Fake News & Recht – Pro und Contra einer gesetzlichen Regulierung

Aufgrund der vermehrten Diskussionen über die Verbreitung von Fake News in und über Soziale Netzwerke hat Facebook in einer aktuellen Pressemeldung nun angekündigt, diese unter Einbindung des Recherchebüros Correctiv nun zumindest zu kennzeichnen. Man wird sehen müssen, wie diese Kennzeichnung funktioniert und ob sich die Politik damit zufrieden gibt.

Nachdem ich in meinem letzten Beitrag „Fake News & Recht – Aktuelle Möglichkeiten gegen Urheber, Verbreiter und Soziale Netzwerke“ bereits erläutert habe, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Fällen Betroffene von Fake News schon heute gegen Urheber, Verbreiter und die Betreiber Sozialer Netzwerke rechtlich vorgehen können, möchte ich mich nun etwas näher mit den Plänen einzelner Koalitionspolitiker auseinandersetzen, die Verbreitung von Fake News weitergehend zu regulieren.

A. Ein Gesetz gegen Fake News

Fake News werden nachfolgend verstanden als

Nachrichten in Form von bewußt unwahren Tatsachenbehauptungen, die vom Urheber aus politischen oder finanziellen Gründen verbreitet werden und bei denen die Falschheit hinreichend offensichtlich ist.

Tatsachenbehauptungen betreffen per juristischer Definition nur Sachverhalte, deren Richtigkeit objektiv überprüft werden kann.

Meinungen sind davon also grundsätzlich schon nicht erfasst. Meinungsäußerungen (z.B. Angela Merkel ist für den Tod der Attentatsopfer in Berlin verantwortlich) sind sehr weitgehend von der Meinungsfreiheit des Art.5 GG geschützt und werden sich in dem Rahmen unserer Verfassung kaum weitergehend einschränken lassen können.

Man darf also davon ausgehen, dass Fake News überhaupt nur weitergehend reguliert werden können, wenn man allein von objektiv falschen Tatsachenbehauptungen ausgeht. In der Regel werden Fake News auch so verstanden, dass der Urheber Falschinformationen absichtlich im Interesse einer Meinungsmanipulation verfasst.

Exemplarisch sei hier das erfundenen Zitat einer tatsächlich nicht existierenden Grünen Politikerin namens Petra Klamm-Rothberger angeführt, die den Mord an einer Studentin verteidigt haben soll oder eine  frei erfundene Vergewaltigung, wegen der nun sogar strafrechtlich gegen den Verfasser ermittelt wird.

Fake News & Recht

Hier wird man nicht ernsthaft in Frage stellen können, dass es sich um eine bewußte Falschmeldung handelt. Der Fall zeigt zum einen, dass es also durchaus einen sinnvollen und auch noch verfassungsgemäßen Ansatz zum gesetzlichen Vorgehen gegen Fake News geben kann. Eine Notwendigkeit hierfür lässt sich auch damit begründen, dass sich per heute mangels persönlicher Betroffenheit bzw. mangels Aktivlegitimation wohl weder straf- noch zivilrechtliche Ansprüche gegen den Urheber solcher Meldungen begründen lassen. Immer dann wenn eine Falschmeldung also nicht in Persönlichkeitsrechte konkret Betroffener eingreift, gibt es derzeit kaum ein rechtliches Mittel, um dagegen vorzugehen.

Auch wenn es insoweit viele weitere Einzelfälle frei erfundener Meldungen (siehe hierzu den Versuch einer Auswertung über Falschmeldungen zu Angela Merkel) gibt, die eine weitergehende Regulierung sinnvoll erscheinen lassen, so muss man doch gleichzeitig konstatieren, dass sich die weit überwiegende Zahl von Nachrichten eben nicht so eindeutig als unwahre Falschmeldung identifizieren lassen.

Zahlreiche Meldungen verwenden Einzelheiten tatsächlicher Sachverhalte oder einzelne Zitate, verkürzen diese oder stellen sie in einen anderen Zusammenhang dar, um eigene oft politisch motivierte Ziele zu erreichen. Das Weglassen weiterer relevanter Hintergründe wird man im Lichte der Meinungs- und Pressefreiheit aber kaum gesetzlich beschränken können.

Desweiteren ist in der Rechtsprechung schon lange anerkannt, dass an Presse(-medien), die im Grundsatz bereits heute zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet sind, im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Zur Erfüllung der journalistischen Sorgfaltspflicht reicht es grundsätzlich aus, wenn in der konkreten Situation des Einzelfalls die vernünftigerweise in Betracht kommenden Recherchen in dem erforderlichen Maß durchgeführt werden. Je schwerer der persönliche Vorwurf einer Berichterstattung ist, desto größere Anforderungen werden an die journalistische Sorgfaltspflicht gestellt. Sofern die Anforderungen an journalistische Sorgfalt erfüllt sind, ist auch eine Berichterstattung, die sich später als objektiv falsch heraus stellt, grundsätzlich zulässig.

