzusetzen, über das (vermeintliche) Rechtsverletzungen gemeldet werden können, um diese gegebenenfalls auch unmittelbar löschen zu können.
c) Sonderproblem: Recht am eigenen Bild
Eine Frage, eigentlich keine urheberrechtliche Reelvanz hat, aber regelmäßig im Zusammenhang mit firmeninternen Networks, wie aber auch bei den häufig eingesetzten Yellow Pages auftritt, ist die Zulässigkeit der Verwendung von Bildern der Arbeitnehmer.
Während interne Yellow Pages mit Bildern des jeweiligen Ansprechpartners einfach freundlicher wirken, ist die Intergation entsprechender Fotos bei sogenannten Social Networks eigentlich unerläßlich.
Nachdem die rein datenschutzrechtliche Beurteilung solcher unternehmensinterner Yellow Pages ja bereits erläutert worden ist, stellt sich also nun die Frage, ob das Unternehmen – unabhängig von der Zustimmung der Arbeitnehmer – entsprechende Bilder in das firmeninterne Network oder das Adress- oder Telefonverzeichnis integrieren darf?
Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es entscheidend auf das sogenannte Recht am eigenen Bild an. Wurde das Recht am eigenen Bild durch eine unbefugte Veröffentlichung verletzt, kann der Betroffene einen Unterlassungsanspruch geltend machen, um die Erstveröffentlichung des Bildes oder eine wiederholte Veröffentlichung zu verhindern. Die Zulässigkeit einer solchen Publikation kann (zumindest ohne Zustimmung) wohl nur angenommen werden, wenn dies über die Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt werden kann.
Das Landesamt für Datenschutz in der Regierung von Mittelfranken führt hierzu in seinem 3. Bericht aus dem Jahr 2008 aus:
Eine Zulässigkeit ergibt sich auch nicht aus § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG. Es ist schon zweifelhaft, ob die Veröffentlichung des Bildes eines Mitarbeiters im Intranet zur Wahrung eines berechtigten Interesses des Unternehmens erforderlich ist und ob die Argumentation des Unternehmens, man wolle letztlich das Zusammengehörigkeitsgefühl er Belegschaft stärken, dafür ausreicht. Auf jeden Fall überwiegt jedoch das schutzwürdige Interesse vieler Mitarbeiter daran, dass sehr persönliche Merkmale, die sie auf einem Foto verzeichnet sind, einem größeren, dem Betroffenen wohl weitgehend unbekannten Personenkreis nicht übermittelt werden. Als Rechtfertigung für die Bildveröffentlichung kommt somit nur eine Einwilligung der Arbeitnehmer in Betracht. Allerdings ist die Wirksamkeit von Einwilligungen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen problematisch, weil es dort oft an der erforderlichen freien Entscheidung eines Arbeitnehmers fehlt. Die Autorität des Arbeitgebers und der Gruppendruck innerhalb der Belegschaft können die Freiwilligkeit einer Einwilligung eines Arbeitnehmers beeinträchtigen.
Nach dieser Auffassung soll die Veröffentlichung von Bildern der Mitarbeiter also nicht über ein berechtigtes Interesse des Unternehmens gerechtfertigt werden können, da auch die Publikation der Bilder im Intranet nicht der Zweckbestimmung des Arbeitsvertragsverhältnisses diene. Weiter wird ausgeführt, dass schutzwürdige Interessen vieler Mitarbeiter überwiegen, wenn und soweit Bilder einem weitgehend unbekannten Personenkreis übermittelt werden. An diesem Kriterium ist bereits zu erkennen, dass die Zulässigkeit der Veröffentlichung entsprechender Daten und Bilder auch die Größe des Unternehmens und damit der potentielle Kreis derer, die die Daten und Bilder einsehen können, von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Das kleine mittelständische Unternehmen wird es hier wohl leichter haben, Daten ohne Zustimmung ins Intranet zu stellen als der weltweit tätige Konzern.
Diese Interpretation gibt auch tatsächlich die aktuell überwiegende Rechtsmeinung wieder. Aus meiner Sicht wird sich in diesem Bereich aber in nicht allzu ferner Zukunft auch in der Rechtsprechung einiges tun. Die Enterprise 2.0 Tools eröffnen völlig neue Möglichkeiten, die in einigen Bereichen ein Umdenken erfordern.
Im Interesse der Akzeptanz bei den Mitarbeitern sollte man aber ohnehin entweder die Zustimmung einholen oder die Veröffentlichung eines Bildes dem jeweiligen Mitarbeiter überlassen. Ein Pre-Fill und die hohe Akzeptanz die Businessnetwerke wie XING zwischenzeitlich im beruflichen Umfeld haben, wird in aller Regel dafür sorgen, dass die Mitarbeiter keine grundsätzlichen Bedenken haben und der internen Darstellung eines Mitarbeiterfotos zustimmen bzw. ein eigenes Bild einstellen.
d) Zusammenfassung zum Urheberrecht
Die Nutzungsrechte an Texten, Bildern und andere Arten von Inhalten, die der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit in eine Wiki oder ein beliebiges Intranet-Forum einstellt, stehen – jedenfalls soweit sie in Zusammenhang mit dem arbeitsvertraglichen Tätigkeitsfeld im Zusammenhang zu bringen sind – wohl häufig dem Arbeitgeber zu.
Um Streitigkeiten bei (vermeintlichen) Ausnahmen von diesem Grundsatz und Unwägbarkeiten zu vermeiden und die eigene Enterprise 2.0 Anwendung auf rechtssichere „Füsse“ zu stellen, ist zu empfehlen, Nutzungsbedingungen zu integrieren, denen der Arbeitnehmer bei erstmaliger Anmeldung zustimmt, die klar und transparent die Rechteeinräumung regeln. In diesen sollte ebenfalls über die Zulässigkeit von Inhalten allgemein aufgeklärt werden (d.h. keine Inhalte die Rechte Dritter verletzen, keine anzüglichen Inhalte etc.).
Die Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos ist ohne ausdrückliche Zustimmung unzulässig. Ausnahmen können eingreifen, wenn es sich um Berichte über (öffentliche) Unternehmensveranstaltungen handelt, auf denen Mitarbeiter fotografiert worden sind.
Siehe zu dem Thema auch den ersten Teil der Beitragsreihe „Enterprise 2.0 & Recht“:
Enterprise 2.0 & Recht – Blogs, Wikis & Social Networks im Intranet (TEIL 1 Datenschutz)
Enterprise 2.0 & Recht – Blogs, Wikis & Social Networks im Intranet (TEIL 3 Arbeitsrecht und Zusammenfassung)
Auch dieser Teil war sehr hilfreich. Leider habe die angekündigten Abstrakt über das Arbeitsrecht und die Einflüssee des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Integration solcher Enterprise 2.0 Anwendungen im Unternehmen bisher nicht gefunden. Warte also gespannt auf den dritten Teil dieser Serie.