Das Phänomen des Domaingrabbing, also das Anmelden von Domains bekannter (Unternehmens-)namen, um diese später an das jeweilige Unternehmen bzw. den Namensinhaber verkaufen zu können, ist weitgehend bekannt. Diesbezüglich gibt es bereits eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen zu der Frage, wann die Domain vom Domaingrabber aufgrund namens- oder markenrechtlicher Ansprüche herausgegeben werden muss. In entsprechenden Fällen gibt es zwischenzeitlich einige Möglichkeiten, gegen die Domaingrabber vorzugehen.
Etwas unbekannter ist das Phänomen des Account-Grabbing, sprich das Reservieren von bekannten (Unternehmens-)namen als Accountnamen in Sozialen Netzwerken. Aufgrund zahlreicher von uns betreuter Fälle hatten wir die rechtlichen Hintergründe und Handlungsmöglichkeiten bereits in einem früheren Blogbeitrag erläutert.
Aufgrund eines aktuellen Vorfalles macht nun auch das Phänomen das „Markengrabbing“ im Internet die Runde. Über Jahre haben sich Dagi Bee und Hans Entertainment über Youtube, Facebook & Co als „Internetstars“ eine größere Fangemeinde und einen Namen gemacht. Die Reichweite, die über die genannten Medien in eine relevante junge Zielgruppe aufgebaut worden ist, wird von Unternehmen genutzt, um über diese Kanäle zu werben. Für zahlreiche „Internetstars“ folgt hieraus – je nach Bekanntheit und Reichweite – eine durchaus respektable Einkommensquelle.
Die Namen von Dagi Bee und Hans Entertainment sind zahlreichen Internetnutzern bekannt, dienen als „Accountnamen“ von Twitter, Youtube & Co und werden insoweit auch als Marke wahrgenommen. Offensichtlich haben diese Internetstars bzw. das Management versäumt, die aufgebauten Namen auch als Marke eintragen zu lassen. Nun ist ein findiger Reifenhändler aus Herbolzheim auf die Idee gekommen, die Namen „Dagi Bee“ und „Hans Entertainment“ als Marke für die Klasse 25, also für Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen anzumelden (siehe die Markenauszüge „Dagi Bee“ und „Hans Entertainment“ ).
Der Vorfall zeigt wieder einmal, dass Personen und Unternehmen, die einen Namen etablieren und als Marke aufbauen wollen, gut beraten sind, den jeweiligen Namen frühzeitig für die avisierten Waren und Dienstleistungen als Marke eintragen zu lassen, um das Risiko zu vermeiden, den Namen später eventuell aufgeben oder teuer dafür bezahlen zu müssen.
Das Internet verschärft national wie auch international den Wettbewerb um Namen und bietet – wie der aktuelle Fall – zeigt, Markengrabbern interessante „Lösegeldmodelle“. Wie ein früherer Fall zeigt, indem ein Jurastudent den Namen eines jungen Internetunternehmens unter zweifelhaften Umständen als Marke gesichert hatte, ist die Sicherung der Marke etablierten Unternehmen wie auch Startups bereits in einem frühen Stadium zu empfehlen.
In dem aktuellen Fall stellen sich einige Medien nachvollziehbarerweise die Frage, ob so etwas denn rechtmäßig sein kann bzw. ob Dagi Bee und Hans Entertainmen nun tatsächlich die Marken verloren haben.
Der nachfolgende Beitrag soll deshalb die wesentlichen markenrechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten des Vorgehens gegen fremde Marken erläutern.
I. Die Markenanmeldung
Grundsätzlich kann jeder eine nationale oder internationale Marke anmelden. So ist bei einer deutschen Marke ein entsprechender Markenantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) einzureichen, der bestimmt welches Wort oder welches Logo (sog. Wort-Bildmarke) für welche Waren und Dienstleistungen über das Markengesetz (MarkenG) geschützt werden soll. Der Markenanmelder hat über die Definition sogenannter Nizza Klassen (siehe die entsprechende Übersicht) also zu bestimmen, in welchen Bereichen die Marke geschützt werden soll. Für 3 Klassen, die in vielen Fällen ausreichen, beläuft sich die Anmeldegebühr auf lediglich 300 €. Eine Investition, die zum Schutz der eigenen Marke in jedem Falle überschaubar erscheint.