Schließlich enthalten zahlreiche Berichte neben falschen Tatsachenbehauptungen eben auch wahre Aussagen bzw. zulässige Meinungsäußerungen. In diesen Fällen können allenfalls die rechtswidrigen Aussagen, nicht aber der gesamte Bericht verboten werden.

Die oben stehenden Ausführungen zeigen bereits, wie schwierig es ist, Fake News über den bestehenden rechtlichen Rahmen hinaus in verfassungsgemäßer Art und Weise zu regulieren.

B. Aktuelle Regelungsansätze für Fake News

Neben der vereinzelt bereits diskutierten Einführung eines eigenen Straftatbestandes für die die bewußte Verbreitung von Falschmeldungen, wird alternativ die Ergänzung des Telemediengesetzes (TMG) erwogen. Erstere Maßnahme richtet sich primär gegen die eigentlichen Urheber bzw. verbreitenden Nutzer, letztere Maßnahme eher gegen die Betreiber Sozialer Netzwerke.

Während einzelne Politiker bereits  nach einer Ergänzung im Strafgesetzbuch haben oder reichlich absurde Forderungen nach Netzsperren stellen, deuten reflektiertere Überlegungen eher auf eine Änderung des TMG hin.

So wird in § 10 TMG bereits heute geregelt, unter welchen Voraussetzungen Twitter, Facebook & Co für Postings der Nutzer rechtlich verantwortlich gemacht werden können.

Wie in meinem letzten Beitrag bereits ausführlich erläutert, besteht für diese eine Löschpflicht, sobald die Betreiber Kenntnis von Rechtsverletzungen erlangt haben. Leider wird diese Verpflichtung nicht immer entsprechend umgesetzt bzw. folgt den eigenen (in der Regel US-amerikanischen) Standards. Andererseits muss man bei der Ausgestaltung der Anforderungen gegenüber Sozialen Netzwerken stets berücksichtigen, dass ihnen als Intermediär, der Dritten primär eine Kommunikationsplattform bietet, nur eingeschränkte Prüfungs- und Löschpflichten für möglichst eindeutig erkennbare Rechtsverletzungen auferlegt werden können.

Ein denkbarer Regelungsansatz wäre also, wenn man die Betreiber marktrelevanter Plattformen bei Kenntnis offensichtlich rechtswidriger, weil bewußte Falschinformationen enthaltender Nachrichten, zur Löschung verpflichtet.

Entscheidend wird dabei sein, unter welchen Voraussetzungen man von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit ausgehen kann. Sicher kann man von den Betreibern keine umfassenden Recherchen zur Richtigkeit der jeweiligen Meldung verlangen. Bezüglich der Beurteilung einer „Offensichtlichkeit“ sollten typische Funktionalitäten aus den Sozialen Medien einbezogen werden. Meldet eine große Anzahl von Nutzern aber eine solche Fake News unter Anführung eindeutiger Indizien (z.B. dass die genannte Grünen Politikerin nicht existiert), so ist die Einführung einer Löschungsverpflichtung im TMG zumindest denkbar.

C. Zusammenfassung Fake News & Recht – Pro und Contra einer gesetzlichen Regulierung

Man wird sehen, ob die Koalition sich tatsächlich durchringt, einen Gesetzesentwurf zur Regulierung von Fake News einzubringen.

Ein in Österreich im letzten Jahr abgeschafftes Gesetz gegen Falschmeldungen zeigt, dass der strafrechtliche Ansatz kaum sinnvoll erscheint. Der Paragraf, der die „Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte“ unter Strafe gestellt hatte, war in der Praxis nicht zur Anwendung gekommen. Vermutlich waren in entsprechendem Fällen die oben stehenden Probleme der Kollision mit der Meinungsfreiheit aufgetreten. In der Praxis wird eine Strafbarkeit auch oft daran scheitern, dass der Urheber nicht eindeutig identifizierbar ist oder im Ausland sitzt.

Lässt man nachvollziehbaren Bedenken gegen die Notwendigkeit einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung außer Acht, so erscheint eine Ergänzung des Telemediengesetzes als der noch sinnvollste Weg.

Denkbar wäre die Anforderungen an die Löschpflichten marktbeherrschender Sozialer Netzwerke zu erhöhen, indem man diese inhaltlich und bezüglich der jeweiligen Reaktionszeit konkretisiert. Neben den bereits mehrfach gerichtlich entschiedenen Fällen von Urheber- oder Markenrechtsverletzungen, könnte man Löschpflichten der Plattformbetreiber auch bei „offensichtlich unwahren Tatsachenbehauptungen“ und/oder ein bestimmtes Prüfprozedere vorsehen, in dem dann auch der Urheber/Verbreiter der jeweiligen Nachricht seine Sicht der Rechtslage bzw. etwaige Belege einbringen kann.

