Seit Wochen sind meine Kollegin Hubertus und ich auf diversen Veranstaltungen unterwegs, um über die anstehenden Änderungen des Verbraucherschutzrechts im Internet zu informieren. Zum 13.06.2014 sind nun die Regelungen des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in Deutschland umzusetzen. Dieses Gesetz basiert auf der EU-Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechtsrichtlinie – VRRL) und soll erstmals die vollständige Harmonisierung der Informationspflichten gegenüber Verbrauchern im Fernabsatz in allen europäischen Mitgliedsstaaten gewährleisten. Entgegen unserer ausdrücklichen Empfehlung, sich zeitnah um die Folgen zu kümmern, herrschte auf den Veranstaltungen zu Beginn des Jahres noch entspannte Zurückhaltung. Seit zirka einem Monat allerdings sehen die Betroffenen, dass man sich angesichts des näher rückenden Termins dann doch einmal um das Thema kümmern sollte. Verschärft wird der Handlungsbedarf dadurch, dass es ausdrücklich keine Übergangsfrist gibt, die Änderungen also tatsächlich in der Nacht vom 12.6.2014 auf den 13.6.2014 unmittelbar Wirkung entfalten.
Da es einige der Regelungen in sich haben und teilweise Änderungen in den jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in jedem Fall aber in der Widerrufsbelehrung erforderlich machen, sollten alle die Geschäfte im Internet machen, prüfen ob sie betroffen sind und sich nun unmittelbar auf die Umstellung am 13.6.2014 vorbereiten.
Betroffen sind sämtliche Unternehmen, die ihre Waren oder Dienstleistungen in einem Online-Shop oder andere Fernkommunikationsmittel (E-Mail, Katalog, Telefon etc.) anbieten. Betroffen sind damit auch die Anbieter von digitalen Inhalten (z.B. Dokumente, Musik, Videos etc.).
Dieser Beitrag informiert über die Neuregelungen und gibt Praxishinweise, wie die eigenen Geschäftsabläufe und Vertragsdokumente angepasst werden müssen, um die nach dem Termin drohenden Abmahnrisiken zu verhindern. Auch wenn ich kein Freund von den immer wiederkehrenden Warnungen vor Abmwahnwellen bin, muss man angesichts der Historie um zahlreichen Abmahnungen im Bereich des Widerrufsrechts davon ausgehen, dass die Anbieter, die die Änderungen nicht oder nicht richtig umsetzen, eine nicht unerhebliches Risiko eingehen, von Wettbewerbern, Wettbewerbszentralen oder „Abmahnvereinen“ rechtlich in Anspruch genommen zu werden.
A. Die wichtigsten Änderungen der Verbraucherrechte-Richtlinie
Einheitliche Widerrufsfrist
Kennzeichnend für die Vollharmoniesierung ist nun die europaweit einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen ab Erhalt der Ware. Diese Frist galt zwar in Deutschland auch bisher schon, in anderen europäischen Ländernlag sie aber teilweise bei nur 7 Tagen.
Kein „ewiges“ Widerrufsrecht mehr
Bisher hatte der Verbraucher in Deutschland ein zeitlichunbegrenztes Widerrufsrecht, für den Fall, dass er vom Unternehmer gar nicht, oder aber nur unzureichend über sein Widerrufsrecht belehrt worden war. Dieses „ewige“ Widerrufsrecht entfällt nun. Selbst im Falle einer unterlassenen oder fehlerhaften Belehrung muss der Verbraucher innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf der ursprünglichen 14-tägigen Widerrufsfrist aktiv werden,oder sein Widerrufsrecht erlischt endgültig.
Musterformular für Widerruf
Während der Widerruf bisher in Schrift- oder Textform erklärt werden musste, oder eine Ersatzhandlung, wie das Zurücksenden der Ware ausreichend war, muss der Unternehmer dem Verbraucher nun einen Mustertext zur Erklärung des Widerrufs zur Verfügung stellen. Der Verbraucher indes ist nicht gehalten, dieses Muster auch zu verwenden, er muss aber – im Unterschied zur bisherigen Rechtslage – seinen Widerspruch ausdrücklich (schriftlich oder mündlich) erklären. Ein telefonisch erklärter Widerruf wird daher zukünftigausreichen, im Gegensatz zum kommentarlosenZurücksenden der Ware.
