Das sogenannte Web 2.0 mit all den Social Communities und den diversen User Generated Content Plattformen hat nicht nur in der Internetgemeinde, sondern seit längerem auch in der Werbeindustrie Einzug gehalten und als bidirektionales Medium neue Möglichkeiten eröffnet.
Die Einbindung und Aktivierung der User in Werbekampagnen kann dafür sorgen, dass Werbebotschaften nicht mehr nur über die üblichen Kanäle wie TV, Radio oder Internetseiten des Anbieters an den Konsumenten gebracht werden können, sondern nun auch die Konsumenten selbst zur Verbreitern der jeweiligen Information gemacht werden können. So können nun die sozialen und andere Medien genutzt werden, um über diese Multiplikatoren eine entsprechende Aufmerksamkeit auf Marken, Kampagnen und Produkte zu lenken.
Diese Werbeform des „Viralen Marketings“ (siehe hier auch die einführende Artikelserie beim Handelsblatt) – als moderne Ausprägung des Empfehlungsmarketings – gehört nicht nur in das Portfolio der meisten (Internet-)werbeagenturen, sondern hat ganz neue Geschäftszweige eröffnet. Beispielhaft zu nennen sind hier sogenannte Seeding Agenturen, die so für das erste „Sähen“ einer Werbebotschaft sorgen sollen, dass möglichst viele Multiplikatoren diese aufnehmen und weitertragen, damit sie diese sich dann epidemisch – also gleich einem Virus – ausbreiten kann.
Doch wo sind die rechtlichen Grenzen dieser Einbindung der Nutzer in die eigene Absatzförderung. Auch wen ich selbst grosser Anhänger dieser neuen Möglichkeiten bin, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es auch für diese Werbeformen rechtliche Grenzen gibt (ja sogar geben muss).
Kritische Stimmen bringen unter anderem vor, dass die Nutzer hierbei einfach nur „instrumentalisiert“ werden, um gezielt private Kommunikation mit entsprechenden Werbebotschaften zu verknüpfen. Außerdem trete der Werbecharakter bewusst in den Hintergrund oder werde sogar gänzlich verschleiert. Der Konsument könne so nicht mehr differenzieren zwischen redaktionellen oder meinungsbildenden Inhalten und den Werbebotschaften.
Während das bei der Verbreitung von viralen Videos aus meiner Sicht nicht ganz so kritisch zu betrachten ist, stellen sich bei der Einbindung von Internetnutzern zur Gewinnung neuer Adressdaten über sogenannte E-Cards oder Tell-A-Friendfunktionen schon einige rechtliche Fragen. Es ist zwischenzeitlich Gang und Gebe, dass man Besucher der eigenen Seite über entsprechende Funktionen oder ganzen Kampagnen dazu animiert, Freunde und Bekannte „mit ins Boot“ zu holen und so auch ohne deren eigentlich erforderliche Zustimmung (Opt-In) mit entsprechenden Werbebotschaften zu versorgen. Über die so generierte Gewinnung personenbezogener Daten und die nachfolgende Weiterverwertung kann man im Zeitalter des Spams schon diskutieren.
In jedem Fall sollten sowohl die Werbeagenturen also auch die werbenden Unternehmen – neben ein paar elementaren Grundregeln – selbst den rechtlichen Rahmen kennen, in dem sich solche Aktionen abspielen, um zu verhindern, dass sich die jeweilige Kampagne nicht nur in einer rechtlichen Grauzone abspielt, sondern möglicherweise schon im dunkelgrauen Bereich.
Mit dem nachfolgenden zweiteiligen Beitrag möchte ich die Grundzüge erläutern, aber auch Praxistipps an die Hand geben, mit denen man etwaige rechtliche Risiken minimieren kann und trotzdem innovative und kreative virale Marketingkampagnen (auch als digitale Mundpropaganda bezeichnet) durchführen kann.