Entsprechende Gestaltungen lassen sich auch mit den aktuellen notice-and-takedown Prozeduren bzw. den Lösungsansätzen der Sozialen Netzwerke verbinden. Facebook etwa plant einen community-basierten Ansatz, nach dem die Nutzer zukünftig Hoaxes und Fake News besser melden können sollen. Meldet eine erhebliche Zahl von Nutzern einen Post als Fake News, steigen für die Betreiber der Sozialen Netzwerke aufgrund der zunehmenden Wahrscheinlichkeit einer „offensichtlich unwahren Tatsachenbehauptung“ auch die Prüfanforderungen.

Klar ist, dass es nicht leicht sein wird, ein entsprechendes System unter Berücksichtigung geltenden Rechts interessengerecht auszutarieren sind bzw. dieses teilweise auch mißbraucht werden kann.

Die Meinungsfreiheit ist und bleibt richtigerweise ein hohes Gut. Grenzfälle müssen zulässig bleiben. Bei Fake News, die bewußte und offensichtliche Falschmeldungen enthalten (z.B. politisch motivierten, frei erfundenen „Nachrichten“), erscheint es aber zumindest nachvollziehbar, genauer zu prüfen, ob man Soziale Netzwerke, deren Geschäftsmodelle auf den Nutzerinhalten basieren, nicht im Rahmen unseres Grundgesetzes stärker zur Verantwortung ziehen kann. Dabei ist fraglich, ob es dafür tatsächlich einer gesetzlichen Neuregelung von Fake News bedarf oder ob es nicht sogar ausreichen würde, Facebook & Co – z.B. mit entsprechenden Bussgeldern – dazu zu bringen, die bereits bestehenden gesetzlichen Vorgaben einschließlich des Telemediengesetzes auch tatsächlich umzusetzen.

Daneben bleibt es richtigerweise unerlässlich, die Internetnutzer zu informieren und über Fake News aufzuklären. Neben der Kennzeichnung einer nutzerbasierten „Fake News“ Wahrscheinlichkeit durch die Sozialen Netzwerke selbst, sollte erläutert werden, wie Fake News erkannt werden könnten. Bei deutlich überspitzter Darstellung sollten Quelle und Autor kritisch geprüft werden. Suchmaschinen bieten zudem zahlreiche Möglichkeiten die jeweilige Meldung inhaltlich bzw. und im zeitlichen Kontext und auch das jeweilige Bild gegenzuchecken. Darüber hinaus werden Falschmeldungen auch immer wieder von Rechercheportalen wie Mimikama oder Hoax identifizert. Diese Maßnahmen genügen in aller Regel, um eine Nachricht entsprechend einzuordnen.

Die Diskussion über Fake News zeigt wieder einmal, dass die Schaffung von Medienkompetenz im Umgang mit dem Internet und Sozialen Medien – nicht zuletzt im Interesse der Erhaltung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung – eine zentrale Aufgabe unserer Politik und Gesellschaft bleibt.

 

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Also Hauptprobleme sehe ich
    a) dass viele den Unterschied zwischen Meinungen und Nachrichten nicht verstehen (wollen). D.h. auf meine Opposition gegen Fakenews wurde auf die Meinungsfreiheit gepocht.
    b) dass auch ‚die Guten‘ davon nicht ausgenommen sind:’Hass ist keine Meinung‘ – ehm, irgendwie schon (er kann natürlich unter Volksverhetzung fallen, aber dann muss der Satz anders lauten: „Hass kann Volksverhetzung sein“ oder „Volksverhetzung ist keine Meinung“
    c) Dass ein solches Gesetz missbraucht werden kann. Sagen wir, wenn Frau P. Kanzlerin würde. Man sieht ja, was in den USA aktuell an „govenment-generated“ Verwirrung herrscht. Es muss ja ein Verfahren gar nicht gewonnen werden, es reicht (wie bei Abmahnungen), dass man die Leute ausreichend ärgert).
    d) man muss, wie du andeutest, einen genauen „Grad“ an „absichtlicher Gefälschtheit zur Gewinnerzielung oder Einflussnahme“ definieren, das halte ich für SEHR schwierig. Und es ermöglicht eben Missbrauch.
    e) Vieles ist umgehbar, ich kann aj immer schreiben „ich habe den / es entsteht der Eindruck, dass Merkel und Clinton reptiloide Aliens sind“ – und dann? Ist es ja ne Meinung, oder?

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