Nun hat der Reifen-Händler die Anmeldung der Wortmarken „Dagi Bee“ und „Hans Entertainment“ beantragt. Die Marken werden eingetragen, wenn diesen keines der in § 8 MarkenG definierten absoluten Schutzhindernisse entgegensteht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das DPMA nicht prüft, ob die anzumeldende Marke mit irgendwelchen bestehenden Namens- oder Markenrechten kollidiert. Das ist zur Vermeidung von späteren Kollisionsrisiken die Aufgabe des Anmelders.
Da die Namen „Dagi Bee“ und „Hans Entertainment“ weder rein beschreibend (§ 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG), noch sonstwie freihaltebedürftig (§ 8 Abs.2 Nr.2 MarkenG) sind, wird das DPMA die Marken wohl erst einmal eintragen.
II. Rechtsschutz für Dagi Bee und Hans Entertainment
Allerdings haben Dagi Bee und Hans Entertainment die Möglichkeit ihre Rechte auch nach der Eintragung noch mit Hilfe eines Widerspruches oder einem Löschungsantrag geltend machen. Im Rahmen dieser Verfahren würden die Marken gelöscht werden, wenn diesen relative Schutzhindernisse (siehe § 9 MarkenG) oder absolute Schutzhindernisse (siehe § 8 MarkenG) entgegenstehen.
1. Widerspruch wegen relativer Schutzhindernisse (§ 9 MarkenG)
Ein Widerspruch wegen relativer Schutzhindernisse kann gemäß § 42 MarkenG bis zu 3 Monaten nach der Eintragung eingelegt werden.
Relative Schutzhindernisse bestehen vorliegend nur, wenn Dagi Bee und Hans Entertainment ältere Schutzrechte darlegen könnten. Wenn keine entsprechenden Marken (früher) oder eingetragen worden sind, dürfte dies schwierig werden und ein Widerspruchsverfahren kaum Aussicht auf Erfolg haben.
2. Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse (§ 8 MarkenG)
Ein Antrag auf Löschung der Marke könnte bei Vorliegen absoluter Schutzhindernisse gestellt werden.
Als einzig wahrscheinliches absolutes Schutzhindernis könnten sich Dagi Bee bzw. Hans Entertainment auf eine bösgläubige Markenanmeldung im Sinne des § 8 Abs.2 Nr.10 MarkenG zu berufen. Dann jedoch muss eine konkrete Mißbrauchsabsicht des Reifenhändlers dargelegt werden können. Das bloße Fehlen eines Geschäftsbetriebs oder der mangelnden Benutzung allein reicht für einen Rückschluß auf die Bösgläubigkeit des Anmelders jedoch nicht aus. So kann auch eine Lizenzvergabe eine legitime Nutzung sein.
Da eine Bösgläubigkeit sich insofern oft nicht ohne weiteres darlegen lässt, ist das Vertrauen auf dieses Argument eher nicht zu empfehlen. Andere absolute Schutzhindernisse greifen vorliegend wohl auch nicht ein.
3. Löschung wegen Benutzungsmarke oder geschäftlicher Bezeichnung (§ 12 MarkenG)
§ 12 MarkenG gibt dem Inhaber von Benutzungsmarken im Sinne des § 4 Abs.2 Marken bzw. geschäftlicher Bezeichnungen im Sinne des § 5 MarkenG. Auch dies scheint bei Dagi Bee und Hans Entertainment problematisch, weil eine Benutzungsmarke (§ 4 Abs.2 MarkenG) eine erhebliche Verkehrsdurchsetzung, also Bekanntheit der Bezeichnung in den maßgeblichen Verkehrskreisen erfordert.