1. Rechtliche Einordnung von viralen Videos
Im deutschen Recht muss zunächst geprüft werden, ob insoweit die Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG) oder die rundfunkrechtlichen Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages (RfStV) anzuwenden sind.
Das für klassische Medien wie Radio und TV anwendbare Rundfunkrecht sieht weitreichende förmliche Zulassungs- und Regulierungsregelungen, sowie umfassende Werbeeinschränkungen vor. Das Gesetz hat den Zweck solch lineare Medien, die aufgrund einer entsprechenden Reichweite eine erhebliche Meinungsbildungsrelevanz haben, ein Stück weit zu kontrollieren. Eine Anwendbarkeit des ganzen rundfunkrechtlichen Spektrums hätte weitreichen Folgen für solche On-Demand Dienste wie die (viralen) Videos auf den diversen Videoportalen, wie z.B. die aus dem TV bekannte strikte Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung.
Die herrschende Meinung in der juristischen Literatur und Rechtsprechung ist aber (noch) der Auffassung das der RfStV für solche nicht-lineare Medien nicht vollständig eingreift. Trotz ständig steigender Nutzerzahlen liege – mangels programmatischer Struktur – noch keine hinreichende Meinungsbildungsrelevanz, die die Anwendung der rundfunkrechtlichen Vorschriften angezeigt erscheinen lässt.
Auch wenn sich solche On-Demand Videos also nicht an den restriktiven rundfunkrechtlichen Vorschriften zu orientieren haben, so gelten dennoch die Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG).
2. Rechtliche Vorgaben
Für solche Videos sind insbesondere der § 6 TMG als auch die verschiedene Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb relevant (UWG), die den Verbraucher für verschiedenen irreführenden Informationen schützen sollen.
a) § 6 TMG sieht eine Pflicht zur Kennzeichnung von kommerzieller Kommunikation vor. Der Empfänger solcher auf gewerblichen Interessen beruhender Botschaften soll diese entsprechend identifizieren können und so von einer Täuschung über die Neutralität und Objektivität der mitgeteilten Information bewahrt werden. Bei der Frage, ob ein Irrtum über die dahinterliegenden kommerziellen Interessen erweckt wird, ist auf den sogenannten durchschnittlich aufgeklärten Nutzer abzustellen. Erkennt dieser also, wie z.B. bei Videos auf einer entsprechenden Herstellerseite (wie z.B. BMW) den Werbecharakter, so bedarf es keines besonderen Hinweises. Anders sieht es aber z.B. auf „neutralen“ Seiten wie den diversen Videoportalen aus. Erkennt ein entsprechend aufgeklärter Nutzer hier den Werbecharakter aller Voraussicht nach nicht, so trifft den Werbenden gemäß § 6 TMG eine entsprechende Hinweispflicht.
Während ein informierter Nutzer bei diversen Viralen Videos von Nike den Werbecharakter wohl noch erkennt, ist dies für die sehr erfolgreich verlaufene Werbekampagne mit Horst Schlämmer von VW nicht der Fall gewesen. Hier wurde der Werbecharakter eine lange Zeit bewußt verschleiert. Mit dieser Argumentation ist daher davon auszugehen, dass die Veröffentlichung der diversen Fahrschul-Videos auf dem entsprechenden Schlämmer-Blog aufgrund eines Verstosses gegen § 6 TMG rechtswidrig war.