Kosten der Rücksendung
Lange dauerte die Diskussion um die Kosten für die Rücksendung der Ware (40-Euro-Klausel). Mit der Neuregelung hat sie sich nun – hoffentlich endgültig – erledigt. Während dem Verbraucher bisher die Kosten für eine Rücksendung nur auferlegt werden durften, wenn der Preis der zurück zu sendenden Ware nicht mehr als 40 € betrug, kann der Unternehmer vomVerbraucher nun unabhängig vom Warenwert die Kosten der Rücksendung verlangen. Voraussetzung ist aber stets, dass der Unternehmer den Verbraucher auch über diesen Umstand informiert hat.
Das Rückgaberecht
Schließlich hat sich der Gesetzgeber für die ersatzlose Streichung des Rückgaberechts entschieden. Damit entfällt auch die bis dahin vorzunehmende Differenzierung zwischen Rückgabebelehrung und Widerrufsbelehrung.
Zurückbehaltungsrecht
Auch kann nun nur noch der Unternehmer die Rückerstattung des Kaufpreises verweigern, bis er die Ware zurück erhalten hat, oder ihm der Verbraucherzumindest die Rücksendung der Ware nachgewiesen hat.
Momentan steht ein solches Zurückbehaltungsrechtsowohl dem Unternehmer, als auch dem Verbraucher zu. Kann aber der Unternehmer die Rückerstattung des Kaufpreises verweigern, bis er die Ware zurück erhalten hat und zugleich der Verbraucher die Rücksendung der Ware, bis zur Rückerstattung des Kaufpreises, somündet dies bisher häufig in einer klassischePattsituation. Eine missliche Lage, die der Gesetzgeber nun klar zugunsten des Unternehmers geregelt hat.
Neue Musterwiderrufsbelehrung
Natürlich kommt auch die Neuregelung nicht ohne eine neue Musterwiderrufsbelehrung aus, gespickt mit den üblichen Ergänzungs- und Gestaltungshinweisen. Die haben es diese Mal allerdings mehr als in sich:
Wer die Gestaltungshinweise liest, sieht sich schnell mit dem Problem konfrontiert, dass es in den allermeisten Fällen eine einheitliche Widerrufsbelehrung, die sämtliche Konstellationen des eigenen Online-Shops abdeckt, nicht geben kann. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen, die der Gesetzgeber insbesondere an den Beginn der Widerrufsfrist und an die Belehrung über die Kosten der Rücksendung stellt.
Beginn der Widerrufsfrist
So beginnt die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht mehr mit der Belehrung über das Widerrufsrecht zu laufen, sondern mit der Inbesitznahme der Ware. Nun, diese Änderung allein stellt den Unternehmer noch vor keine große Herausforderung. Der Gesetzgeber differenziert in den Gestaltungshinweisen jedoch zudem danach, ob
- eine oder mehrere Waren bestellt werden, die ineiner Lieferungen verschickt werden,
- mehrere Waren bestellt werden, die in mehrerenLieferungen verschickt werden, oder
- eine Ware bestellt wird, die in mehreren Teillieferungen verschickt wird
und sieht je nach Konstellation eine – wenn auch nur leicht unterschiedliche – Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung vor.
Der Unternehmer wird dadurch gezwungen, die Widerrufsbelehrung für jede Bestellung gesondert anzupassen, abhängig davon, wie genauverschickt wird. Eine einheitliche Widerrufsbelehrung, die wie bisher an prominenter Stelle des Online-Shops platziert werden kann und die für alle denkbaren Fälleeingreift, gibt es nicht mehr!
Unklar bleibt zudem, wie die Widerrufsbelehrung in Kombinationsfällen auszugestalten ist. So kann durchaus der Fall vorkommen, dass mehrere Waren bestellt werden, wovon eine Ware in mehrerenTeillieferungen verschickt wird, die restlichen Artikel aber gemeinsam (Kombination aus den vorgenannten Spiegelstrichen 2 und 3). Eine Aneinanderreihung mehrerer Gestaltungshinweise ist ausweislich des Gesetzestextes jedoch nicht erlaubt.
Kosten der Rücksendung
Ähnlich stellt sich die Sachlage bei den Rücksendekosten dar. Hier sieht der Gesetzgeber unterschiedliche Gestaltungshinweise für paketversandfähige und nicht-paketversandfähige Waren vor, hat wohl aber auch hier nicht den Fall bedacht, dass in einem Online-Shop durchaus beideWarengattungen nebeneinander vorkommen können. Eine einzige Widerrufsbelehrung für alle denkbaren Fälle kann also auch hier nicht erstellt werden.