Dies ist bei den beiden Internetstars fraglich und nötigenfalls mit aufwändigen (und teuren) Befragungen und Gutachten zu belegen. Ob Dagi Bee und Hans Entertainment geschützte Unternehmenskennzeichen oder Werktitel (§ 5 MarkenG) darstellen, ist auch eher fraglich. Hier sind vor allem der Firmenname bzw. Titel von Druckschriften, Ton- oder Filmewerken geschützt. Allein das eigene Vermarkten unter einem Namen wird insofern wohl nicht ausreichen.
4. Löschung wegen sonstiger älterer Rechte (§ 13 MarkenG)
Als letzter Rettungsanker bleibt gegebenenfalls nur noch ein Löschungsantrag wegen des Vorliegens älterer sonstiger Rechte im Sinne des § 13 MarkenG. Denkbar wären vorliegend wohl Namensrechte im Sinne des § 12 BGB. So hatte das Landgericht München I (Urteil vom 8. 3. 2007 – 4 HK O 12806/06) die Verwendung des Namens „Schweini“ wegen Verletzung der Namensrechte des Fussballers Bastian Schweinsteiger untersagt.
Das Namensrecht scheint also grundsätzlich geeignet, erfordert aber die Darlegung bundesweiter Bekanntheit. Ob das für Dagi Bee und Hans Entertainment angenommen werden kann, scheint fraglich und wäre im Falle einer gerichtlichen Klärung ebenfalls mit einem teuren Gutachten zu belegen.
V. Resümee und Praxisempfehlungen
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Dagi Bee und Hans Entertainment zwar Rechtsschutzmöglichkeiten haben, die aber mangels eigener Markenanmeldung mit einigen Unwägbarkeiten und unter Umständen auch erheblichem wirtschaftlichem Aufwand für die Verfahrens- und Beweiskosten verbunden sind.
Dagegen wären die mit einer frühzeitigen eigenen Markenanmeldung einhergehenden Kosten gering gewesen. In den allermeisten Fällen kann für einen überschaubaren Betrag die Marke abgesichert werden. Es empfiehlt sich vor einer Markenanmeldung eine sorgfältige Recherche etwaiger identischer und ähnlicher Marken durchzuführen, um etwaige Kollisionsgefahren mit bestehenden Marken auszuschließen.
Man wird also abzuwarten haben, ob sich Dagi Bee und Hans Entertainment rechtlich zur Wehr setzen und was dabei heraus kommt. Es scheint jedenfalls nicht sinnvoll, die Markenanmeldungen des Reifenhändlers, der übrigens auch die Marken „Helene“ und „Atemlos“ anmelden will, einfach hinzunehmen.
Ansonsten sollte stets der Markenrecht geltende Prioritätsgrundsatz beachtet werden…. Sprich: wer zuerst kommt, mahlt zuerst…
Etablierten Unternehmen, Startups wie nun wohl auch Internetstars ist insofern zu empfehlen, die eigene Marke zu sichern, bevor andere es tun. Dies empfiehlt sich nicht nur aufgrund entsprechender Markengrabber, sondern auch deshalb, weil das Internet nationale wie auch internationale Märkte immer weiter zusammenwachsen lässt und der Wettbewerb um Namen und Marken dadurch erheblich enger wird.
Bei Interesse an einer Erstberatung zur Anmeldung einer deutschen oder internationalen Marke bzw. zum Vorgehen gegen fremde Marken, stehen wir für ein unverbindliches und kostenloses Gespräch telefonisch jederzeit gerne zur Verfügung.
Einige weitergehende Hinweise zur Absicherung der eigenen Marke bzw. anderer geschäftlicher Interessen entnehmen Sie auch gerne dem eingefügten Video, dass ich bezüglich der ersten Schritte von Startups für Venture.TV geführt habe.