b) Neben dem TMG ist auch das UWG relevant. §§ 4 Nr. 3 und Nr.11 UWG verbieten explizit die im Zusammenhang mit absatzfördernden Handlungen die Verschleierung des Werbecharakters. Auch insoweit ist auf den durchschnittlich informierten Verbraucher abzustellen. Die Bewertung deckt sich also mit den Ausführungen zu § 6 TMG. Bei solchen Verstößen gegen das UWG ist allerdings zu beachten, dass diese immer entsprechende Unterlassungs- und unter bestimmten Voraussetzungen sogar Schadenersatzansprüche der Wettbewerber begründen. Neben diesem nicht unerheblichen Risiko sollte auf Seiten der Werbeagenturen im Auge behalten werden, dass sich aus einer rechtswidrigen Kampagne für den Kunden ein entsprechender Image-Schaden entwickeln kann. Insofern sollte man also nicht eindeutig rechtswidrige Kampagnen „verkaufen“, sondern sich zumindest in dem durchaus noch weiten Feld der zumindest im rechtlichen Graubereich anzusiedelnden Gestaltungsmöglichkeiten halten.
Wer hier also sicher gehen will, gestaltet die Videos so, dass zumindest am Ende des Films ein Hinweis eingebaut wird, der den durchschnittlich informierten Nutzer den Werbecharakter erkennen lässt.
c) Die theoretisch für virale Videos noch denkbaren §5 UWG (Irreführende Werbung) und §7 UWG (Unzumutbare Belästigung) sind für solchen viralen Videos im Ergebnis wohl nicht relevant. Erstere Vorschrift soll den Verbraucher vor inhaltlich falschen Werbeaussagen schützen. In typischen viralem Videos geht es aber nicht um die Weitergabe von falschen Infos, sondern allenfalls um die Verschleierung des Werbecharakters. Auch eine unzumutbare Belästigung im Sinne von §7 UWG wird im Regelfall nicht vorliegen, da sich der jeweilige Interessent die viralen Video ja freiwillig betrachtet.
d) Gewisse Aufmerksamkeit sollte vielleicht noch der neu vom Gesetzgeber eingeführten sogenannten „Schwarzen Liste“ gewidmet werden, die als Anhang zum UWG grundsätzlich verbotene Werbehandlungen auflistet. So verbietet Nr. 11 ausdrücklich als Informationen getarnte Werbung. Diese Regelung könnte also für verschiedene Gestaltungen viraler Videos auch relevant werden.
3. Zusammenfassung
Für eine Konformität mit deutschem Recht ist es (aus verschiedenen rechtlichen Gründen) entscheidend, dass der durchschnittlich informierte Nutzer den Viralclip irgendwie auch als Werbebotschaft identifizieren kann. Dies muss nicht unbedingt ein ausdrücklicher Hinweis sein (wie hier), sondern kann beliebig gestaltet werden. Die Zuordnung als Werbung deckt sich am Ende des Tages ja eigentlich auch mit dem Interesse des werbenden Unternehmens, dessen Marke oder Produkte mit diesem Video beworben und in Verbindung gebracht werden soll.
Auch wenn damit möglicherweise ein Teil der Faszination von viralen Clips, die erst einmal nicht als solche zu identifizieren sind, genommen wird, so bleibt nach Analyse der aktuellen Rechtslage leider kein anderes Fazit. Meines Erachtens ist der Gestaltungsspielraum und die „Spielwiese“ für Werber aber immer noch gross genug um kreative virale Werbeideen zu entwickeln und zu verwirklichen.
Im zweiten Teil dieser Beitragsreihe werde ich mich noch einmal mit der Zulässigkeit und rechtskonformen Gestaltungsmöglichkeiten von e-Mail basierten viralen Werbeformen wie den E-Cards oder der sogenannten Tell-A-Friendfunktion beschäftigen. Diese Fortsetzung wird die Problematik im übrigen noch einmal zusammenfassen und einen Ausblick auf die europäische Richtlinie für audiovisuelle Medien wagen, die bis Ende 2009 in Deutschland in nationales Gesetz umzusetzen ist und die diesem Bereich – aller Voraussicht nach – noch einmal einige Neuerungen bringen wird.
Weiterführend zum Thema:
Virales Marketing & Recht – Dos und Donts für rechtssichere Werbung im Web 2.0 (TEIL 2)
Bildquelle: http://www.flickr.com/photos/philippschnitzler/