B. Widerrufsrecht beim Verkauf digitaler Inhalte
Die dargestellten Änderungen gelten ausdrücklich auch beim Angebot digitaler Inhalte. Nach der Definition des § 312 f Absatz 3 BGB n.F. sind dies alle „nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden“. Damit sind sämtliche kostenpflichtigen Angebote von Computerprogrammen, Anwendungen (Apps), Spielen, Musik, Videos oder Texte betroffen.
Bisher waren diese Inhalte aufgrund ihrer Beschaffenheit in vielen Fällen vom Widerruf ausgeschlossen. Ab 13.6.2014 steht den Verbrauchern aber nun auch beim Kauf digitaler Inhalte auf nichtkörperlichen Datenträgern ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
Die Widerrufsfrist beginnt bei digitalen Inhalten auf körperlichen Datenträgern (z.B. CD) entsprechend der oben dargestellten Regelungen mit (Aus-)lieferung der „Sache“, wird der Inhalt auf nicht körperlichem Datenträger zur Verfügung gestellt (z.B. Download) mit Vertragsschluss.
Nach § 356 Abs.5 BGB n.F. kann der Online-Händler das eingeräumte Widerrufsrecht bei nicht-körperlichen Datenträgern jedoch durch bestimmte gesetzlich vorgegebene Maßnahmen wieder zum Erlöschen bringen. Danach erlischt das Widerrufsrecht, wenn der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung des Vertrages beginnt und seine Kenntnis bestätigt, dass er durch seine entsprechende Zustimmung auch sein Widerrufsrecht verliert.
Anbieter digitaler Inhalte sind nach Art. 246 a § 1 Nr. 1 Nr. 14 und Nr. 15 EGBGB n. F. überdies verpflichtet, den Verbraucher „über die Funktionsweise digitaler Inhalte sowie über wesentliche Beschränkungen der Inoperabilität und der Kompatibilität der digitaler Inhalte mit Hard- und Software, sowie diese Beschränkungen dem Unternehmen bekannt sein oder bekannt sein müssen“ in klarer und verständlicher Art und Weise aufzuklären.
Da der Anbieter von digitalen Inhalten im Falle des Widerrufes – im Gegensatz zu „normalen“ Waren – keinen wiederverkaufbaren Wert zurück erlangt und der Widerruf solch digitaler Güter in Anbetracht der einfachen Reproduzierbarkeit natürlich auch für den Verbraucher durchaus häufiger werden wird, ist den Anbietern von Computerprogrammen, Apps, Spielen, Musik, Videos und Texten zu raten, die Regeln zeitnah umzusetzen.
C. Zusammenfassung und Checkliste zur Verbraucherrechterichtlinie-Richtlinie
Die Umsetzung der oben zusammengefassten Änderungen sind bei entsprechender Auseinandersetzung mit den Gestaltungshinweisen machbar, Betroffene sollten sich aber nun unmittelbar darum kümmern. Brisanz erfährt diese Gesetzesnovelle dadurch, dass die zuvor dargestellten Neuregelungen – wie gesagt – zum 13. Juni 2014 ohne Übergangsfrist in Kraft treten werden. Der Unternehmer sieht sich daher nicht nur in der misslichen Lage, mit diesem wenig praktikablen und anwenderfreundlichen Muster umgehen zu müssen, sondern ist zudem noch gezwungen, seine Geschäftsabläufe und Vertragsdokumente auf den Tag genau anzupassen.
Insofern ist Anbietern, die wegen ihres Angebotes über Fernkommunikationsmittel in den Anwendungsbereich der neuen Verbraucherschutzvorschriften fallen, dringend zu raten, sich um die anstehenden Änderungen zu kümmern und die notwendigen Anpassungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Widerrufsbelehrung vorzunehmen. Helfen kann hier die spezifisch erstellte Checkliste zur Verbraucherrechte-Richtlinie, die wir zur Abfrage bei unseren Mandanten vorbereitet haben.
Nachdem wir in den letzten Wochen einige der anstehenden Konstellationen bearbeitet haben, stehen wir für etwaigen Unterstützungsbedarf natürlich gerne zur Verfügung. Gegebenenfalls wenden Sie sich gerne – zunächst einmal natürlich entsprechend unverbindlich – an meine Kollegin Rechtsanwältin Hubertus (Tel. 0711 / 23 84 95 – 332 E-Mail: jh@bartsch-rechtsanwaelte.de). Aufgrund unserer Erfahrung mit verschiedenen Internetanbietern von Waren, Dienstleistungen und digitalen Gütern sind wir in der Lage, entsprechende Anfragen sehr effektiv zu bearbeiten. Gerne helfen wir auch bei international ausgerichteten Angeboten, die die Rechtslage in unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen zu bewerkstelligen haben.